Wahre Begebenheiten

Phaidros

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Über den Kauf eines Kupplungshebels

Kennen Sie das Gefühl, in einen Laden zu gehen, das zu bekommen, was sie wollen; sie bezahlen und verlassen das Geschäft - mit der erstrebten Ware? Nein, kennen sie nicht? Nun, dann wird es ihnen wohl so ergangen sein, wie mir, eines schönen Sommertages, als ich beschloß, endlich einmal einen neuen Kupplungshebel an meinem Motorrad einzubauen, der hierfür, sie ahnen es, zunächst käuflich erworben werden sollte. Doch sehen sie, die Tücken stecken dabei viel tiefer als im eigentlichen Akt des Tausches: Ware gegen Geld! Sie liegen viel mehr im Literarischem.

Der gute Mann hinter dem Tresen, ein freundlicher und zuvorkommender Verkäufer, war nicht Willens mir einfach ohne Weiteres den Kupplungshebel auszuhändigen. Nicht, das er besonders mißtrauisch war und erst das Geld haben wollte, nein, es mußte ein Kaufvertrag geschrieben werden. Dazu setzte sich der brave Mann auch sogleich an eine Schreibmaschine. Unter dem prüfenden Blick seiner, wohl erfahrenen, Sekretärin, wurde er verlegen und kaute nervös auf einem nicht vorhandenen Bleistift. Um sich genug Zeit zu verschaffen, tippte er gelegentlich auf eine der vielen Tasten, nach und nach den einen oder auch anderen Buchstaben zu Papier bringend.

Ein tödliches System. Wollte er mir letzten Endes, eiskalt berechnend, gar nichts verkaufen? Der Schock dieses erschreckenden Gedanken saß tief, und ich wußte nun wirklich nicht, ob ich einen Herzinfarkt bekommen sollte, damit ich nicht eines viel qualvolleren Todes - dem Hungertod - erliegen mußte, oder, ob ich mir bei der Sekretärin, die immer noch unbeteiligt daneben saß und zuguckte, einfach ein Brötchen bestellen sollte. Ein Blick in ihre Richtung ließ mich, nun schon zum zweiten Mal, erschauern und zur ersten Lösung meines Problems greifen. Ich entschied mich für einen vollendeten Herzinfarkt, japste dreimal, und gerade als ich so richtig schön in Fahrt kam, strahlte mich der Verkäufer an, hauchte ein „Fertig!" in meine abgestorbenen Ohren und legte mir, sichtlich zufrieden, seinen Zweizeiler vor.

Ich bin entzückt von dem hübschen Versmaß, der raffinierten Wortwahl und der einem Geniestreich gleichkommenden prosaischen Gestaltung des Gedichtes. Ein Bestseller, denke ich, denn wenn jemand soviel Zeit und Muße investiert, mußte es einfach etwas Weltbewegendes sein. Ich nahm das Werk an mich, zahlte widerspruchslos für dieses Bravourstück und bekam, was war es für eine Freude, meinen Kupplungshebel noch gratis dazu. Tränen schossen mir gegen meinen ausdrücklichen Willen in die Augen.

Literarisch verdanke ich diesem Mann soviel, das ich an dieser Stelle meine Schuld begleiche und dem Recht der Veröffentlichung Genugtuung verschaffe.

[...
Kaufvertrag

Kupplungshebel (einer) 30,00 DM
inkl. Mehrwertsteuer (14%) 3,68 DM

Unbekannt, 3. September 1991
...]


ff, 4. September 1991
 



 
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