Warmer Schnee

Svalin

Mitglied
Hallo Tallit

leider müssen wir alle damit leben, daß manche unserer Texte ohne Resonanz bleiben. Offenbar geht dir das sehr zu Herzen ;-) Sei nicht traurig. Vielleicht klappt es beim nächsten, wie es bei deinen vorangegangen ja auch schon war. Und wo ich schonmal hier bin, kann ich ja auch ein paar Worte dazu sagen.
Was ich nicht verstehe ist: der von den Augen fallende Schleier zieht die Erkenntnis nach sich, allein unter einem Baum zu sitzen. Vielleicht ein Indiz für empfundene Einsamkeit? Jedoch ein Traum, der in der 2. Strophe als eisig charakterisiert wird, ist gleichzeitg entschwunden. Das müßte doch als Erleichterung/ Befreiung empfunden werden? Das Ich in dem Text bevorzugt aber, auf die klarsichtige Erkenntnis zu verzichten und legt den Schleier wieder an. Damit kommt das Frösteln und der Traum zurück. Stellen sich mir folgende Fragen: Was ist schlimmer von beiden Zuständen? Und - wußte das Ich nicht, was damit wieder auf es zukommt oder zog es diesen Traumzustand freiwillig der "Wirklichkeit" vor? Wenn ja, warum? Die Antworten, auf diese Fragen finde ich in deinem Text nicht. Das macht ihn für mich schwer erschließbar.
>der Traum war weg wie warmer Schnee< ... für Metaphernfans eine echte Herausforderung ;-) Ein Paradoxon. Wenn du nur sagen wolltest, daß der Traum unwiderbringlich dahingeschmolzen ist, vielleicht eine Spur zu bildhaft. An solchen Metaphern hänge ich nämlich minutenlang und überlege, ob sich eine tiefere Symbolik darin verbirgt. Aber vielleicht geht das auch nur mir so.

Grüße Martin
 

Tallit

Mitglied
Vielen Dank für deine Antwort, ich war schon völlig enttäuscht und dachte, ist in meinem Text denn garnichts drin? Gut, dass du etwas dazu gesagt hast, und gleich so was langes! Toll!
Zu deiner Rezension:
Ja, das Ich war einsam, wenn vielleicht auch nicht offenichtlich. Die Realität wäre normalerweise der schönere Zustand, aber das Ich kennt nur die Tradition, den Traum, verstehst du? Es ist wie in einem Gefängnis, voller Fesseln, aber es hat Angst vor der Freiheit.
 

Svalin

Mitglied
Ja, Tallit, das verstehe ich sehr gut. Unser Gefangensein in gewohnten Ritualen, die uns helfen, mit unseren Ängsten umzugehen ... unsere Scheinwelten. Und die Verzweiflung über die eigene Determination und die Unfähigkeit neue Wege zu beschreiten. Wir Menschen sind so unvollkommen ;-)
Aber es bleibt Dramaturgie - Angst - die sich unvermittelt durch unser Fühlen schleicht. Deinen Text empfinde ich für solche "Verhältnisse" als sehr milde gestimmt. Die Wortwahl wirkt überwiegend warm bis neutral (bis auf frösteln und eisig). Wenn all das, was du eben schriebst, zum Ausdruck hätte kommen sollen, könnte es nach meinem Geschmack ruhig ein wenig "emotionaler" zugehen. Aber vielleicht ist auch diese Distanz zur Welt der Empfindung (ich empfinde hier eine Distanz) wiederum nur ein Indiz dafür, wie gut unsere Mechanismen funktionieren, uns von den zentralen Themen unseres Daseins "fernzuhalten".

Grüße Martin
 

Tallit

Mitglied
Nun - ist es nicht so, das man sich, gewollt oder nicht, ein bisschen von all dem distanziert? Dass man alles mit einem Schleier verdeckt, solange, bis er hinunterfällt und unser wahres Ich aufdeckt?
Vielleicht hätte ich das Gedicht dann aber auch in der 3. Person erzählen sollen, denn ich glaube kaum, dass man mit Worten ausdrücken kann, was man in einer solchen Situation empfindet. Die Befreiung ist eine Schande.
Hast du deinen Schleier schon einmal fallen gelassen?
 

Svalin

Mitglied
Also geht das ganze in Richtung Selbsterkenntnis? Ich bin etwas überfragt, denn ich empfand bisher Situationen, in denen sich das sogenannte 'wahre Ich' zeigte, nicht als Entschleierung ... eher als Traumatisierung. Reden wir denn hier noch über deinen Text oder allgemeine Lebenserfahrungen? In jedem Fall stimme ich dir zu, daß in uns diverse Filtermechanismen existieren, die uns vom unmittelbaren Erleben ein Stück weit wegrücken. Ein Teil davon ist der Bereich der Suggestion/ Phantasie. Hier könnte ich mir vorstellen, daß ein Zusammenbruch dieser Welten eine schmerzhafte Selbsterkenntnis über sich und die Wirklichkeit zur Folge hätte. Falls du diese Schleier meintest, kann ich nicht sagen, daß ich selbst sie fallen ließ ... ich empfand das als entrissen werden. So wie ein plötzliches Erwachen, das über uns kommt und keine Rücksicht auf den Träumenden nimmt. Hm ... ich hoffe, wir reden noch von den selben Dingen ;-)

