Von der Hexe Gruselsehr

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Rudolfus

Mitglied
Die arme Hexe Gruselsehr,
Es ist schon lange, lange her
Hat sich bei dunkler, dustrer Nacht
Ganz heimlich auf den Weg gemacht...

Sie traut' sich aus der Hütt' nicht raus,
Ihr Anblick macht' den Leuten Graus.
Dabei war sie von Herzen gut.
Tief zog sie ins Gesicht den Hut,

Als sie in der besagten Nacht
Sich zaghaft auf den Weg gemacht
Und bald erreicht' den dunklen Wald,
In dem es finster war und kalt.

Was wollte sie im Walde nur?
Warum war krumm sie von Statur?
Der Blick war starr, er irrt umher.
"Was wolltest, arme Gruselsehr,

Du in dem finstern Wald allein,
So stolpernd über Stock und Stein?"
"Mein Zauberstab, mein Zauberstab!
Wo ließ ich ihn, o wie im Grab

Ist mir's, wenn ich ihn nicht mehr fänd'!
Mein' Zauberkraft hätt' so ein End'!
Verhöhnt, verspottet und verlacht,
Verlöre ich die Zaubermacht."

Drob weinte sie recht bitterlich.
Ein Zwerg voll Rührung zu ihr schlich
Und strich ihr zärtlich über's Haar,
Das grau und weiß geworden war.

Der armen Hexe Gruselsehr
War drauf das Herz nicht mehr so schwer.
"Mein Zwerglein", sprach sie voll Bedacht,
"Du hast das Herz mir leicht gemacht.

Und wenn der Stab nun ist perdü,
Auch Zwerge zaubern ohne Müh.
Zwar ist dein Stab ein Stäbchen nur,
Doch hilft vielleicht Akkupunktur,

Damit der Zauberstab erwacht
Und Gruselsehr viel Freude macht!"
Von Stund' an freuten sie sich sehr,
Der Zwerg und Hexe Gruselsehr.
 

alfi

Mitglied
Rodolfus

Haste klasse geschrieben. Ich liebe diese Art und auch die Zweideutigkeiten. Hut ab. (ich hab gar keinen)
 
I

IKT

Gast
Noch'n Gedicht....

Bei Zauberstäben ist nicht wichtig,
wie groß und lang, sondern wie tüchtig!
Und ist der Zwerg des zauberns mächtig,
wird Gruselsehr sicher andächtig
auf ihn zufrieden niederblicken,
mit Liebe, Frohsinn und Entzücken! : ;)

Lieber Rudolfus das ist ja ein tolles Märchen in gereimter Form. Deine Gruselsehr ist mir sympathisch.
Schönen Abend Dir und - ihr! IKT :p
 

Rudolfus

Mitglied
Ihr Lieben, Alfi, IKT,
Voll Rührung ich heut' Abend seh,
Dass meine arme Gruselsehr
Euch rühret, wärmt das Herz gar sehr.
Sie sieht zwar wüst und schaurig aus,
Und selber ist sie sich ein Graus.
Doch drinnen ist sie licht und hell
Wie Wäscheengel Ariel.
Drum möge sie hinfort auf Erden
Mit ihrem Wichtel glücklich werden!

Ein schöne, gruselfreie Nacht und morgen wieder poetische leselupen-Einfälle wünscht Euch

Rudolfus
 

Schakim

Mitglied
Guten Morgen, Rudolfus!

Jetzt weiss ich ja, warum der Wald
oft bitter weint und wünscht sich bald
der Sonne Lächeln ins Gesicht,
weil aus ihm Hexe Grusel spricht:

Herbei! Herbei! Du heisse Hitze,
damit im Wald ich richtig schwitze!
Mein Zwerg, der fröstelt viel zu sehr,
d'rum Sonnenbraut gesell' dich her!

Die Sonne zögert oft am Tag
und weiss nicht richtig, ob sie mag ...
Die Hexe Grusel und ihr Zwerg -
Sie schleppen Wolken übern Berg.

