Weihnachten ist grausam!

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Inken B.

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Jedes Jahr im Dezember ist es soweit: das Grauen in Form eines rotbemützten alten Trottels mit weißem Vollbart hebt seinen Kopf - es ist Weihnachten! Natürlich weiß kaum eine Sau mehr warum wir dieses Fest überhaupt feiern. Die Hauptsache ist, dass alle froh und glücklich sind und sich vor verordneter Harmonie in die Arme fallen.
Weihnachtsmärkte - eine pervertierte Ausgeburt dieses ganzen Unfugs zwischen Nadelbaum und Spekulatius - schaffen es immer wieder, von Weihnachten verblendete Mitbürger auf irgendeinen zugigen Marktplatz zu locken. Da werden sich die Hacken mit überteuertem Glühwein zugekippt, an jeder Ecke stinkt es nach verbrannten Mandeln und windige Händler drehen den Leuten allen Mist an. Das Ganze wird beschallt von gar schauerlicher Weihnachtsmusik und wem davon nicht schlecht wird, der muss garantiert von der überlagerten Bratwurst kotzen, die den Weihnachtsmarktgängern für den Preis eines gebrauchten Kleinwagens untergejubelt wird. Da kommt doch wahre Feiertagsstimmung auf - da freut man sich doch auf Weihnachten, manche Leute sind ganz begeistert von Weihnachtsmärkten - aus welchen Gründen auch immer.
Selbstverständlich hat Weihnachten auch seine guten Seiten. Vor allen Dingen für den Einzelhandel. Die Bürger sind dermaßen kollektiv berauscht von Weihnachten, dass sie wirklich allen Plunder kaufen. Das ganze Jahr hat der wertlose Tand im Lager gelegen weil keiner ihn wollte, jetzt, wo das vielgepriesene \"Fest der Liebe\" ansteht, geht alles weg. Die Leute sind der festen Überzeugung,dass sie sich gegenseitig was schenken müssten - ach wie lieb! Der Beschenkte kann zwar meistens mit dem geschenkten Müll nichts anfangen und knallt ihn spätestens an Silvester in die Restmülltonne aber - der gute Wille zählt!
Und so kommt man kurz vor Weihnachten nur noch mit kräftigem Schwung in die Supermärkte und Kaufhäuser. Drängeln, Schubsen, Knuffen, auf die Füße treten, genervte Blicke werfen, all das gehört zu einer gepflegten Vorweihnachtsatmosphäre in den sogenannten Konsumtempeln unserer modernen Zivilisation. Da kann es draußen noch so kalt sein - wen stört das, wenn sich im Innern von monströsen Einkaufscentern schwitzende Leiber aneinander vorbeischieben, sich im Kampfgetümmel ankeifen und sich gegenseitig den letzten Aldi - Marzipanstollen aus der Hand reißen?
Aber mal ehrlich - was wäre Weihnachten ohne unsere geliebten Massenmedien? Schon Mitte Dezember hat fast jeder deutsche Radiosender die phonetische Umweltverschmutzung \"Last Christmas\" von \"WHAM\" seinen bedauernswerten Hörern mindestens 500.000 Mal um die Ohren gehauen. Da singt doch diese hochglanzpolierte Fönwelle George Michael von doch ach so tollen verschneiten Weihnachten und dass er die Schlampe an seiner Seite gerne mal unter der geschmückten Nordmanntanne knattern würde. Dabei weiß doch jeder, dass dieser unrasierte Gockel stockschwul ist und in Wirklichkeit lieber mit Kerlen herumpimpert!
Überhaupt denkt jeder Schlager- und Popfuzzi dass er uns am Jahresende mit selbst ausgeschissenen Weihnachtsliedern erfreuen müsste. Was dabei herauskommt ist meistens grausame Ohrenfolter, die bei Langzeitgenuss eine dauerhafte Schädigung des Schließmuskels zur Folge haben kann.
