Warten

3,30 Stern(e) 4 Bewertungen

noel

Mitglied
Jeder Morgen, der Morgen. An der Haltestelle stehend, der Bus nahend, auf die Bordsteinkante zulaufend, einsteigend, blickend nach der Möglichkeit... zu sitzen.
Gleiche, auch selbe Gesichter. Hölderlin neben Axel Springer sitzend, die Sonne malt die gestrigen Linien der fettigen Finger auf der Scheibe nach. Ein Hinterkopf, akkurat liegt das Haar, glatt, gekämmt, fettig. Dufttöne, Tonfetzen mischen sich kunterbunt, stechend, willkürlich, absurd. Blicke treffen, weichen aus, kehren zurück, nicht ruhend, nicht suchend, abtastend banal... andere haften, gezückte Braue, Lippen schmälernd, an dem nicht entsprechenden Objekt.

Das Schnalzen... einziges Anzeichen einer Bewegung im Körper... Zunge gegen Zahnreste, klingt aus, als die Hände die Sitzlehne umgreifend, sich nach oben ziehen. Der Fuß in Richtung Gang gehoben, schlurft schon bei der Vorwärtsbewegung wieder im Bodenkontakt.
Jeder Morgen, der Morgen... im Bus sitzend, Discmänner, nicht auf eigenen Ohren... dröhnende Ahnung von Musik. Bäume, Blumen die unbewegt vorbeiziehen, bewegen gestrige Düfte... kontrastierend gegen das Schweiß-Tabak-Aroma des Sitznachbarn.
Wie erleichternd, dass der nächste Halt der eigene ist, dass der Weg weg führt, wie fast jeden Morgen...
Den Schlüssel schon in der Hand, das Foyer betretend... grüßend die morgendlichen Gesichter... die Treppe nehmend, um den zweiten Schlüssel in die VorRichtung zu schieben. Umlaufmappen, Emails... lesen abzeichnen... weiterleiten. Stunde um Stunde, dabei blickEnd auf die Uhr, digitale nicht tickende Sekunden, doch ebenso zaghaft... zäh zerfließt die Zeit im Einerlei. Nichts bricht auf, gewöhnlich leere Kommunikation... wartend auf das Besondere, das Eigene... fließend Neue. Doch dabei Handlungen der Erinnerung imitierend, die nicht die eigenen sind... gebunden an das Haus... das Foyer, den Raum.
RückSichtlos und ängstlich in einem, huldigt man dem gewöhnlichen Zwang die eigene Persönlichkeit zu verleugnen. Eilig, schnelllebig die Werte... zäh, ausgehöhlt die VerRichtungen.
 

titatom

Mitglied
Anfangs etwas verwirrend, doch reizt eben dieser Stil zum Weiterlesen. Nur an einem Satz beisse ich immer wieder fest. Da geht meiner Meinung nach der Fluss verloren und es liest sich wie ein grammatikalischer Ausrutscher zurück zum schulüblichen Satzbau:

[ 6][blue]"Schon ist man froh, dass.."[/blue]
hätte ich eher durch
[ 6][blue]"Endlich froh, dass.."[/blue]
ersetzt.
Aber das ist wie so oft Ansichtssache.
Gefällt mir gut.

Gruß
Tom
 

noel

Mitglied
Danke Tom! Wollte `Endlich´ verwenden, aber das erzeugt einen Textbruch. Da müsste die ganze Stelle, der Absatz geändert werden. Ist das DA auch OK??? :D
 

titatom

Mitglied
Hi Noel, eigentlich stört mich persönlich eher das "man" in diesem Satzbau. Aber solange es nur mich stört... ;)

Grüße
Tom
 

titatom

Mitglied
Hi Noel,

Nun ist es aber so was von flüssig zu lesen, dass es eine wahre Freude ist ;). Super, Gratulation.

Ich bin nur noch nicht ganz dahinter gekommen, was du mit den eingeschobenen Großbuchstaben aussagen willst. Tust du mir noch den Gefallen?

Gruß
Tom
 

noel

Mitglied
bin ein kleiner Wortfetischist, dass ist auch das, was Herrn Schmidt wohl nicht so gefällt?!
Damit will ich sagen, dass die Wortbedeutungen in den Jahren verschwunden sind, dass die deutsche Sprache nicht nur zu einer Sprache der Techniker, Bürokraten, Anhänger der Anglizismen, oder ähnlichen `Plattheiten´ verkommen ist, sondern, dass wir Worte verwendenk, ohne dessen Wortstamm mit zu berücksichtigen. Das macht aber manche Sprache bunter. Früher habe ich noch den Bindestrich verwendet, aber das schien zu maniriert. Ich werde mir wohl auch die verstreuten Grossbuchstabejn wieder abgewöhnen müssen-können-wollen. Mal sehen. :D
 

titatom

Mitglied
Solange dein Stil auch nur einem gefällt, gibt es wohl keinen Grund, diesen Fetisch ändern zu müssen oder zu wollen. Etwas narzistische Schreibe schadet nie, sonst wird alles zum konformistischen Einheitsbrei.
Gut, aus der Verwendung von Großbuchstaben auf den Wortstamm deuten zu wollen, benötigt etwas Fantasie. Aber der Gedanke an sich ist vollkommen in Ordnung. Bei der Verwendung von Bindestrichen gebe ich dir in jeder Hinsicht Recht. Wörter werden dadurch optisch zu sehr zerrissen ("Ver-suche" in "So nah").
Lass dich nicht von deinem Stil abBringen! :D

Herzliche Grüße
Tom
 



 
Oben Unten