WARUM?

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Taurec

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Das frage ich mich schon seit fast einem Jahr. Ich schaue in den dunklen Nachthimmel. Wolken ziehen vorbei. Es ist kalt. Ich ziehe den dicken Mantel um mich enger. An den Wänden der Ruinen spiegelt sich das Feuer des Horizonts.
Dort, einige Kilometer entfernt, tobt das Grauen des Krieges. Sein Grollen ist bis hier zu hören. Als ich näherkommende Motoren höre, ziehe ich ein letztes Mal an der Zigarette, nehme meine Waffen auf, und gebe meinen Kameraden bescheid. Keiner spricht ein Wort - es gibt nichts zu reden.
Eine Kolonne von Lastwagen kommt in Sicht. Sie halten, ein kurzes Kommando ertönt, und wir steigen in einen der Laster ein. Mit einem Ruck fahren die Laster an. Es geht in Richtung Front.
Während der Kampflärm immer lauter wird, denke ich an früher. Ich sehe Bilder aus einer glücklicheren Zeit. Ich sehe eine hübsche Frau, und zwei Kinder vor einem Haus im Grünen. Ich erinnere mich an meinen Zivilberuf, ich war Lehrer. Damals brachte ich Kindern Lesen und Schreiben bei, manchen Kids musste ich auch Benimm beibringen. Ich lächele, als ich an den frechen Klaus denke.

Das Leben war schön. Niemand dachte jemals an Krieg. Bis an den einen Tag, an dem der Überraschungsschlag begann. Ohne Erklärung, ohne Vorwarnung griffen sie uns an. Als ich es in den Nachrichten sah, was an den Ostgrenzen geschah, wollte ich es nicht glauben. Ich dachte an einen Spielfilm. Bis die Einberufung kam. Ab dem Tag war ich kein Lehrer mehr, sondern Schüler. Man brachte mir bei, zu töten. Natürlich hatte ich, wie viele andere auch, damals als junger Erwachsener auch meinen Wehrdienst abgeleistet. Aber was war nach 25 Jahren schon noch davon übrig? Die Ausbildung wurde sehr schnell durchgezogen, dann wurden wir an die Front verlegt. Die ersten Gefechte überlebte ich nur mit viel Glück. Anfangs von den Berufsoldaten, welche den Kern der Einheit bildeten, noch abfällig "Anfänger" und "Möchtegernsoldat" genannt, erwarb ich mir schnell Anerkennung, als sie merkten, wie schnell ich das Überleben lernte.
Ich legte keinen Wert darauf. Ich verachtete mein Tun, hatte aber keine Wahl, wenn ich überleben wollte.


Ein Donnerschlag schreckt mich auf. "Deckuuuung!"
Der Lastwagen vor uns brennt lichterloh. Die Schreie der Soldaten in ihm sind markerschütternd. Ich hechte aus dem Laster, und werfe mich in den Graben hinter der Leitplanke. Hinter einem Wegweiser finde ich erst mal Deckung. Falkenberg 10 Km steht drauf. Die meisten Soldaten entkommen wie ich in die Deckung. Nur aus dem brennenden Lastwagen ertönen immer noch schreckliche Schreie. Wieder ein pfeifendes Geräusch, eine nahe Explosion. Die Druckwelle wirbelt den brennenden LKW hinfort. Die Schreie hören auf. Über uns in der Luft erscheinen zahlosse Lichtpunkte. Ich weiß, dass es keine Sterne sind. Dort bekämpfen sich Düsenjäger beider Seiten.
Es wird still. Nur das Prasseln einiger Flammen ist zu hören.
"Sammeln!"
Aus den Gräben kommen sie geklettert, nehmen Haltung an.
"Wo ist Ihre Waffe, Rekrut Meier?"
Ein gemurmelter Fluch, ein Rascheln und Geklapper von Plastik und Metall. Fast alle in diesem Zug sind Frischlinge, gerade mal ein paar Wochen eingezogen.
Obwohl mittlerweile auch amerikanische und europäische Truppen kämpfen, brauchen wir alles, was wir haben. Fluchend erinnere ich mich an die Tragödie von Berlin...

