Weihnachten???

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Botschafter

Mitglied
Weihnachten! Wie ich es hasse! Fest der Liebe, pha! Wenn ich den Ausdruck nur schon höre. Sonderverkauf am 2. Sonntag im Dezember, Weihnachtsbäume ab Mitte November, gewalttätige Szenen um Harry Potter Merchandisereien. Fest der Liebe. Warum nicht Ostern? Wäre doch passend: der Frühling, die Hormone, die verrückt spielen, Leute, die in durchsichtigen Kleidern rum rennen auch wenn es noch schweinekalt ist, das ist die Zeit der Liebe; Paarungszeit.
Und dann all der Dreck, den einem die Angehörigen unter den Baum schmeissen. Mir graut alljährlich. Das letzte brauchbare Geschenk, war das Schreibset in der 4. Klasse. Seither nur Ramsch. Ganze Jahrzehnte sinnloser Präsente liegen hinter mir. Fest der Liebe. Liebe wen? Deinen Nächsten, deine Familie, die unnützen Geschenke, den schiefen Baum, das dümmliche Packpapier? Wie soll ich jemanden oder etwas lieben, wenn das gesamte Fest vor Dummheit und Sinnlosigkeit strotzt? Da kann ich ja gleich eine picklige Wange küssen. Wo bleiben die Besinnlichkeit, der liebliche Duft, die Stille? All das ist nicht mehr. Nicht mal mehr Schnee hat’s. Verwundert mich eigentlich nicht; ich würde auch wegbleiben, wenn ich könnte. Aber die Familie würde es nicht verstehen. Also wird wohl auch dieses Jahr kein Weg am stinkenden Lachs und dem chinesischen Geflügel vorbeiführen.
Wenigstens singen wir nicht mehr. Die letzte Dahinleierung von ‚Oh du Fröhliche’ vor zwei Jahren führte bei mir zu Sehnsüchten, die ich eigentlich nur als suizidär bezeichnen kann. Auch das Krippenspiel wird natürlich nicht mehr aufgeführt. Schon seit fast 20 Jahren nicht mehr. Dennoch erinnere ich mich an die Szenen, als hätte ich sie gestern erst gespielt. Die Rolle der Maria führte bei mir nicht nur zur Vergrösserung der Brust weit über den männlichen Durchschnitt hinaus sondern auch zum traumatischen Wunsch nach sexuellem Kontakt mit fremdländisch anmutenden Monarchen. Von der Sucht nach Myrrhe und Weihrauch ganz zu schweigen.
Das Fest der Liebe. Was soll ich dazu noch sagen? Nicht mal mehr ein Schatten seiner selbst ist dieses Fest. Vielleicht sollte man einfach ein paar Hunderter von der Bank holen und mal wieder richtig vögeln gehen, damit der ganze Scheiss wenigstens wieder etwas Bedeutung zurückerhält.
 
A

Abendsternchen

Gast
Hallo Botschafter,

Bis auf den letzten Absat gefällt mir Dein Text sehr gut. Du schreibst kritisch, anprangernd und sprichst leider in vielen Fällen die Wahrheit.
Den letzten Satz finde ich deutlich... unangebracht, er mag vielleicht den Phantasien des lyrischen Ichs entsprechen, doch zerstört er im Grunde all Deine vorherigen Aussagen.

Ausserdem, jedes Fest und jeder Anlass wird sich so ergeben, wie Du ihn selbst gestaltest. Wenn Du nichts dazu beiträgst, dann wird er Dir vermutlich auch nicht gefallen, das Päckchenschieben, das schnell und lieblos aufgerissene Geschenkpapier und auch nicht die künstlich edle Nahrung, die sich viele zu diesem Tage zuführen.
Es liegt doch an Dir selbst, Dein Weihnachten so zu gestalten, wie es Dir gefällt..
Denn.. sich an Weihnachten mit leichten Damen zu vergnügen... hat auch nicht gerade viel mit Liebe zu tun. Fällt das nicht auch unter den weiten Mantel des Kommerzes? Ist es nicht noch eine absolute Steigerung jenes wirtschaftlichen Handelns? Der Handel mit sich selbst?
Da kann ich von Liebe nicht viel spüren.

Wie gesagt, Deine Geschichte ist wirklich gut. Vielleicht änderst Du den letzten Satz ja noch in etwas, mit dem sich wirklich ein Rat befolgen lassen könnte.

Lieben Gruß

Abendsternchen
 
V

vetiver

Gast
ich muss abendsternchen hier widersprechen. der text beschäftigt sich ja nicht damit, was wohl der sinn von weihnachten sein mag, sondern mit dem unsinn von weihnachten. und da ist der letzte absatz durchaus angebracht. auch wenn wir alle immer die hoffnung auf ein happy end haben, selbst in einem solchen kurzen text. aber ich hab das gefühl, der botschafter wollte gar keine "frohe" botschaft verkünden. ich frag mich nur, warum der text unter humor und satire steht.

vetiver
 
A

Abendsternchen

Gast
Hallo Vertiver.

Es geht mir nicht nur darum, dass eine frohe oder weise Botschaft verkündet wird. Es liegt wohl an meiner Betrachtungsweise, dass mir solche Gedanken wie dieser Schluss ein wenig fremd sind. Habt also Nachsicht mit mir.

Dass der Text mit DEM Schluss unter Humor und Satire steht, kann ich dagegen sehr gut nachvollziehen :) ein anderer hätte da ja auch nicht so gut gepasst, meiner Meinung nach. Aber.. alles ist subjektiv.

Wünsch Dir einen schönen Abend noch.

viele Grüße

Abendsternchen
 

Botschafter

Mitglied
Hallo Abendsternchen, Hallo Vertiver

Vielen Dank für eure Antworten

Ich habe den Text unter Humor und Satire gepostet, weil er sonst nirgends wirklich reingepasst hat (unter Horror vielleicht ;-)) und weil ich es (man verzeihe es mir) halt irgenwie für Satire halte...

Über den letzten Abschnitt habe ich mir auch lange Gedanken gemacht. Ich bin nicht jemand, der gerne mit 'starken' Wörtern provoziert. Hier habe ich es aber gleich aus zwei Gründen eingesetzt:

1. um den Ich-Schreiber blosszustellen, zu entlarven. Nachdem er sich über Weihnachten ausgelassen und lustig gemacht hat disqualifiziert er sich im letzten Abschnitt mit seiner Vorstellung vom 'Fest der LIEBE' selbst.

2. (und das wäre eine andere Lesevariante) um der ganzen Geschichte einen sarkastischen i-Punkt aufzusetzen, sprich: die ganze Gesellschaft hat sich vom 'Fest der Liebe' schon soweit entfernt, dass man nicht schlechter dasteht, wenn man halt eben tut, was der Ich-Schreiber anregt.

Ich persönlich liebe Weihnachten übrigens noch immer wie zu Kindeszeiten (auch wenn die Vorfreude heute im Arbeitsstress etwas verkürzt ist). Nebenbei: im Krippenspiel habe ich einen Hirten gespielt, Maria war meinem älteren Bruder vorbehalten.

Ich wünsche euch ein frohes 'Fest der Liebe' und viele brauchbare Geschenke ;-)

Liebe Grüsse

Botschafter
 



 
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