Von einer Arbeitslosen, die sich selbstständig machen wollte

4,00 Stern(e) 4 Bewertungen

endlich

Mitglied
Vorneweg:
Ich habe das mit Absicht in dieses Forum eingstellt, damit keiner auf die Idee kommt, es von einer anderen als der humorvollen Seite zu nehmen. Der Beitrag erhebt keinen Anspruch auf Allgemeingültigkeit oder Übertragbarkeit auf andere Personen oder Situationen!



Von einer Arbeitslosen, die sich selbstständig machen wollte

A: Arbeitslose
S1: erster Sachbearbeiter

Weitere Akteure werden der Übersichtlichkeit halber an den entsprechenden Stellen eingeführt.

***

A beim Arbeitsamt, sorry, bei der Agentur für Arbeit

A: Guten Tag, ich möchte mich arbeitslos melden.
S1: Wie bitte? Meinen Sie arbeitslos oder arbeitssuchend?
A: Ähm …
S1: Also, wenn Ihnen gekündigt würde, müssen Sie sich arbeitssuchend melden.
A: Aha, also dann möchte ich mich arbeitssuchend melden.
S1: Warum wurden Sie gekündigt? Sie wurden doch gekündigt?
A: Wegen der Auftragslage. Betriebsbedingte Kündigung (zeigt Schreiben von E).
S1: Aha, dann müssen Sie dieses Formular ausfüllen und hier wieder abgeben – den Fragebogen legen Sie bitte Ihrem persönlichen Arbeitsberater vor – und dieses Blatt müssen Sie von Ihrem Arbeitgeber ausfüllen lassen – welches Fehlverhalten Ihrerseits zu der Kündigung geführt hat.
A: (leicht irritiert) Welches Fehlverhalten zu meiner Kündigung geführt hat?
S1: Jaja, die Rückseite füllen Sie bitte aus, da ist Platz für eine Stellungnahme Ihrerseits.
A: Aber … (besinnt sich eines besseren und geht)

***

A bei ihrem Ex-Chef (E)

A: Das müssten Sie noch ausfüllen.
E: (liest, guckt irritiert) Wieso, das war doch eine betriebsbedingte Kündigung.
A: Ja, trotzdem.
E: (schreibt: Es handelt sich um eine betriebsbedingte Kündigung, die nicht dem Arbeitnehmer anzulasten ist.)
A: Danke. (schreibt auf seine Seite das Gleiche)

***

A beim … bei der Agentur für Arbeit

A: Hier, dass sollte ich bei Ihnen abgeben.
S1: Ah, das Formular, und die Stellungnahme … ach, das war eine betriebsbedingte Kündigung … dann hätten Sie die gar nicht ausfüllen müssen.
A: ?
S1: (gibt die Daten aus dem Formular in den Computer ein, Adresse, Telefon etc.) Ach, Sie waren schon einmal gemeldet, in Stadt A, dann können wir ja die alte Nummer wieder aktivieren.
A: Okay …
S1: (druckt einen Zettel mit Nummer und sonstigen Daten aus) Hier steht alles drauf, das können Sie in Ihren Geldbeutel stecken. Die Nummer sagen Sie bitte immer, wenn Sie anrufen oder einen Termin vereinbaren wollen. Ihr Arbeitsberater wird sich in den nächsten Tagen bei Ihnen melden.
A: Danke. (nimmt den Zettel und geht)

***

A ruft eine Woche später bei der Agentur für Arbeit an, weil keine Unterlagen gekommen sind – und landet im Call-Center (C).

A: Guten Tag, meine Nummer ist … ich wollte mal nachfragen, weil keine Unterlagen angekommen sind.
C: (sieht im Computer nach) Wir konnten Ihnen keine Unterlagen zuschicken, weil Sie eine falsche Adresse angegeben haben.
A: Kann nicht sein, ich habe nur eine Adresse und die kann ich auswendig.
C: (liest vor)
A: ? … Die Adresse ist seit 4 Jahren nicht mehr aktuell, die habe ich Ihnen bestimmt nicht gegeben. Kann das sein, dass Sie nicht nur meine alte Nummer, sondern auch meine alte Adresse reaktiviert haben?
C: Hm … ja, dann sagen Sie mal Ihre richtige Adresse.
A: (diktiert die richtige Adresse) Wollen Sie auch gleich die richtige Telefonnummer? Falls die auch überschrieben wurde?
C: Ja, bitte.
A: (diktiert Telefonnummer)

***

A zieht zwei Briefe aus dem Briefkasten.