Aber was das Radio kann, kann das Fernsehen schon lange. Man denke nur an die vielen schönen Weihnachtssendungen mit dem missglückten Gen-Experiment Florian Silbereisen oder den sprechenden Maultaschen Marianne & Michael. In solchen grausamen Shows plärren albern kostümierte Kinder furchtbar schreckliche Lieder, irgendein seniler Opa sitzt auf einem vollgefurzten Sessel und liest stinklangweilige Geschichten und alles ist so voll Harmonie, dass sich selbst der Weihnachtsmann voller Ergriffenheit in die Hose pinkelt.
Zu allem Überfluss haben meistens die beiden Trockenpflaumen Maria und Margot Hellwig Ausgang aus der Klapsmühle bekommen und mischen bei dem Quark auch noch mit. So viel Glühwein gibt es auf der ganzen Welt nicht, um sich diesen Nonsens schön zu saufen!
Das Befremdlichste an Weihnachten aber ist, dass am 24. Dezember mitten in den Wohnzimmern Tannenbäume aufgestellt werden. Der Stamm wird in einen Ständer geklemmt und das arme Gewächs mit allerlei buntem Schnickschnack behängt. Glaskugeln, Lametta, Omas Gebiss oder Opas selbstgeschnitztes, anatomisch völlig korrektes Modell eines erigierten Pferdepimmels - alles wird an den Weihnachtsbaum gehangen.So wird eine Pflanze aus der Familie der Kieferngewächse vollends entwürdigt.
Im Laufe des Weihnachtsabends wird dann gefressen, gefressen was das Zeug hält, gerade so, als wenn es das ganze Jahr nichts gegeben hätte. Schöne fettige Gans, spermafarbene Knödel dazu, Rotkohl und eine Soße, die an iranisches Rohöl erinnert - so kann das Weihnachts-Standart-Essen aussehen. Igitt Igitt!
Wenn dann alle noch mal gekotzt haben geht es ans Geschenke auspacken. Jeder kriegt ein quietschbuntes Paket in die Hand gedrückt und hat sich gefälligst darüber zu freuen! Während aus dem CD-Player Weihnachtslieder dudeln und die Hauskatze sich im Standmixer das Leben nimmt, wird alles ausgepackt was man so gar nicht gebrauchen kann. \"Oh wie schön!\", \"Oh wie toll!\", \"Ach, das ist aber ein schönes Geschenk!\" wird da munter drauflos gelogen obwohl sich alle lieber an die Gurgel fahren würden. Aber das kommt später noch, wenn die vier Flaschen Wodka erst mal alle sind.
Zu allem Unglück kommen nach Heiligabend noch zwei Weihnachtsfeiertage. Wo soll man so viel Harmonie herkriegen? Man kann ja diese Tage dazu nutzen, sich mal wieder richtig zu besaufen, anschließend dem Weihnachtsmann auf die Schuhe zu brechen und dabei \"Oh du fröhliche..\" zu furzen. Das wär´ doch mal was, Halleluja!
Irgendwann ist diese Zeit voller Grausamkeit auch wieder vorbei und man hat ein Jahr Ruhe - schön so!
 

Udogi-Sela

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Schmicklerhaft

Klasse! Ich hab Tränen gelacht über deine Schimpfkanonade. Herrlich. Ich habe mir beim Lesen vorgestellt, wie der Kabarettist Wilfried Schmickler diesen Text am Ende der Sendung „Mitternachtsspitzen“ ins Publikum donnert. Dein Text hat genau diesen „Schmickler-Stil“.
Schöner hätte der das Verlogene am Weihnachtsfest auch nicht beschreiben können.
 
Nu is es ja vorbei. George Michael ist im Keller um mit ner Schippe die Weihnachstumsätze in die Kisten zu schaufeln. Und alleorts gibbet wieder Bratwurscht und Sauerkraut. Ups, grad denk ich an Rammstein. Was die wohl gerade machen?

Zwischenjahresgruß
Tom


p.s. Schöne Story!
 



 
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