Warten-Kneten-Beten?

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Vera-Lena

Mitglied
Warten-Beten-Fasten

Und wärest du ein Stecknadelkopf gar,
einer von den dickeren roten,
dazu ohne Nadel,
demnach
gänzlich überflüssig,
so gäbe es doch
ein Blickfeld,
im Auge behielte dich
Jemand,
wüsste schon etwas über
deine künftigen Orte,
unverzichtbarer Platz in einem Mosaik
beispielsweise -

aber du weißt nichts darüber,
meinst zu ersticken
an der Ungewissheit.

Die Zeit sucht gerade
nach ihren Pantoffeln,
irgendwann
nimmt sie dich wieder
in Siebenmeilenstiefeln mit.
 
Liebe Vera-Lena,
wieder einmal eines deiner Gedichte über Gott, ohne seinen Namen zu nennen. Es gefällt mir sehr - besonders die letzte Strophe, in der du die Zeit Pantoffeln suchen lässt.
Herzliche Grüße
Karl
 

Vera-Lena

Mitglied
Lieber Karl,

danke für Deinen Kommentar!

"Warten- Beten-Fasten diese Worte waren mir "hängengeblieben" aus dem Siddhartha von Herrmann Hesse. Er diente bei einem Kaufmann und als er gefragt wurde, warum er so erfolgreich sei, antwortete er. "Ich habe nur drei Dinge gelernt:Warten, Beten und Fasten. Sie brachten ihm auf allen irdischen Ebenen den gewünschten Erfolg.

Dann fiel mir aber auch noch Clemens Kuby ein mit seinem Buch:" Unterwegs in die nächste Dimension". (Es wurde auch verfilmt.) In dem Buch beschreibt er, wie er eine Gruppe von cirka 1000 Menschen im Himalaya angetroffen hat. Sie lebten davon, dass zweimal täglich die Büffel aus dem Wald kamen und sich von ihnen melken ließen. Sie verarbeiteten die Milch und tauschten die Produkte mit anderen ebenso kleinen Gruppen, die wieder andere Überlebensmöglichkeiten hatten. Aber eines war allen gemeinsam. Sie hatten nie etwas von Religion gehört. Wenn sie eine Frage hatten, dann wandten sie sich an einen See, einen Berg oder einen Baum und sie erhielten immer eine Antwort. Das hat mir verdeutlicht, dass wirklich jeder Mensch davon überzeugt ist, dass es etwas oder jemanden gibt, der größer ist, als er selbst.

Das vorliegende Gedicht habe ich als Trost an mich selbst geschrieben, denn da gibt es jemanden, der mir nahe steht und momentan überhaupt nicht weiß, wie es weitergehen soll. Ich selbst kann in keinster Weise helfen, denn die Schwierigkeiten dieser Person liegen auch noch darin, dass sie sich völlig zurückzieht und keinerlei Kontakt haben möchte.

Ich kenne natürlich die Vorgeschichte, aber dass es sich einmal derartig zuspitzen könnte, das hätte ich nicht gedacht.

Es ist immer so schlimm, wenn man nicht helfen kann. Und so hatte ich den Impuls, wenigstens mir selbst aber indirekt natürlich auch der erwähnten Person einen Trost zuzusprechen.
Auf diese Weise ist der Text entstanden.

Liebe Grüße
Vera-Lena
 
H

Heidrun D.

Gast
Liebe Vera-Lena,

mir scheint das Gedicht sehr gelungen, insbesondere natürlich das stimmige Bild des Stecknadelkopfes in seiner scheinbar aboluten Bedeutungslosigkeit.

Nicht der Tod löst Angst aus, sondern die Ungewissheit. Das ist sicherlich bei den meisten Menschen der Fall. Und das Warten auf Unnennbares.

Andererseits sprichst du einen möglichen Neuanfang (Reinkarnation) an oder gar den Eingang in Paradiesisches.

Darf ich noch etwas zu deinem Kommentar sagen?
denn die Schwierigkeiten dieser Person liegen auch noch darin, dass sie sich völlig zurückzieht und keinerlei Kontakt haben möchte.
Manchmal verstehe ich nicht, warum es vielen so schwer fällt, den Wunsch nach Alleinsein zu akzeptieren. - Es gibt doch einen fundamentalen Unterschied zwischen erzwungener und selbstgewählter Einsamkeit, der Vorbereitung auf Veränderung jeglicher Art. Oder auch als durchgängige Lebensform.

Einsame müssen durchaus nicht unglücklich sein; denn sie "haften" den Dingen nicht an, wie Buddha sagt.

Du selber ziehst in deinem Gedicht diesen Bogen. - Lass einfach ab.