Brief 1:
Die Unterlagen von der Agentur für Arbeit

Brief 2:
Sehr geehrte Frau A.,
da Sie leider eine falsche Telefonnummer angegeben haben, lade ich Sie schriftlich zu einem Gespräch über Ihr Bewerberangebot ein. Bitte teilen Sie der Agentur für Arbeit umgehend Ihre korrekte Telefonnummer mit.
Ihr Arbeitsberater
S2

***

A kratzt sich am Kopf und ruft bei der Agentur für Arbeit an.

A: Guten Tag, meine Nummer ist … ich möchte den Termin bei dem Arbeitsberater am … um … bestätigen. Außerdem wurde mir geschrieben, meine Telefonnummer sei falsch, aber die habe ich Ihnen doch jetzt schon zweimal gegeben.
C: 06131 …
A: Nein, das ist immer noch die Telefonnummer von vor 4 Jahren. Die hat eine Kollegin von Ihnen aber schon vorgestern aktualisiert, sagte sie zumindest.
C: Ja, dann sagen Sie doch mal die richtige Nummer, ich werde sie dann direkt im Computer aktualisieren.
A: (beginnt Telefonnummer zu diktieren)
C: (plopp – Leitung tot)
A: ?

A ruft erneut bei der Agentur für Arbeit an.

A: Guten Tag, Sie haben gerade anscheinend den Hörer fallenlassen.
C: Das war bestimmt ein Kollege. Sagen Sie bitte erst mal Ihre Nummer.
A: Hier ist A, meine Nummer ist … Ich wollte Ihnen eigentlich nur meine richtige Telefonnummer diktieren.
C: Okay, ich trage Sie dann direkt in den Computer ein.
A: (diktiert, diesmal ohne Zwischenfälle)

***

A beim Termin mit dem Arbeitsberater (S2). Auf dem Bewerberbogen hat sie angekreuzt, dass sie sich vorstellen kann, sich selbstständig zu machen.

S2: (schaut den Bogen durch, blickt plötzlich erfreut auf) Ach, Sie denken darüber nach, sich selbstständig zu machen?
A: (guckt erstaunt) Ja … in dem Bereich ist es nicht so einfach, feste Stellen zu bekommen, alle arbeiten lieber mit freien Mitarbeitern.
S2: (voller Elan) Ja, dann können Sie gleich am nächsten Existenzgründungsseminar teilnehmen, warten Sie, ich sehe mal nach, ach, da sind sogar noch Plätze frei. Dann melde ich Sie direkt mal an.
A: ?
S2: Hier haben Sie noch ein paar Unterlagen zum Seminar von der Firma, die das macht.
A: Danke. (wird verabschiedet und geht)

***

A liest die Unterlagen.
Existenzgründungsseminar von … bis …
2 Wochen, Vollzeit, 40 Stunden.
Firma X, Adresse Telefonnummer.
Keine Uhrzeit, kein Ansprechpartner.

A gibt Firma X bei Google ein, Firma gibt es nicht.
A ruft die Telefonnummer an – kein Anschluss unter dieser Nummer.

A ruft bei der Agentur für Arbeit an.

A: Guten Tag, meine Nummer ist … ich soll an einem Existenzgründungsseminar teilnehmen, in einer Woche, und ich brauche noch ein paar Informationen, könnte ich bitte Herrn S2 sprechen?
C: Ja, ich werde das weiterleiten, dann ruft Herr S2 Sie innerhalb von 48 Stunden zurück.

***

A wartet ca. 46 Stunden und ruft erneut bei der Agentur für Arbeit an.

A: Guten Tag, meine Nummer ist … der Herr S2 wollte mich zurückrufen.
C: Das ist aber noch keine 48 Stunden her, da müssen Sie sich noch ein bisschen gedulden.

***

A wartet noch ca. 20 Stunden und ruft wieder bei der Agentur für Arbeit an.

A: Guten Tag, meine Nummer ist … jetzt sind die 48 Stunden aber wirklich rum.
C: Da muss ich mal gucken … ich leite das weiter, dann ruft Sie innerhalb von 48 Stunden jemand zurück.
A: Das haben Sie letztes Mal auch gesagt. Das Seminar fängt Montag an, und jetzt ist Donnerstag.
C: Ja, da kann ich auch nichts machen, warten Sie, ich setze das hier auf hohe Priorität, dann ruft Sie innerhalb von 48 Stunden …
A: (fügt sich seufzend in sein Schicksal)

***

Freitag ruft S2 von der Agentur für Arbeit an.

A: A?
S2: Guten Tag, Sie brauchen noch Informationen zum Existenzgründungsseminar?
A: Ja, die Adresse scheint nicht zu stimmen, und die Telefonnummer auch nicht.
S2: Ach ja, die sind umgezogen, die neue Adresse ist … Wann die anfangen, weiß ich auch nicht, da müssten Sie mal anrufen, aber die Telefonnummer kann ich Ihnen leider nicht sagen. Vielleicht suchen Sie mal im Internet oder im Telefonbuch.
A: Okay.

