Wanderungen

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Walther

Mitglied
Wanderungen


Ich ging auf Hügeln, Bergen, Flächen,
Entlang von Flüssen, Seen, Bächen.
Ich war stets unterwegs zu mir.
Erst war ich da. Dann war ich hier.

Die Wege, steinig, manchmal steil,
Ich überstand sie, müde, heil,
Und lernte viel über das Leben.
Ich saß im Wald und unter Reben,

Auf leerem Platz, in Licht und Schatten,
Ich traf die Katzen, Marder, Ratten,
Die Igel und den kleinen Hund:
Die Wahrheit tat sich mir nie kund,

Und mich, ich hab mich nie getroffen.
Ich wandre weiter, weil das Hoffen,
Zu mir zu kommen, niemals geht.
Ich habe oft danach gefleht,

Doch heute wächst in mir die Angst:
Wenn du erreichst, was du verlangst,
Dann ist’s dein letzter Augenblick.
Und dieser Blick geht nur zurück.
 

ThomasStefan

Mitglied
Hallo Walther!
Lyrik ist nicht mein Feld, von daher mein Urteil das eines totalen Laien. Aber dennoch will ich nicht hinterm Berg halten: Ich bin schwer beeindruckt, begeistert. Werde mich mehr mit deinen alten Sachen befassen.
Vielen Dank für dieses Kunststück!
Thomas
 
Lieber Walther,

dein Text macht mich sprachlos. Diese Suche nach sich selbst auf dem holprigen Lebensweg - du hast sie wundervoll beschrieben.

Die letzte Strophe ist bezeichnend. Wenn wir weise genug geworden sind, uns selbst erkannt und gefunden haben, dann ist der Weg zu Ende. So kommt jedenfalls dein Gedicht bei mir an.

Herzliche Grüße,
Karin
 

Vera-Lena

Mitglied
Lieber Walther,

inhaltlich kann ich Dir nicht zustimmen. Es wäre auch zu traurig, wenn die Suche nach dem Selbst, wie es schon die alten Griechen forderten:"Erkenne dich selbst" erst im letzten Augenblick des Lebens möglich wäre.

Du kennst ja meine Signatur: "Der Mensch ist sich selbst das größte Geheimnis..."ja, ganz gewiss ist das so, aber er durchläuft viele Abschnitte im Laufe seines Lebens und kommt auch seinem Selbst, sei es in der Ekstase, sei es im Leid, ständig etwas näher. Wenn er auf seine letzten vergangenen 20 Jahre zurückblickt, wird er sehen, dass er sich verändert, sich weiterentwickelt hat und die Hoffnung aufrecht erhalten, dass er in dieser Sache noch ein wenig mehr von der Ernte einfahren wird. Wozu gäbe es sonst alte wirklich weise Menschen, die von den jungen, suchenden ja auch gebraucht werden, wenn die Weisheit, bei dem einen mehr, bei dem anderen weniger, erst in den letzten Augenblicken auftauchen würde?

Vielleicht deute ich die letzte Strophe aber auch zu überspitzt, das kann ja sein.

Ansonsten gefällt es mir gut, wie Du diesen Weg des Suchenden beschreibst.

Liebe Grüße
Vera-Lena
 

HerbertH

Mitglied
Lieber Walther,

ich schon wieder :)

Die Wahrheit tat sich mir nie kund,
Inhaltlich wahrscheinlich genau das Passende. Sprachlich fällt - für mich als Nichtschwaben - diese Zeile etwas ab gegen die wunderschönen anderen.

Die Wahrheit war ein seltner Fund,
passt wahrscheinlich inhaltlich nicht ganz. Aber vielleicht verleitet Dich dieser Vorschlag, über diese Zeile noch mal nachzudenken.

Es ist übrigens auch eine etwas mehr in die optimistische Richtung gehende Deutung möglich:

Wenn ich mich irgendwann erkenne, bin ich auf jeden Fall nicht mehr derselbe, werde neu und lasse meine alte Identität hinter mir. So gesehen ist das auch Grund für die Hoffnung und muss auch nicht erst dann geschehen, wenn wir alt und grau sind.

Die gefällt mir eigentlich ganz gut :)

Das Ich als dynamische Veränderliche: Das ist bestimmt schon mal thematisiert worden.

Danke für das wirklich anregende Gedicht.

lG

Herbert
 

Walther

Mitglied
Lb. Thomas,

für Deinen Eintrag ganz herzlichen Dank. Da muß man aufpassen, daß man als Autor nicht abhebt. :) Zum Glück erdet einen die Lupe immer schnell wieder, und das ist gut so.

Viel Spaß beim Lesen meiner Lyrikversuche. Für Feedback bin ich immer dankbar, Lob darf es auch manchmal sein. ;)

Frohes Dichten und Werken.

LG W.

Lb. Estrella,

auch Dir lieben Dank für Lob und Wertung!

LG W.

Lb. Vera-Lena,

LyrIch und Dichter sind durchaus nicht immer identisch, das voraus. Aber in der Tat ist wohl so, daß den Menschen, zumindest zeigen mir das viele Gespräche über diesen Themenkreis, dieses Gefühl des sich Suchens und nie Findens haben.

Ich habe das am Ende überspitzt, indem ich auf die Gefahr hinwies, daß am Ende das sich Finden genau dieses Ende bedeutet könnte. Das Leben als Suchen und Finden ist ein bekanntes Bild, das ich hier in einer besonderen Weise versucht habe aufzugreifen. Mir ging es nicht um eine letzte Aussage zum Thema, einzig das Gefühl des Inviduums, das dieses doch immer wieder überfällt, wollte ich in Worte kleiden.

Danke für Deine tiefsinningen Überlegungen dazu.

LG W.

Lieber Herbert,

in der Tat erfindet sich der Mensch nach Brücher in der Biographie manchmal überraschend neu. Nicht selten ändert sich Richtung und Schwerpunkt seiner Reise.

Letztlich ist mein Gedicht eines, das anregen soll zum Nachdenken, zum Sinnieren, wie das im Süden so treffend formuliert wird. Es ist schön, daß dieses Konzept bei Dir auf fruchtbaren Boden gefallen ist.

Nun zu dem von Dir hervorgehobenen Vers. Die Formulierung "kund tun" - als Synonym der Verbs verkünden - ist eher eine weniger gebräuchliche. So "tat" der Stadtschreiber oder Herold "kund und zu wissen", wenn er eine öffentkliche Verkündigung auf dem Marktplatz oder bei Hofe zu machen hatte. Das ist nicht mehr "modern". Aber, wenn Du die Diktion des Gedichts einmal Revue passieren läßt, dann sind Ton und Wortwahl durchaus stimmig und eben nicht reimgeschuldet.

Ich werde dennoch Deinen Hinweis aufgreifen für spätere Versionen, die dieses wie alle unsere Gedichte sicherlich einmal erhalten wird.

LG W.

Lb. Marie-Luise,

Du hast in der Tat die kleine Unreinheit im Metrum aufgespießt, das ist richtig und korrekt. Ich habe sie in diesem Falle aus inhaltlichen Gründen stehen lassen, eben weil auch Dein Vorschlag den Inhalt, wie ich wollte, eben nicht komplett trifft.

Daher lebe ich an dieser Stelle mit Deiner berechtigten Kritik und danke Dir für Deinen Hinweis.

LG W.
 



 
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