Herzliche Grüße
Heidrun
 
Liebe Vera-Lena,
danke für die ausführlichen Erläuterungen. Ich schreibe mir übrigens auch häufig mit meinen Gedichten Trost zu. Und es hilft...
In diesem Sinne herzliche lyrische Grüße
Karl
 
Liebe Heidrun, liebe Vera-Lena,
das "Problem des Alleinseins" habe ich unter dem Titel "Lust auf Langeweile" im Forum Lupanum zur Diskussion gestellt. Wenn es euch interessiert ....??!!
Herzliche Grüße
Karl
 

Vera-Lena

Mitglied
Liebe Heidrun,

danke für Deine lieben Worte!

Der Stecknadelkopf ohne Nadel hat mich selbst auch überrascht und ich bemerkte einmal mehr, wie die Seele aus dem Unterbewusstsein etwas zu Tage fördert, wenn sie in Bedrängmis ist.

Ja, gerne möchte ich hoffen, dass dieser Rückzug, von welchem bei meiner Erläuterung zur Entstehung des Textes die Rede ist, positiv zu betrachten sei.

In 90% aller Fälle ist das ganz sicher so, aber es gibt auch die Ausnahmen.

Da ich nun gar nichts weiß, halte ich mich, wie immer daran, mir das Beste vorzustellen und so will ich auch hier glauben, dass der Rückzug einem inneren Heilungsprozess dient.

Hier hilft nur Hoffen und Beten und düstere Spekulationen, zu denen phantasiebegabte Menschen nur allzu schnell neigen, habe ich mir verboten, allerdings habe ich da manchmal Schwierigkeiten mit der Selbstdisziplin.

Der Text hat mir aber auch eine Erleichterung gebracht und so danke ich Dir, liebe Heidrun, und auch Dir, lieber Karl, sehr herzlich.

Mit lieben Grüßen
Vera-Lena
 
Liebe Vera Lena,
ich bin mal wieder sehr beeindruckt von deinem Gedicht, besonders von dem völlig nutzlosen Stecknadelkopf, der doch seinen Platz finden kann.

unverzichtbarer Platz in einem Mosaik
beispielsweise -
Ich bewundere deine Ideen.

Auf jeden Fall schreibst du Gedichte, die mich lange beschäftigen.

Die depressive Person, die du in deinem Kommentar erwähnt hast, erinnert mich an einen guten Bekannten, der sich auch völlig zurückgezogen hatte. So war er mit seinen negativen Gedanken allein. Es ist nicht gut ausgegangen. Er ließ sich nicht helfen.
Liebe Grüße
Marie-Luise
 

Vera-Lena

Mitglied
Liebe Marie-Luise,

die Ideen kommen immer, wie sie wollen. Ich habe immer das Gefühl, dass ich selbst gar nichts damit zu tun habe.

Ja, wenn sich jemand zurückzieht, kann es auch böse enden. Nun handelt es sich hier um eine junge Frau, die ein 5jähriges Kind hat und sie schrieb mir:"Aber ich habe ein Kind, also muss ich machen." Sie ist keine Deutsche, aber ich verstehe sie immer sehr gut. Also ich hoffe doch auch, dass sie die Ruhe braucht und dass ihre Seele schon um des Kindes Willen irgendwie nach Heilung suchen wird.

Danke für Deine lieben Worte!

Herzlich grüßt Dich
Vera-Lena
 

Vera-Lena

Mitglied
Lieber Andreas,

danke für Deinen Kommentar!

Wie schon gesagt, wo die Ideen immer so herkommen, weiß ich auch nicht.

Liebe Grüße
Vera-Lena
 

Venus

Mitglied
Liebe Vera-Lena,

sehr gerne hab ich dieses Werk gelesen und deinen Feinsinn für Rhythmen erspürt.

Wunderbar gelungen empfinde ich diverse Zeilenumbrüche und entsprechende Wörter, welche du geschickt einspinnst in die nächsten Gedanken:

im Auge behielte dich
Jemand,
wüsste schon etwas über...
Ich habe dieses Gedicht mitnichten unter einem christlichen Aspekt (Gott - wie von Karl angemerkt) gelesen. Eher als Hommage empfunden, an soviele, welche ihre eigene Wertigkeit vergessen haben (das Video von Christina Aguilera - Beautiful wollte in meine Gedanken).

Nun habe ich erfahren, dass dieses Gedicht für dich einen besonderen Charakter hat und möchte deshalb nur bedingt auf den Punkt eingehen, welcher mir etwas Kummer bereitet.
Derr vorletzte Absatz ist lyrisch bedingt schwach - erklärt sich jedoch durch deine Erklärung . Dennoch würde ich mir wünschen, dass du hier noch ein bisschen arbeiten mögest; vielleicht irgendwann, wenn der Grund sich auf den Grund gelegt hat.
Der Titel ist mir persönlich zu deutlich. Der Geist des Lesers (meiner in diesem Fall) sucht in der Tat nach der Verbindung zum Text: Warten-Treten-Rasten - ? Warten-Rasten-Treten? Nur so als Gedanke...