***

A sucht im Internet, findet auch unter der neuen Adresse nichts.
A sucht im Telefonbuch, Firma gibt es immer noch nicht.
A beschließt, am Montag zu der neuen Adresse hinzugehen, um 8:00 - das kann bei 40 Stunden so falsch nicht sein.

***

A steht am Montag um 8:00 vor der Fortbildungsstätte, die es erstaunlicher Weise wirklich gibt. Auf die gleiche Idee sind noch ein paar Seminarteilnehmer gekommen, keiner weiß, wann es losgehen soll. Es gibt auch kein Sekretariat, wo sie fragen könnten.

Der Dozent (D) erscheint um 8:30. Er hat keine Teilnehmerliste, aber mehr Teilnehmer, als auf der Liste stehen dürften.

D: Da ich nicht weiß, wer jetzt wieder gehen muss, können wir eigentlich erst anfangen, wenn wir die Liste haben. Wann wir die kriegen, weiß ich aber nicht.
Erst mal ein paar grundsätzliche Dinge zum Seminar… Wir fangen morgens um 8:00 an, von 9:30 – 10:00 ist Frühstückspause, von 12:15 – 13:00 Mittagspause und wenn wir die Kaffeepause ausfallen lassen, können Sie auch schon um 15:15 gehen.

A rechnet, kommt auf 6 Stunden pro Tag, mal 5 macht 40? Eigentlich nur bei Pippi Langstrumpf. Oder muss sie das Wochenende dazuzählen?
Nein, natürlich nicht, und wenn jemand mal zwischendurch weg muss, ist das auch nicht schlimm, oder mal eher … und morgen kann D selbst erst ab 9:00. Am letzten Freitag ist nur gemeinsames Frühstücken, und in der ganzen zweiten Woche, wenn der Businessplan erstellt wird, können die, die eher fertig sind, dann sowieso mittags gehen.

A rechnet noch mal und fragt sich, ob sie nicht lieber für das … die Agentur für Arbeit arbeiten sollte.

***

Die Computer sind bestückt mit Office 97, Internet Explorer 5.0 und einer Reihe praktischer Viren, die alle 5-7 Minuten entweder den Browser oder Excel außer Betrieb setzen, sodass auf jeden Fall für ausreichend viele Pausen gesorgt ist.
Dass man Disketten trocken lagert, davon hat D noch nie etwas gehört – ein Exemplar, dessen feuchtes Innenleben zur Hälfte im Laufwerk stecken bleibt, hat A wiederum noch nie gesehen. Schade nur um den Businessplan der betroffenen Teilnehmerin.

D beschließt, der Admin muss her, und die Gruppe den Computerraum bis auf weiteres verlassen.

A: Was machen wir dann jetzt?
D: Tja, also eigentlich hätten wir Recherche im Internet machen müssen, aber so habe ich jetzt gar keinen Stoff mehr, da können Sie eigentlich auch nach Hause gehen.
A: Sie könnten uns das mit der Einnahmen-Überschuss-Rechnung erklären.
D: Dafür reichen zwei Wochen aber nicht, das ist viel zu kompliziert. Aber im Prinzip müssen Sie einfach nur die Ausgaben von Ihren Einnahmen abziehen.

So genau wollte A es eigentlich gar nicht wissen.

***

A fragt D, ob sie für Ihre Tätigkeit eine Gewerbeanmeldung benötigt, oder ob sie sich nur beim Finanzamt melden muss.

D: Also wahrscheinlich brauchen Sie ein Gewerbe, glaube ich. Aber da können Sie einfach mal beim Gewerbeamt anrufen und sich erkundigen. Aber eigentlich ist es sowieso besser, ein Gewerbe anzumelden.

A lässt das Thema wieder fallen.
In der Nacht träumt A von dem Wort
eigentlich.

***

Ein wichtiger Teil eines Businessplans ist der Finanzplan, ohne den kann keine Existenzgründung gefördert werden. Dieser muss von einer unabhängigen fachkundigen Stelle geprüft werden. Dann erhält der Arbeitslose eine Tragfähigkeitsbescheinigung, die er dem Arbeitsamt (ups) vorlegen muss.

