Was kein Wort zu sprechen vermag

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DayDreamer

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Was kein Wort zu sprechen vermag

Was hat das Leben denn zu bieten,
und hindert mich am Balkentod?
Ist es das Licht der Abendkälte,
ist es der Tag im Morgenrot?

Ist es die Hand an meinem Körper,
die meine Hand beständig reibt,
an die Traumfrau denkend, sinnentleert,
die es mit den anderen treibt?

Sag, was liegen wir hier dekadent
angesoffen und verwittwert,
was soll ich mich um Huren scheren -
doch egal, um wen ihr rittert!

Ein niemand weiß, was ich zu tragen,
wenn Regen zarte Bande knüpft;
was hat die Liebe denn zu zeigen,
sag mir, was macht mich so verrückt?

Still – auf den Tälern liegt danieder
still – dieser leise Nebelhauch;
und während ich die Worte schweige
schweig, mein Herz – schweige bitte auch...
 

presque_rien

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Hi DayDreamer,

die erste und die letzte Strophen finde ich recht schön, wenn auch für meinen Geschmack ein wenig zu kitschig; die vierte Strophe ist ok; aber die zweite und die dritte?!? Ich vermute, der formale und inhaltliche Bruch ist gewollt; er erzielt bei mir aber nicht irgendeinen Effekt, von dem ich vermuten könnte, dass du diesen beabsichtigst. Meintest du eigentlich wirklich verwit[red]w[/red]ert? Wer reibt genau wen und wer denkt dabei an die Traumfrau und wie kann man an eine Traumfrau in Assoziation mit "treiben" denken? Und was heißt "rittert"? Ich könnte mir eine Bedeutung vorstellen - aber nicht im Zusammenhang mit Huren...

Voller Fragen grüßt
presque
 

Walther

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Hallo Daydreamer,
einige spannende Bilder - wie Presque_Rien zurecht bemerkt hat. Aber: Da hat der Rhythmus doch so seine Probleme und nicht nur, weil sich im Text mehrfach die Perspektive ändert.
Gruß W.
 

Carlo Ihde

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Allzuviel Menschen gewährleisten eben nicht, dass man nicht allein sein muss.
Aber warum die Formulierungen, die teilweise zynisch wirken? Mir geht es ein bisschen viel um Hurerei. Ist bald jedem klar, dass auf diesem Gebiet keine großen Gewinne zu "errittern", zu erobern, sind. Das große Glück wird sich langsamer finden, als die schnelle Ausdrucksform der vorübergehenden Zwischenmenschlichkeit suggeriert.

Dann, zwischendrin, unscheinbar:

Ein niemand weiß, was ich zu tragen,
...
sag mir, was macht mich so verrückt?


Ich glaube dazwischen liegt eine unausgesprochene Antwort. Die Liebe, ja sicher. Ein niemand weiß? Ich denke ein jeder weiß, was liebe ist. Nur individuell erfährt sich die vermeintlich Last ewig neu. Meist dann, wenn das Ich diese Liebe erleidet und aus der eigenen Passivität nicht heraus findet und sie nicht in eine lebensbejahende Seinsweise zu verwandeln vermag. Dann: die Abschottung: schweig mein Herz. FALSCH. Bitte sprich noch lauter mein Herz, nötige mich zu dem einen URSCHREI, nachdem ich mich nicht wirklich besser fühle, aber ehrlich, bereinigt von der eigenen Schwäche. Denn auch fehlender Mut zur äußeren Schwäche (die eigentlich innere Stärke ist) ist Schwäche.

Deshalb: dein Text ist zwar ganz gut. Aber dein Ansatz missfällt mir, weil er Klischees des Leidenden wiederbelebt, die eigentlich in die Mottenkiste gehören.
 



 
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