Was der Tod ist.

blue

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Du willst wissen was der Tot ist?
Nichts weiß ein Mensch vom Tot,
aber vom Sterben kann ich dir erzählen.
Vom Sterben, dass in der scheinbaren Mitte des Lebens beginnt.
Leise, ganz sanft, behutsam raubt es dir zu erst Alltägliches: Gas oder Bremse, lieber bleibt das Auto stehen
keine Milch mehr im Kaffee, vergessen die Toilette zu spülen,wie schalte ich das Fernsehenprogramm um?
Das Sterben beginnt mit dem Sitzen, Liegen- ohne Müdigkeit.
Begleitet von den Wiederholungen am Vormittag,unterhalten von den Talkshows am Nachmittag,noch vor den 20 Uhr Nachrichten schläfst du.
Das Sterben findet vor dem Fenster statt-
Stunde um Stunde schaust du hinaus, in ein Bild, in dem vielleicht nur ich nichts erkenne.
Es schmerzt mich nicht dich sterben zu sehen, es verwundert mich nur, das du so einfach gehst, einen Schritt mutig, nach dem anderen.
Die Zeit ließ keine Wunden entstehen, nur Unverständnis und manchmal Wut. Ich vermisse dich fast nicht.
Glaubst du das der Schmetterling seine Raupe vermisst?
Du bist du: manchmal wieder das Kind, das mit seinem Essen spielt, manchmal die Dame, die über ihrem Nachthemd ihren Pelzmantel trägt, manchmal das junge Mädchen, das verschmitzt über eine Bemerkung lächelt, ohne Zähne im Mund.
Manchmal das Baby, das in sein Bett nässt, manchmal die Frau, die ihren weichen, faltigen Körper schamhaft mit einem Handtuch umhüllt, machmal...
Das Sterben dreht das Leben:
jetzt bringe ich dich ins Bett, decke dich zu und schaue später nochmal nach dir.
jetzt wasche ich dir deine Haare in der Wanne und passe auf, dass kein Schaum in deine Augen dringt.
jetzt bringe ich dir vom Einkaufen einen neuen Pulli mit.
Du hast das auch für mich getan-
mit der Erwartung des Lebens.
Ich tue es für dich-
 



 
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