D: Hier habe ich eine Vorlage in Excel programmiert, für Ihren Finanzplan, da müssen Sie nur noch die Zahlen eintragen, der Rest erledigt sich von selbst.
A: Welche Zahlen?
D: Ach, irgendwelche, so, dass es passt. Es sollte daraus hervorgehen, dass Sie in den ersten 6 Monaten Unterstützung benötigen, und dass sich Ihr Unternehmen danach selbst trägt.
A:
D: Wie, Sie sind schon fertig? Dann können Sie auch gehen oder was anderes machen.
A: Aber sind Sie denn sicher, dass das so in Ordnung ist?
D: Ja, natürlich! Wenn Sie einen Kredit bei einer Bank bräuchten, wäre das noch etwas anderes, aber für das Arbeitsamt reicht das auf jeden Fall.
A: (geht achselzuckend)

***

A möchte bei der vom Arbeitsberater S2 vorgeschlagenen unabhängigen fachkundigen Stelle (F1) seinen Stempel für den Businessplan abholen.

F1: Nee, also der Finanzplan ist so viel zu ungenau, den müssen Sie überarbeiten.
A: Aber wozu gehe ich denn zu so einem Seminar, wenn das, was man da macht, hinterher falsch ist?
F1: Ja, da muss ich auch mal nachfragen, was das soll. (gibt ausführliche Anweisungen, wie der Finanzplan bitte auszusehen hat … diese klingen geringfügig plausibler als die von D)

***

A meldet bei der Agentur für Arbeit, wo sie sich den Termin umsonst hat geben lassen, dass sie entgegen der Vorhersage von D keinen Stempel bekommen hat. Und sie fragt vorsichtshalber auch S2, ob er meint, dass sie ein Gewerbe anmelden muss oder nicht.

S2: Aber sie müssen doch sowieso, wenn Sie den Antrag auf Förderung abgeben wollen, einen Stempel vom Finanzamt oder Gewerbeamt haben, dass Sie eine Tätigkeit angemeldet haben.
A: ? … D hat gesagt, man darf auf keinen Fall die Tätigkeit anmelden, bevor man den Antrag abgegeben hat, sonst wird die Förderung gestrichen.
S2: Nein, das ist falsch. Sie müssen die Tätigkeit vorher anmelden, aber zu einem Datum, nachdem Sie den Antrag abgegeben haben. Dann müssen Sie sich dort eine Bescheinigung geben lassen, dass Sie sich zu diesem in der Zukunft liegenden Datum angemeldet haben.
A: (seufzt und nickt, fragt noch mal, was sie denn jetzt anmelden muss, Gewerbe oder nicht)
S2: Also, ein Gewerbe brauchen Sie nur, wenn Sie etwas verkaufen, das man anfassen kann. Bei geistigen Leistungen reicht eine Anmeldung beim Finanzamt.
A: (verkneift sich, die Aussage von D an S2 weiterzugeben und beschließt, zur Sicherheit noch einmal im Internet nachzusehen)

***

A liest im Internet, dass das Finanzamt letztendlich entscheidet, bei welcher Tätigkeit man ein Gewerbe anmelden muss und wann es ausreicht, sich beim Finanzamt zu melden.
A ruft direkt beim Finanzamt an und landet nach ein paar Runden in der Warteschleife (die sie pflichtschuldigst informiert, dass der Anruf auch in der Wartezeit bereits kostenpflichtig ist) – in der Zentrale (SF1 – erster Sachbearbeiter Finanzamt).

SF1: Guten Tag, was kann ich für Sie tun?
A: Guten Tag, hier ist A, ich möchte eine selbstständige Tätigkeit anmelden, und mich erkundigen, ob ich mich an Sie oder an das Gewerbeamt wenden muss.
SF1: Ja, da stell ich Sie mal durch … das ist die Frau Müller (SF2), Durchwahl 333
(tuuut – tuuut – tuuut –tuuut …)
SF1: Hören Sie? Da geht niemand dran, versuchen Sie es doch in einer halben Stunde noch einmal selbst.
A: Okay.
A: (eine halbe Stunde später: tuuut – tuuut – tuuut- tuuut – tuuut – tuuut)
A: (noch eine halbe Stunde später: tuuut – tuuut – tuuut- tuuut – tuuut – tuuut)
A: (noch ein paar Minuten später: tuuut – tuuut – tuuut- tuuut – tuuut – tuuut)