Durch die Überraschung begünstigt, erreichten die chinesischen Truppen sehr schnell Berlin, und kesselten dort fast 50.000 Mann der Bundeswehr ein. Sie kämpften tapfer, und konnten die Stadt eine ganze Woche lang gegen eine zehnfache Übermacht halten. Der Widerstand endete erst, als sich die Chinesen entschlossen, eine taktische Kernwaffe zum Einsatz zu bringen. Sie wollten sich nicht länger aufhalten lassen.
Dieses grausame Vorgehen sollte uns zur Kapitulation zwingen, doch sie erreichten damit genau das Gegenteil. Obwohl der Feind immer noch zahlenmäßig 1:20 überlegen war, konnten wir ihn stoppen. Warum konnte es soweit kommen? Als die Chinesen anfingen, den asiatischen Raum zu erobern, hofften die Russen und die EU darauf, dass die Chinesen innehalten würden. Natürlich war dies nicht der Fall. Zuerst wurde Russland angegriffen, dann wurden blitzschnell die Länder des ehemaligen Ostblocks unterworfen. Russland selber kämpfte noch, wie im 2. Wk von den USA unterstützt. Doch die Millionenheere Chinas ließen sich nicht stoppen. Der Schlag gegen die EU kam also nicht wirklich überraschend, die eigentliche Überraschung war die tatsächliche Übermacht. Polen fiel innerhalb weniger Tage - so schnell waren nicht mal wir Deutschen im 2. WK gewesen. Erst jetzt, in diesen Tagen, war es gelungen, die Chinesen zum Stehen zu bringen...