Die Sonne schickt wohl einen Strahl -
Nur hin- und wieder für ein Mahl ...
D'rum Wandersleut' geniesst die Wärme,
denn Hexe Grusel hätt' sie gerne ...

Der Zwerg und Hexe Grusel weinen
um diesen Moment, den schönen einen,
wenn sie im moosbegrünten Wald,
spüren, jetzt kommt die Sonne bald ...

Oh, Wunderwelt in der Natur!
Ihr Hexen, Zwerge - eure Spur,
die ist ein wahres Wunderstück -
Seht es und findet euer Glück!


Ich wünsche Dir einen heitern Tag!
Schakim
 

Rudolfus

Mitglied
Sei gegrüßt Schakim, Du edle Verseschmiedin, die Du meine arme Gruselsehr an Deinem pochenden Herzen gewärmt hast...

Ja, Gruselsehr, der war es kalt
In dem verschneiten Frühlingswald.
Der Wichtel ist ihr Sonnenschein,
Nun ist sie niemals mehr allein.
Und tags und nachts, selbst wenn es schneit,
Ist gegen Kälte sie gefeit.
Und ihre holde Dereisamkeit
Vertreibt das Trübe alle Zeit!

Liebe Grüße

Rudolfus
 
H

Harald

Gast
Dreideutigkeit

Liebe Kinder!

Eigentlich sagt doch Rudolfus in seiner Zweideutigkeit nichts eindeutig?!

Ich bin überzeugt, die zuvor durch ihren Zauberstab übermächtige Hexe Gruselsehr erkannte in dem Zwerglein, in diesem kleingewachsenen, unscheinbaren und schwächlichen Kerlchen, das Wunder menschlicher Unvollkommenheit.

Habt Ihr, liebe Kinder, beim Märchenlesen noch nie diese Helle erlebt, wenn zum Beispiel der Froschkönig zum Prinzen wird? Habt Ihr noch nie die Armut des Sterntalerkindes wie am eigenen Leibe verspürt, wenn Ihr hört: „Es war einmal ein arm Kind und hat kein Vater und kein Mutter, war alles tot und war Niemand mehr auf der Welt ... und war ganz allein, und da hat sich’s hingesetzt und geweint, und da sitzt es noch und ist ganz allein.“

Das Zwerglein hat, obwohl selbst arm und hilfsbedürftig, der Hexe Gruselsehr zärtlich übers Haar gestrichen. Die unendliche Sanftheit dieses Streichelns hat ihr die Zuneigung für den Zwerg eingeflößt. Nicht, der Zauberstab – der ist nur das übliche Brimborium.

Denn über den beiden erglänzte der Zauber und die Seligkeit der Liebe. Lacht nicht über die alte Hexe und den winzigen Zwerg. Ihr könnt sie doch gar nicht mehr sehen. Sie sind ja in ihrer Glückseligkeit ganz einfach versunken. Entglitten in das ewige Blütenmeer der Märchen.
 

Rudolfus

Mitglied
Ganz richtig, lieber Harald! Das sanfte, zärtliche Streicheln des Wichtels über das grau-weiße Haar der Hexe, diese Urgeste liebevoller Zuneigung, erzeugt den von dir hymnisch beschriebenen Zauber, jene Seligkeit der Liebe, die alles Trübe, Kalte, Dunkle überwindet.
Nur: Hexen, die ihren Zauberstab verloren haben, müssen um ihrer Existenz und Identität willen selbigen suchen! Und das tun sie dann bei den Kleinen und Zarten, vgl. die Hexe im Knusperhaus, die Hänsel mästet. Zum Glück ist unserer Gruselsehr das wüste Schicksal ihrer Berufskollegin erspart geblieben. Hoch leben unser Wichtelzwerg, der so sanft streicheln kann...

Eine gute Nacht wünscht

Rudolfus
 



 
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