***

A: (am nächsten Morgen: tuuut – tuuut – tuuut- tuuut – tuuut – tuuut – will gerade auflegen)
SF2: Müller?
A: … Ah ja, guten Tag, hier ist A., die Zentrale hat mir Ihre Durchwahl gegeben, ich möchte mich selbstständig machen und brauche eine Auskunft, ob ich mich bei Ihnen anmelden muss oder beim Gewerbeamt.
SF2: Oh, da bin ich aber nicht zuständig, mein Bereich sind Arbeitnehmerfragen. Ich stell Sie mal durch zum Herrn Maier (SF3), Durchwahl 123 (tuuut – tuuut – tuuut –tuuut …)
A: (legt nach 25 Mal klingeln den Hörer auf und ruft in der Zentrale an)
SF1: Guten Tag, was kann ich für Sie tun?
A: Frau Müller hat gerade versucht, mich zu Herrn Maier durchzustellen, hat irgendwie nicht geklappt …
SF1: Warten Sie, ich versuche mal, Sie zu seinem Nachbarn (SF4) durchzustellen. (tuuut – tuuut – tuuut –tuuut …)
SF4: Schmitz?
A: Guten Tag, ich habe eine Frage zum Anmelden einer selbstständigen Tätigkeit, die Zentrale hat mich zu Ihnen durchgestellt, weil Herr Maier nicht drangegangen ist.
SF4: Ja, der Herr Maier ist gerade in einer Besprechung, wenn Sie in einer halben Stunde noch einmal anrufen würden?
A: Okay.

***

A: (wählt eine halbe Stunde später die Durchwahl von SF3)
SF3: Maier?
A: Guten Tag, hier ist A., ich mache mich selbstständig und möchte mich erkundigen, ob ich eine freiberufliche Tätigkeit bei Ihnen anmelden oder zum Gewerbeamt gehen muss.
SF3: Ja, da ist mein Nachbar zuständig, warten Sie mal, ich geb' Sie mal rüber …
SF4: Schmitz?
A: ? … ähm ja, also … (wiederholt ihren Text)
SF4: Um was für eine Tätigkeit handelt es sich denn?
A: … (erklärt)
SF4: Ja, … dann fragen Sie doch einfach mal beim Gewerbeamt …
A: Nein, im Internet steht, Sie entscheiden das. Deshalb habe ich ja auch hier angerufen.
SF4: Ja, also dann würde ich sagen, müssen Sie wahrscheinlich ein Gewerbe anmelden.
A: Aber ich dachte, wenn man das, was ich verkaufe, nicht anfassen kann …
SF4: Ja, das war früher, da gab es viele dieser Berufszweige noch gar nicht … Ach, warten Sie mal, mein Kollege schüttelt gerade den Kopf … dann müssen Sie vielleicht doch kein Gewerbe anmelden ... dann reicht es vorerst, wenn Sie sich hier anmelden.
A: Ja, und was muss ich machen, um mich bei Ihnen anzumelden?
SF4: Da sind Sie ja schon dabei. Dann sagen Sie noch mal, wie Sie heißen und wo Sie wohnen.
A: … (diktiert)
SF4: Haben Sie schon eine Steuernummer bei uns?
A: Keine Ahnung … wann hat man denn so was?
SF4: Naja, wenn Sie schon mal eine Steuererklärung bei uns abgegeben haben.
A: Habe ich schon, aber nur als Arbeitnehmer …
SF4: Ach ja, hier sind Sie ja, zusammen mit … (plopp – please hold the line – dudeldideldudel – plopp – eine Frauenstimme: Häää? – plopp – Leitung tot)

***

A ruft wieder die Durchwahl von Herrn Maier an, die von Herrn Schmitz hat sie ja nicht.

SF4: Frau A? Entschuldigen Sie, mein Kollege hat gerade einen Aktenordner auf das Telefon fallen lassen … Wo waren wir stehen geblieben?
A: Bei meiner Steuernummer.
SF4: Ach ja, Sie sind hier gemeinsam mit Ihrem Mann veranschlagt, das ist schon mal gut … Ich schicke Ihnen dann Ihre Unterlagen zu …
A: Der Arbeitsberater sagt, ich brauche eine Bescheinigung, das ich für in zwei Wochen eine selbstständige Tätigkeit angemeldet habe.
SF4: (grummelt) Die vom Arbeitsamt wollen immer irgendwelche Bescheinigungen, die gibt’s eigentlich gar nicht.
A: Das ist mir egal, ich hätte bitte gerne so eine Bescheinigung.
SF4: Hm, also gut, ich schicke Ihnen eine mit – damit der Kollege beim Arbeitsamt glücklich ist.
A: Okay, vielen Dank.

***

Zwei Tage später zieht A freudig überrascht ihre Unterlagen aus dem Briefkasten.

A hat derweil ihren Finanzplan überarbeitet und ruft bei der unabhängigen fachkundigen Stelle an, um einen neuen Termin zu vereinbaren, wegen dem Stempel.

F1: Hier spricht der Anrufbeantworter von F1. Das Büro ist zurzeit nicht besetzt. Bitte hinterlassen Sie eine Nachricht.
A: Guten Tag, hier ist A, meine Telefonnummer ist … Ich bitte um Rückruf wegen eines Termins für die Tragfähigkeitsbescheinigung.

***

A wartet zwei Tage und ruft wieder an.

F1: Hier spricht der Anrufbeantworter …

A versucht es in den folgenden zwei Tagen noch weitere 27 Mal – ohne Erfolg.