"Auf die übrigen Lastwagen verteilen!"
Wir fahren weiter Richtung Front. Die Frischlinge sind still, und man sieht, dass sie Angst haben. Die alten Hasen unterhalten sich, und man sieht nicht, dass sie Angst haben. Das ist der Unterschied - Angst hat jeder, auch ich. Man musste schon sehr dumm sein, um keine Angst zu haben. Der Lärm ist jetzt sehr laut. Ich wende mich einem der Frischlinge zu. "Was Du hier hörst, ist nicht gefährlich. Das ist unsere Artillerie."
Die Laster hielten an.
"Absitzen!"
Wir stellen uns auf. Ein kommandierender Offizier erscheint, und wechselt ein paar Worte mit unserem Feldwebel. Ich kann nicht viel hören, durch den Lärm.
Nur einige Worte. "... hohe Verluste... Aufstockung Gruppe B... Aufmarschgebiete... Befestigungen..."
Kommandos ertönen. Wir werden aufgeteilt. Ich und dreißig andere Soldaten werden der Gruppe B zugeteilt. Wir setzen uns in Marsch. Auf der Straße kommen uns einige Lastwagen entgegen. Sie transportieren Verwundete. Ich sehe Ruinen und noch einige intakte Häuser. Ein Ortsschild. Doberlug-Kirchhain steht drauf. Ein Plakat steht daneben, und lädt zu einem Dorffest ein. Sehr witzig. Wir kommen also genau richtig zur Party. Einige der alten Hasen machen auch entsprechende Witze, ich verkneife mir das. Wir marschieren durch das Dorf, unsere Schritte hallen von den Wänden wieder. Die Befestigungen liegen vor dem Dorf. Außer unseren Schritten hören wir ferne MG-Salven. Leuchtkugeln steigen auf. Manchmal hören wir Projektile über uns hinweg fliegen. Ab und zu steigen aus beiden Richtungen Raketen auf. Sie ziehen Schleifen am Himmel, wenn sie Flugzeuge verfolgen. Als wir die Befestigungen erreichen, pfeife ich Anerkennend.
Solide Betonbunker, ausgeklügelte Schießstellungen, MG-Nester, sogar Platz für Raketenlafetten.
"Na endlich kommt ihr mal an. Der nächste Angriff wird nicht lange auf sich warten lassen. Wir dachten schon, wir bekämen keine Verstärkung mehr." Ein Offizier leuchtet uns in die Gesichter. "Um Gottes Willen! Das sind ja fast noch Kinder! Wir brauchen Soldaten... Na, dann wollen wir mal sehen, wie wir euch unterbringen, hilft ja doch nichts."
Ich verziehe das Gesicht, der Offizier macht ja einen ziemlich desillusionierten Eindruck. Ich kanns ihm nicht verübeln. Aber ein bisschen Motivation könnte nicht schaden. Als ich ihn darauf anspreche, lacht er nur. "Für die Motivation werden die Chinesen schon sorgen..."
Wir werden auf die Stellungen verteilt. Ich komme zusammen mit vier anderen Frischlingen in eine Stellung. Die Anlage deutet daraufhin, das man nicht ganz so überrascht war, wie es aussah. So was baut man nicht in ein paar Tagen. Den Bau hiervon mussten die Ingenieure schon begonnen haben, als ich noch in Polen vor Warschau kämpfte.
Noch ist es ruhig, außer gelegentlichen Artillerieschlägen kommt nichts. Obwohl die Einschläge recht weit weg sind, zucken die Frischlinge bei jeder Explosion zusammen. Ich nutze die Zeit, sie zu beruhigen, und ihnen noch mal lebenswichtige Verhaltensregeln beizubringen. Unsere Stellung liegt auf einem Hügelzug vor einem Fluss. Das gibt uns einen wichtigen Vorteil. Die Chinesen müssen erst über den Fluss, und anschließend eine starke Steigung überwinden. Von Minenfeldern, Stacheldraht und ähnlichen Scherzen ganz zu schweigen. Ich mache mir jedoch keine Hoffnungen, zu oft schon haben die Chinesen ähnliche Hindernisse überwunden.
Gegen sieben Uhr Morgens geht es dann los. Zuerst Artilleriebeschuss mit Raketen und Granaten. Das feindliche Feuer konzentriert sich zunächst auf den Hang vor den Befestigungen. Die übliche Taktik - zuerst mal die Minenfelder umgraben. Der Lärm der Explosionen ist stark, doch wir haben Ohrenschützer. Die Explosionen erhellen durch die Schießscharten den Bunker, der Boden und die Wände erbeben. Drei der Frischlinge sind wie erstarrt vor Angst, der vierte krümmt sich in Erbrochenem. Ich robbe zu ihm - er hat seine Ohrenschützer vergessen, und der Lärm macht ihn fertig. Ich ziehe sie ihm auf, und er wird ruhiger. Über das Kom-System der Ohrenschützer versuche ich sie auf das vorzubereiten, was unweigerlich folgen wird. Der direkte