Grüße Martin
 
A

Armena

Gast
hallo tallit

Hab dein gedicht gelesen.
Ein Traum, der geht und wieder kommt, dann aber eisig ist.
Sind Träume denn kalt??
Träume sind für mich, der warme Mantel gegen die kalte realität.
dewegen tu ich mir ein wenig hart mit deinem gedicht.

lieben gruß armena
 

Tallit

Mitglied
Nein, über einen Text reden wir hier sicher nicht mehr!
Das ist alles nur eine Sache der Interpretation, und, wahrscheinlich, der Lebenserfahrung, da hast du vollkommen recht. Das Gedicht ist eigentlich auch hauptsächlich eine Creation aus meinem (Unter)bewusstsein. Ich habe den Worten nicht von vorneherein einen Sinn gegeben, deshalb wirken sie wohl auch etwas unpassend?
Das Dichten ist für mich nicht eine Sache des Verstandes. Es ist das "Herauslassen" von Gefühlen, die ich versuche mit Worten auszudrücken. Mein Verstand formt die Worte. Glaube ich zumindest, anders kann ich mir das gerade nicht erklären. Wie dichtest du? Planst du ein Gedicht?
Anfangs fand ich, dass das Gedicht gut zu einer Muslimin passte, unterdrückt von Religion und Tradition, doch ich glaube, es geht hauptsächlich über mich.
Es macht wirklich Spass mit dir zu schreiben!
 

Tallit

Mitglied
Danke euch beiden für eure Antwort!

Hallo Armenea:
Ich habe einmal gelesen, Träume seinen nicht kalt - das war ein Irrtum.

Hallo Sanne:
Ja, du hast wirklich recht - nur ein paar Gedanken und doch so wahr!
 

Svalin

Mitglied
Hallo Tallit

für mich liegt der große Reiz von Lyrik darin, sich aus einem vorgezeichneten Rahmen ein eigenes Bild zu malen. Unpassende Worte? - Um es provokant zu sagen: Ich glaube, es gibt nur den unpassenden Leser ;-) Irgendwo auf dieser Welt (wenn man Glück hat, in diesem Forum) gibt es jemanden, der genau in deinen Worten vielleicht sich selbst wiederentdecken kann. Damit wäre alles relativ :)
Auch ich schreibe nicht planend ... meist nur unter dem Eindruck bestimmter Empfindungen. Jedes Gedicht lebt aus einem Augenblick heraus, ist nur ein Abbild von Stimmungen. Wenn man diese wieder herauslesen kann, denke ich, war es ein gutes Gedicht :)

Grüße Martin
 

Tallit

Mitglied
Hallo Sanne!
Ich finde es toll, wie du soviele Beiträge zu veröffentlichen schaffst! Und das dir mein Gedicht gefällt freut mich um so mehr, schließlich kennst du dich aus, oder?

Hallo Svalin!
Ich teile deine Meinung von Lyrik, das sehe ich fast genauso. Nur das Bild in dem vorgegebenen Rahmen verstehe ich nicht so ganz...als wäre das Thema schon fertig.
 

Tallit

Mitglied
Hallo Sanne!

Tut mir leid - ich wollte dir nicht zu nahe treten! Sorry, nimmst du die Entschuldigung an?
Ich habe deinen Namen nämlich schon ziehmlich oft hier gesehen, deshalb dachte ich...
Ach, tut mir leid, ok?
 

Svalin

Mitglied
Ursprünglich veröffentlicht von Tallit
Nur das Bild in dem vorgegebenen Rahmen verstehe ich nicht so ganz...als wäre das Thema schon fertig.
vorgezeichneter Rahmen meinte eher etwas skizzenhaftes, angedeutetes. Oder auch wie ein Malbuch, wo das Kind manchmal mit einer nur ihm eigenen kreativen Selbstbestimmheit sagt:"Nö - ich nehm einfach meine Farben!" :)

Grüße Martin
 

Tallit

Mitglied
Ach so!!! Ja, sowas wie eine Skizze habe ich eigentlich auch fast immer. Fast. Aber es wird sowieso immer anders, so wie sich das Kind ein schönes Bild vorstellt, das es malen will. Und was dabei herauskommt ist etwas völlig neues...
Meinst du das?
 

Svalin

Mitglied
wenn ich mich recht erinnere, meinte ich das ganze eher aus der Sicht des Reszensenten. Er muß, um die vorgezeichneten (schemenhaften) Bilder zu füllen, sehr oft zu eigenen Farben greifen ;-)
Ganz schön lang geworden dein Thread, was? :))

Grüße Martin
 



 
Oben Unten