Recht herzliche Grüße,
Gabriele
 

Vera-Lena

Mitglied
Warten-Kneten-
Beten?


Und wärest du ein Stecknadelkopf gar,
einer von den dickeren roten,
dazu ohne Nadel,
demnach
gänzlich überflüssig,
so gäbe es doch
ein Blickfeld,
im Auge behielte dich
Jemand,
wüsste schon etwas über
deine künftigen Orte,
unverzichtbarer Platz in einem Mosaik
beispielsweise -

während du
auf deinen Ungewissheiten
herumkaust.

Die Zeit sucht gerade
nach ihren Pantoffeln,
irgendwann
nimmt sie dich wieder
in Siebenmeilenstiefeln mit.
 

Vera-Lena

Mitglied
Liebe Gabriele,

der Zeitpunkt, mir eine Rückmeldung zu geben, war gut von Dir gewählt, denn keine Sekunde eher hätte ich mich so weit vom Text entfernen können, dass ich imstande gewesen wäre, etwas zu ändern.

Auch mir kam der vorletzte Absatz unlyrisch vor, aber ich war froh, dass ich mir überhaupt etwas von der Seele schreiben konnte. Ich habe jetzt nur wenig geändert, doch nun steht der Absatz nicht mehr so unverbunden da. Er ist jetzt besser in die Ganzheit eingefügt und lässt dadurch auch mehr Raum für Hoffnungen.

Der Plural "Ungewissheiten" verdeutlicht auch, wie sich jemand in Verzweiflung geradezu zerfleischen kann.

"Warten- Beten-Fasten" der Hermann Hesse kam mir nun mal in den Sinn. Aber so, wie es jetzt da steht, hat es doch eine innigere Berührung zum Text.

Danke für Deine hilfreichen Anmerkungen!
Ja, möge sich doch bald alles lichten!

Ganz liebe Grüße
Vera-Lena
 

Venus

Mitglied
vielleicht noch ein bisschen,

liebe Vera-Lena, hm?

...
während du
auf deinen Ungewissheiten
herumkaust

sucht die Zeit gerade
nach ihren Pantoffeln,
irgendwann
nimmt sie dich wieder mit
in Siebenmeilenstiefeln.


Ja, das Hirn mag man sich wundkneten, manchmal, wenn's nicht so sein soll, wie's sein will.

Ich danke dir, liebe Vera-Lena, für dein freundliches Feedback!

Erneut herzlich,
Gabriele
 

Vera-Lena

Mitglied
Warten-Kneten-
Beten?


Und wärest du ein Stecknadelkopf gar,
einer von den dickeren roten,
dazu ohne Nadel,
demnach
gänzlich überflüssig,
so gäbe es doch
ein Blickfeld,
im Auge behielte dich
Jemand,
wüsste schon etwas über
deine künftigen Orte,
unverzichtbarer Platz in einem Mosaik
beispielsweise -

während du
auf deinen Ungewissheiten
herumkaust,

sucht die Zeit gerade
nach ihren Pantoffeln,
irgendwann
nimmt sie dich wieder
in Siebenmeilenstiefeln mit.
 

Vera-Lena

Mitglied
Ja danke, liebe Gabriele,

jetzt müste es rund sein. :)

Wieviel habe ich in diesen fast 8 Jahren auf dem grünen Rasen gelernt. Allerdings hat mich das Lesen von Lyrik zwischen Buchdeckeln auch weitergebracht.

Von nichts kommt nichts und ich bin dankbar, dass ich in diesem Leben meiner Liebe zur Sprache frönen konnte. Für mein nächstes Erdeneben erhoffe ich mir einen Genius, der mich in der Komposition von Klängen und Tönen, also in der Musik, inspirieren wird.

Vielleicht begegnen wir Beide uns auch dann, man wird sehen. Das jedenfalls kann ich in Ruhe und Gelassenheit abwarten *lach*

Einen lebensfrohen Tag wünsche ich Dir heute. :)

abermalige Grüße
Vera-Lena
 

Venus

Mitglied
duhu, liebe Vera-Lena,

jetzt täte da oben, bei deinem wunderschönen Gedicht, noch das Wörtchen "mit" fehlen, am Ende.
Weil sonst das ganze ja wiederum einen ganz komplett anderen Sinn ergäbe. Nicht wahr?

Ich wink dir!
Herzlich,
Gabi
 



 
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