Artilleriebeschuss, und den folgenden Sturmangriff. Als eine kurze Feuerpause eintritt, weiß ich was gleich geschehen wird. Ich schaue kurz durch eine Scharte, und sehe zu meiner Genugtuung Explosionen im Feindesland. Unsere eigene Artillerie hat die feindlichen Stellungen ausgemacht, und bombardiert sie.
Wieder einmal fühle ich tiefe Dankbarkeit gegenüber unseren Fernspähern und Ari-Kameraden. Seit die Überwachungssatelliten nicht mehr funktionieren, spielt die Aufklärung eine große Rolle. Scheiß Sonnenaktivitäten. Man könnte meinen, alles hat sich gegen uns verschworen.
Obwohl aus dem direkten Beschuss nun nichts geworden ist, riskieren die Chinesen trotzdem einen Sturmangriff. Amphibienpanzer und Fahrzeuge setzen in Massen über. Ich mache mich kampfbereit, und sehe, dass auch die Frischlinge sich bereit machen. Als sie das feindliche Heer zum ersten Mal sehen, glänzen Schweißperlen auf ihrer Stirn. Sie werden leichenblass, doch ich erkenne auch ihre Entschlossenheit. Ich sage nur ganz ruhig:
"Kommt Jungs. Kämpfen wir."
Und wir beginnen zu kämpfen. Ich kenne das. Alles, was jetzt geschieht, geschieht in einem Rausch. Wir kämpfen mechanisch, ohne Gefühl, vergessen Angst und Schmerzen, empfinden auch keinen Hass. Nur eine eiskalte Ruhe und Entschlossenheit beherrscht uns. Die MGs rattern, Panzerabwehrraketen fauchen zu dutzenden aus ihren Rohren, Gewehre feuern. Den Chinesischen Sturmtruppen fegt ein Feuersturm entgegen, er enthält all unseren Abwehrwillen. Ihre Reihen lichten sich, doch für jedes Opfer rücken zehn neue nach. Sie schieben sich heran, nehmen keine Rücksicht auf Verluste. Wer fliehen will, wird von den eigenen Leuten erschossen, sie haben keine Wahl. Ich kann sie nicht hassen, sie sind genauso Werkzeug einer menschenfeindlichen Organisation, wie wir. Wir alle dienen nur noch dem Krieg. Das MG unserer Stellung wird heiß.
"Rohr wechseln, sonst haben wir gleich Ladehemmung."
Mein Kamerad kümmert sich darum. Es dauert knapp vier Sekunden, dann ist die Waffe wieder bereit und fängt wieder an zu rattern. Maschine des Todes. Da sehe ich das Unheil kommen!
"Achtung, Bomber!"
Wir werfen uns in Deckung. Sprengbomben lassen den Bunker erzittern. Splitter fliegen durch die Scharten, einer der Frischlinge wird verletzt. Ich denke daran, wie viel Glück wir haben, dass die keine Bunker-Buster-Bomben verwendet haben. Doch auch so ist das Unheil schon groß genug. An unserem Frontabschnitt rücken die Chinesen besonders stark vor. Ich frage mich, wieso die anderen Stellungen nicht mehr feuern. Unser MG jedenfalls nimmt den Dienst wieder auf. Nach und nach fallen auch die anderen wieder ein, nur das MG rechts von uns bleibt still. Die muss es voll erwischt haben. Ich befürchte, dass die Chinesen dort durchbrechen können und gebe über das Kom-System meine Befürchtungen weiter. Auf der anderen Seite des Flusses rollen noch mehr Panzer und Amphibienfahrzeuge an.
"Passt auf, Jungs, und haltet die Köpfe in Deckung. Die werden uns gleich einheizen."
Wieder fauchen Panzerabwehrraketen los. Ganze Schwärme ziehen Rauch über den Fluss. Doch die Chinesen feuern Abwehrraketen ab, während ihre Panzer unsere Stellungen aufs Korn nehmen. Plötzlich setzen ihre Panzer zurück und ziehen schnell ab. Nur wenig Später wühlen Explosionen die Stellen auf, von denen aus sie gefeuert haben. Sie haben die Artillerie bewusst auf sich gezogen, damit sie die Infanterie nicht am Stürmen hindern kann. Doch auch so ist ihrer Infanterie heute kein Glück beschert - ihre Verluste sind zu groß, der Angriff bricht zusammen. Ich sehe sie hinter dem MG fallen, zu dutzenden. Eine Massenflucht setzt ein, und diesmal ist hinter ihnen niemand mehr, der sie an der Flucht hindern könnte. Wieder einmal hat die Linie gehalten. Erleichterung überkommt mich, und da passiert das Unglück. Das MG hat Ladehemmung. Einer der chinesischen Soldaten dreht sich um.