***

A ruft auf den Rat eines Bekannten bei der IHK (F2) an, da diese auch Tragfähigkeitsbescheinigungen ausstellt.

F2: Nein, wenn Sie eine freiberufliche Tätigkeit ausüben wollen, sind wir leider nicht für Sie zuständig – nur, wenn Sie ein Gewerbe anmelden. Rufen Sie doch mal bei F1 an, die sind dafür zuständig.
A: Aber da geht seit einer Woche keiner ans Telefon.
F2: Haben Sie mal die Zentrale von F1 probiert? (gibt A die Nummer – vom Kreishaus)
A: Haben Sie vielleicht eine Idee, an wen ich mich sonst noch wenden könnte?
F2: Notfalls vielleicht F3 vom Nachbarort, die sind zwar nicht für Sie zuständig, aber vielleicht können Sie ja mal ausnahmsweise vertretungsweise …
A: ? … Danke, auf Wiedersehen.

***

A fragt sich, ob es mehrere Stufen von nicht zuständig gibt, aber nicht ist doch eigentlich gar kein Adjektiv – nicht, nichter am nichtesten? Das hat sie noch nie gehört. Oder vielleicht ein bisschen nicht? Klingt auch seltsam.

Trotzdem scheinen da Nuancen zu existieren, die man beachten muss.

Ich bin nicht zuständig:
Vergiss es. Ich helfe dir nicht.

Ich bin nicht zuständig, aber …:
Naja, wenn du ganz nett bitte sagst, helfe ich dir vielleicht.

Ich bin eigentlich nicht zuständig:
Ich bin zuständig, aber das musst du mir erst mal beweisen.

Warten Sie, ich frag mal nach:
Ich bin zuständig, hab aber keine Ahnung.

Warten Sie, ich stell Sie mal durch:
Ich habe eine ungefähre Ahnung, wer zuständig sein könnte, oder wer vielleicht wissen könnte, wer zuständig ist. Trefferquote liegt beim ersten Versuch erfahrungsgemäß ca. bei 20%.

***

A ruft beim Kreishaus in der Zentrale (Z) an.

A: Guten Tag, ich versuche, Frau F1 zu erreichen, aber da geht seit Tagen nur ein Anrufbeantworter dran … Wissen Sie vielleicht, wo sie ist oder wann sie wiederkommt?
Z: Nein, keine Ahnung, tut mir leid.
A: Können Sie das nicht irgendwie rausfinden?
Z: Nein, tut mir leid. … Aber ich kann Sie mal ins Nachbarzimmer (N) durchstellen, vielleicht wissen die etwas. (tuuut – tuuut – tuuut)
N: Hier spricht der Anrufbeantworter von N … das Büro ist zurzeit nicht besetzt …

A legt auf und ruft wieder in der Zentrale an.

Z: Ach, ist keiner drangegangen? Ja, dann versuchen Sie es halt in einer halben Stunde noch mal.
A: Unter welcher Durchwahl?
Z: Die gleiche wie eben …
A: Aber Sie haben mich durchgestellt.
Z: Ja, stimmt, das ist die … Liiisaa, welche Durchwahl war das gerade? (im Hintergrund: … -1234, glaube ich!) … Ja, also die 1234.

***

A ruft eine halbe Stunde später die Durchwahl -1234 an. Es ist nicht die gleiche und es geht noch nicht einmal ein Anrufbeantworter dran. A ruft also bei F3 im Nachbarort an.

F3: Hier spricht der Anrufbeantworter von F3, das Büro ist zurzeit nicht besetzt …

A ruft einen Bekannten an, um sich nach Alternativen zu erkundigen. Dem fällt auch nichts mehr ein, was schnell gehen könnte – aber der Antrag muss bald abgegeben werden, weil das Datum der Anmeldung beim Finanzamt immer näher rückt ...

***

A erinnert sich, dass Unternehmensberater Tragfähigkeitsbescheinigungen ausstellen dürfen, und daran, dass ihr Versicherungsberater (V) auch Unternehmensberater ist.
Innerhalb von einem Tag ist sie im Besitz einer Tragfähigkeitsbescheinigung und eines Finanzplans, den sie selbst zu genau null Prozent versteht …

V: Also, die Zahlen in deinem alten Finanzplan hab ich nicht verstanden.
A: (versteht die in seinem neuen auch nicht) … Da gibt es nicht viel zu verstehen. Ich habe nur geschrieben, was D und F1 wollten.
V: Wozu brauchen die das beim Arbeitsamt überhaupt? Der Umsatz im ersten Jahr ist doch sowieso rein hypothetisch.

Wo er Recht hat, hat er Recht.