Wie in Zeitlupe sehe ich, wie er sein Gewehr hebt, er ist in einer optimalen Position, an der einzigen Schwachstelle der Befestigung. Er wäre kein Problem, wenn das MG funktionieren würde. In Zeitlupe drückt er ab.


Ich sehe sein Gesicht. Kein Hass, keine Boshaftigkeit ist dort zu lesen - nur die pure Verzweiflung eines in die Enge getriebenen Tieres.

In Zeitlupe fliegt die Kugel auf mich zu.

Ob er Kinder hat?

Ich will mich hinwerfen, doch ich bin gelähmt.

Was macht er hier? Was mache ich hier?

Ein leises Pfeifen kündigt die Kugel an.

Ich sollte zu Hause bei MEINEN Kindern und MEINER Frau sein.

Ich sehe, wie der chinesische Soldat fällt, Blut spritzt aus einer Wunde.


Zu spät - Ich kann die Kugel sehen. Niemand mehr kann sie zurücknehmen.

Mein letzter Gedanke: WARUM?

In einer größeren Stadt steht ein Haus im Grünen. Kinder spielen im Garten, die Front weit weg. Die Frau ist im Haus. Nachrichten sind zu hören.
"... Wurde vor zwei Tagen an der Doberlug-Befestigung ein vierter Großangriff der Chinesischen Armee abgewehrt. Sprecher der Armee..."
Die Frau geht zum Briefkasten. Zwei Briefe sind drin. Eine Rechnung, und ein Brief von der Armee.
Im Haus öffnet sie den Brief der Armee.
"...und bedauern sehr, Ihnen mitteilen zu müssen, dass Ihr Mann bei der heldenhaften Verteidigung Doberlugs gefallen ist..."
Sie sinkt in einen Sessel. Als die Kinder reinkommen und sie fragen, wann endlich Papi wiederkommt, weint sie nur... WARUM?

In einem Dorf in China lebt eine Frau mit einem Kind. Sie weiß noch nicht, dass ihr Mann nicht wiederkommen wird. Verluste werden verschwiegen. Doch eines Tages, egal wie der Krieg ausgeht, wird sie es erfahren. Und auch sie wird fragen: WARUM?

Nicht mal Gott kennt die Antwort, falls es ihn gibt.
 

ViktorS

Mitglied
Den Plot der Geschichte fand ich gut und das Ende hat mir sehr gut gefallen.
Allerdings wirkte die Geschichte auf mich, ich weiß nicht wie ich es anders sagen soll, irgendwie zu steril. Irgendetwas fehlt, leider kann ich nicht genau definieren was. Das ist aber nur meine Meinung.
 

Taurec

Mitglied
Du meinst, wie ein Gericht, dass zwar gut schmeckt, und trotzdem ne Kleinigkeit fehlt? ^^

Keine Ahnung, was das sein könnte, ich hoffe nicht, dass ich zuwenig Details bringe. Ich habe bewusst auf zu blutige Schilderungen verzichtet, weil ich mehr auf die Gefühle hinauswollte.
 

ViktorS

Mitglied
Das mit dem Gericht ist ein guter Vergleich. Ja ich glaube es liegt an den Details, wobei ich das Blut gar nicht vermisse. Es fehlen ein paar gut dosierte Beschreibungen, wie eine Prise Salz in der Suppe. Die Betrachtung auf der Gefühlsebene finde ich sehr interessant, da viele lieber Blut spritzen lassen.
 

Taurec

Mitglied
Wenn ich wieder etwas mehr Zeit und Muße habe, schau ich mal...
Hab schon so ne Ahnung, was Du meinst. Ich muss nur aufpassen, dass ich nicht vom Wesentlichen abkomme.
 

FrankK

Mitglied
Hallo Taurec, Hallo ViktorS

Die Geschichte berührt, sie ist Gefühlslastig, keine unnötige Action.
Irgendwas fehlt?
Vielleicht besser, irgendwas stört unterbewusst den Gesamteindruck.
Steril? Würde ich nicht sagen, eher an den entscheidenen Stellen insgesamt zu sachlich.

:) Wie ein Zigeunerschnitzel mit zu wenig Soße. :)

Fast alle Gefechtsszenen wirken wie eine sachliche Aufzählung von Fakten.
An den meisten Stellen gut unterbrochen von Gefühlsregungen der Beteiligten.