A ruft bei der Agentur für Arbeit an und möchte einen Termin vereinbaren, um Ihren Antrag und die vielen Bescheinigungen abzugeben.

A: Guten Tag, meine Nummer ist … Ich würde gerne einen Termin bei S2 vereinbaren, um meinen Antrag abzugeben.
C: Da brauchen Sie keinen Termin, da können Sie einfach so hingehen.
A: ? … Aber ist S2 dann auch da?
C: Das weiß ich nicht, wir haben ja Gleitzeit …
A: ? … Und was mache ich, wenn er nicht da ist?
C: Dann wird schon irgendwo ein Vertreter da sein.
A: ? … Danke. Wiederhören.

A macht sich mit all den Formularen und Bescheinigungen auf den Weg zur Agentur für Arbeit und geht direkt hinauf in den ersten Stock. Auf dem Gang begegnet ihr S3.

S3: Guten Tag, wohin des Weges?
A: Ich suche Herrn S2.
S3: Sein Zimmer ist da hinten, aber er ist gerade in einer Besprechung. (guckt kritisch auf die Uhr) Sie haben jetzt doch sicher keinen Termin, oder?
A: Nein, in der Zentrale hat man mir gesagt, ich brauche keinen Termin, wenn ich nur meinen Antrag abgeben will.
S3: Ja, dann – also spätestens in einer Stunde ist die Besprechung bestimmt vorbei. Da können Sie sich solange hier hinsetzen und warten.

Und wenn sie nicht gestorben ist … ist sie heute vielleicht selbstständig … oder sie wartet immer noch.



:rolleyes: Puuh ... Ich glaube, ich sollte mir eine effektivere Formatiertechnik ausdenken ...
 

endlich

Mitglied
Hallo Marius,

jetzt hab ich endlich mal eine witzig gemeint, und du sagst, sie ist traurig! Ach nee, stimmt gar nicht, ES ist traurig, hast du gesagt. Das mag sein, aber sie zu schreiben hat echt Spaß gemacht! ;-)

LG endlich
 

flammarion

Foren-Redakteur
Teammitglied
ja,

mindestens einen teil davon hat jeder arbeitslose und jeder, der mit irgendeinem amt je zu tun hatte, schon erlebt. namentlich das mit der zuständigkeit und der telefoniererei.
lg
 

endlich

Mitglied
Hallo flammarion,

"Sieh es als Komödie!" hat ein Freund von mir früher immer gesagt, wenn ich Augen rollend und Zähne knirschend über die Missstände dieser Welt geklagt hab.
Macht Vieles einfacher, und verhindert, dass man das Telefon an die Wand schmeißt, bevor man Arbeit hat, sein eigener Chef geworden oder gestorben ist! ;-)

LG endlich
 

Anhalli

Mitglied
von einer Arbeitslosen

Hallo endlich,

"Sieh es als Komödie!" hat ein Freund von mir früher immer gesagt, wenn ich Augen rollend und Zähne knirschend über die Missstände dieser Welt geklagt hab.(Zitat)
So denke ich auch, und ich meine, grundsätzlich ist das schon Satire, wenn gewisse Missstände derart überzogen werden, dass man lachen muss. Die Überziehung geht oft so weit, dass die geschilderten Sachverhalte und Verhaltensweisen lächerlich und absurd werden. Aber der Anspruch einer Satire, ist wiederum nicht unbedingt, den Leuten einen Lacher nach dem Anderen zu entlocken. Das ist dann eher Humor oder Comedy.
Dein Grundmaterial ist gut geeignet für eine satirische Erzählung, aber mich hat es recht bald ermüdet, nur Dialoge zu lesen, auch wenn es ein authentischer Text ist. Das ist auch wegen der Länge des Textes einfach zu trocken.
Und irgendwann langweilten mich die A und D's undsoweiter, weil sie nur ihre Sprache haben, ansonsten aber leblos sind.
Du könntest deinen Figuren mit Handlung mehr Leben einhauchen, finde ich.
Dann liest sich der Text auch flüssiger.

LG Anhalli
 

endlich

Mitglied
Hallo Anhalli,

vielen Dank für deine Anregungen. Ich hab lange überlegt, wie man am besten an die Sache rangehen sollte. So ist quasi gar keine "Stellungnahme" von außen vorhanden, was eigentlich beabsichtigt war. Aber es stimmt schon, es ist dafür ziemlich (vielleicht zu) lang geworden.
Es als Prosa zu schreiben, wäre sicher auch interessant, aber man müsste sich vor allem bei Telefonaten trotzdem damit begnügen, dass das "Gegenüber" nur aus einer Stimme besteht.
Oder einfach die trockenen oder langweiligen Stellen kürzen?
Welche könnten das sein? Gegenüber eigenen Texten ist man ja immer ein wenig blind ... ;-)

LG endlich
 

Anhalli

Mitglied
von einer Arbeitslosen.....

Hallo endlich,

ich will mal versuchen, zu erklären, wie ich an den Text rangehen würde.
Den Figuren würde ich Namen geben, dem sogenannten Protagonisten sowieso(Ich-Form geht auch), aber den Anderen auch, das liest sich einfach besser. In Wirklichkeit haben sie auch welche, meistens ein Schild an der Tür oder am Arbeitsplatz. Auf Herr oder Frau würde ich verzichten, sondern sie einfach nur als Schulze, Meyer usw. agieren lassen. Außer in den Dialogen, wenn von ihnen die Rede ist.
Eine der besten Stellen ist die mit dem Seminar, mit Teilnehmern, die sich trotz aller Härten dort einfinden! Oder die feuchten Disketten, die Software aus der Urzeit und die Viren, die den Computer lahm legen. In der Form stelle ich mir den Text vor.
___________________________________________________________
"Es als Prosa zu schreiben, wäre sicher auch interessant, aber man müsste sich vor allem bei Telefonaten trotzdem damit begnügen, dass das "Gegenüber" nur aus einer Stimme besteht." Zitat
___________________________________________________________
Beim Telefongegenüber kannst du viel über die Akustik machen, er/ sie kann sich räuspern, gelangweilt sprechen, einen Sprachfehler haben oder Polypen, er/sie könnte husten, einen Satz dehnen, genervt wirken. Je mehr du diese Personen beschreibst, desto mehr wirken sie.
Da ich selbst gern Satiren schreibe, kann ich soviel sagen: bei mir entsteht eine Satire auch nicht aus dem Stand, ich sammle erst mal nur Fakten, lege die Charaktere fest und versuche den Text dann zu überziehen. Dafür brauche ich manchmal sogar ein Jahr. Wenn ich den Ursprungstext dann sehe, krieg ich oft das kalte Grausen. Da hast den Vorteil, dass du dir (so scheint es mir) Telefongespräche
und Dialoge bis ins kleinste Detail merken kannst. Ich vergesse die Gespräche meistens und muss dann nachkonstruieren. .
Du als „Beobachter“, der sein Gegenüber an Telefon nicht sieht, könntest ihn dir vorstellen, wie er gelangweilt bei dem Gespräch mit den Augen rollt, oder Grimassen zieht. Oder auf dem Computer rumklimpert. Das tun sie auf den Ämtern ja wirklich gern. Das Geklimper kannst du übrigens sogar durch die Leitung hören.
(Ich hatte übrigens mal mit einer Sachbearbeiterin zu tun, die derart schusselig wirkte, dass sie alles durcheinanderbrachte, es aber so drehte, dass ich mich als "Die Dumme" fühlte. Ihre Stimme ließ auf durchzechte Nächte und einen Zigarettenkonsum von mindestens zwei Schachteln pro Tag schließen.)

Zum Inhalt der Dialoge: 1.sie geben einen guten Überblick über die Inkompetenz der Sachbearbeiter.
Wenn die schon nicht mehr durchblicken, wie dann bitte wir? 2.niemand fühlt sich mehr zuständig, man wird nur noch weitergeleitet...weitergeleitet..., kost ja nix.

Viel Spaß mit dem Text weiterhin
LG Anhalli
 

endlich

Mitglied
Hey Anhalli,

das sind klasse Ideen! Vielen Dank! Könnte passieren, dass ich eine Weile brauche, aber ich werd's in dem Sinn verbessern und nochmal reinstellen.

Ich habe noch nie etwas in der Art geschrieben, daher wusste ich auch nicht, wie man das am besten anfängt, also habe ich meine Lösung einfach mal zur Diskussion gestellt, das ist die beste Methode, etwas dazuzulernen. Wenn man das Glück hat, dass jemand wie du vorbeikommt. ;-)

LG endlich
 
D

Denschie

Gast
hallo endlich,
obwohl mir die form zu anfang gar nicht sonderlich
zusagte und die länge der geschichte mich eher
abschreckte, muss ich jetzt doch sagen, dass sie sehr
unterhaltsam war. sehr gerne gelesen!
lg, denschie
 

endlich

Mitglied
Hallo Denschie,

freut mich, dass es irgendwie doch halbwegs rüberkommt! :)

Aber ich glaube, Anhalli hat schon recht, dass man da von der Form her noch einiges verbessern kann, weil es bei der Länge mit den Abkürzungen und ohne irgendein Drumherum schon trocken ist. Bin bloß noch nicht dazu gekommen.

Viele Grüße und vielen Dank für deine Rückmeldung!

endlich
 



 
Oben Unten