Erst nach etwa dem fünften Lesen bemerkte ich eine Art Bruch in der Spannung.
Mittendrin, kurz vorm Höhepunkt, flacht die erzählerische Stärke enorm ab.

Wir alle dienen nur noch dem Krieg. Das MG unserer Stellung wird heiß.
"Rohr wechseln, sonst haben wir gleich Ladehemmung."
Hier bringst du das Unheil bereits zu früh dem Leser nahe.
Es passt auch nicht in die Kampfsituation.
Ein kurzer, knapper Befehl: "Rohr wechseln!"
Das Ausrufezeichen nicht vergessen!

Später noch einmal:
"Passt auf, Jungs, und haltet die Köpfe in Deckung. Die werden uns gleich einheizen."
Vielleicht besser:
"Passt auf, Jungs, die werden uns gleich einheitzen! Deckung!"
Ist kürzer, knapper, "würziger" !

Danach folgen nur noch statische Informationen, wir nähern uns dem Tiefpunkt:

Eine Massenflucht setzt ein, und diesmal ist hinter ihnen niemand mehr, der sie an der Flucht hindern könnte.
Das ist noch in Ordnung, unterschwellig wird noch ein Gefühl vermittelt.

Ich kommentiere jetzt mal Satz für Satz, wie sich meine Gefühle abbauen:
Wieder einmal hat die Linie gehalten.
Klar, habe ich auch so erkannt. (In dieser Form eine überflüssige, zu sachlich gehaltene Information.)
Spannungsabbau!

Erleichterung überkommt mich, und da passiert das Unglück.
Klar, war ja zu erwarten. (In genau dieser Form bestimmt schon 1000mal an anderer Stelle gelesen, ermüdende Platitüde, zumal das Ausrufezeichen fehlt.)
Spannungsabbau!

Das MG hat Ladehemmung.
"Das MG hat Ladehemmung - Punkt"
Entschuldige, aber - Gähn! Nicht mal ein klitzekleines Ausrufezeichen unterstreicht die dramatische Wendung! (Keine Dramatik, nichts, was die Gefühlswelt noch einmal anfeuert, einfach nur zu sachlich. Denk an Ausrufezeichen!)
Massiver Spannungseinbruch!

Einer der chinesischen Soldaten dreht sich um.
Und, was solls noch? (Beim ersten lesen hatte ich an dieser Stelle fast eine Pointe erwartet, ein freundliches Winken und ein nettes Danke, vielleicht auf plattdeutsch.)
Gerade noch Spannungsneutral.

Erst danach baut sich wieder ein Gefühlsbogen auf, der irgendwo davor versucht anzusetzen.

Um bei eurem Bild mit dem Gericht zu bleiben:
Mit nur vier kleinen Sätzen ist es gelungen, aus dem 5-Gänge-Menü einen Einheitsbrei zu fabrizieren.

Kurzgeschichten leiden unter dem Problem, das man sie Satz für Satz analysieren kann.
In den oben genannten Passagen muß es dir gelingen, den Gefühlsbogen zu erhalten oder besser sogar noch zu verstärken!


Ach ja...technisches Problem:
Der Hauptprotagonist sitzt mit seinen Jungs in einem Bunker. Vermutlich abgedunkelt.
Es gibt nur kleine Beobachtungsscharten und eine größere Schießscharte für das MG.
Der Feind steht draußen, vermutlich wesentlich helleres Licht, zumindest Lichtblitze durch Granatenexplosionen.

Man kann nicht vom Hellen ins Dunkle schauen, und schon gar nicht geziehlt schießen.
Ich will dich nicht frustrieren, dieser Umstand ist winzig und für die tragende Botschaft völlig unerheblich.

PS.:
Vielleicht solltest du den letzten Satz in deiner Geschichte noch einmal überdenken.
Diese 'Gottesermahnung' wirkt zu abgedroschen. Vorschlag:
Lass den Satz weg und stell das davorliegende 'Warum' in eine eigene Zeile.


Mit freundlichen Grüßen

FrankK
 



 
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