Weihnachten liegt vor der Tür.

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pleistoneun

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Ein dumpfes Pochen und dann der Schrei:“ Du, Edwin, Weihnachten liegt vor der Tür!“ „So Edwine, jetzt sag ich dir mal was“, tönte es zurück, “: Erstens heißt das 'steht' vor der Tür, zweitens schrei nicht so hysterisch, drittens mach die Tür zu, es zieht und viertens ist mir das Fest scheißegal!“

Edwine schloss die Tür, kehrte Weihnachten traurig den Rücken und setzte sich zu Edwin ins Wohnzimmer. Nicht Edwin hatte sie mit einer neuerlichen Verbalattacke verletzt, nein, Weihnachten würde wohl dieses Jahr und auch künftig ausfallen.

Und gerade das wollte Weihnachten verhindern. Da es fühlte, out zu sein und nicht mehr gebraucht zu werden, erschien es personifiziert auf der Erde, um für sich Werbung zu machen. Die vier Adventknechte hatten aber gewaltig was dagegen. Die wollten nicht mehr nur die Vorboten sein, die unwichtigen Nebensächlichkeiten, die man Woche für Woche aus dem Kalender blättert, um das „wahre“ Fest zu feiern.

Sie hassten es, mit all der Hektik in Verbindung zu stehen und nur das 2.-5. Rad am Schlitten zu sein. Lange schon wollten sie Weihnachten aus dem Weg räumen, doch wie, wenn man nur einen wandelbaren Mythos, ein Fest, einen Brauch, oder einen gemeinsamen Gedanken vieler Menschen gegenüber hat.

Die Promotions-Tour Weihnachtens kam den Knechten so nur recht, denn personifiziert waren die Karten neu gemischt. Der Plan war, Weihnachten nur einzuschüchtern und für eine Weile wegzusperren. Vielleicht noch etwas mit dem Springer bedrohen und die Weihnachtshelfer wie den Nikolaus, das Christkind, die Elfen, die Wichtel und die Rentiere zu foltern. Doch die vier hatten die Rechnung ohne den Wirt gemacht.

Als sie Weihnachten in den Keller zu den inhaftierten Weihnachtshelfern schleppten, einen Sack über dem Kopf, gefesselt und geknebelt, machte Weihnachten einen Fluchtversuch. Es stieß zwei der Adventknechte zur Seite, trat einem dritten in den Unterleib und türmte. Der vierte Advent war etwas feige, wohl auch etwas schockiert und reagierte nicht.

Weihnachten schüttelte auf der Flucht den Sack vom Haupt, löste die Fesseln und entledigte sich des Knebels. Auf einer dicht bevölkerten Straße angekommen, brüllte es aus Leibeskräften:“ Hiiiiiiilfääääää, ich bin Weihnachten und die Adventknechte wollen mir ans Leder.“

Ehrlich, hätten sie ihm geholfen? Sehn sie, die Passanten auch nicht. Sie drehten sich nur angewidert vom schmutzigen Weihnachten ab und waren froh, als es die Adventknechte wieder gut verpackt von der Strasse zerrten.

Die vier waren wegen des brutalen Ausbruchsversuches in Rage und misshandelten Weihnachten weit mehr, als sie das ursprünglich vorhatten mit dem vorbereiteten Springer und Baseballschlägern.

Sogar die anderen Weihnachtshelfer sprangen auf den Zug auf und gaben es diesem Angeber, der sie jahrelang unter seiner Fuchtel hatte. Da traten Wichtel auf das gekrümmt am Boden liegende Weihnachten ein, Elfen zogen es an den Ohren, Rentiere trampelten auf ihm herum und da tat sich Rudi besonders hervor, was der Nikolaus machte sag ich nicht und das Christkind bekam einen monströsen Christbaum zu fassen und schlug im Blutrausch gar heftig zu.

Irgendwie war es nachher allen etwas peinlich, dass sie so die Fassung verloren hatten und sie entledigten sich des tot geglaubten Weihnachten, indem sie es im dunklen Wald aus dem Schlitten warfen. Weihnachten konnte sich mit letzter Kraft zu besagtem Haus schleppen und blieb dort blutend mit offenem Hinterhaupt und zertrümmerten Knochen im Schnee liegen. Ein kurzes Klopfen gelang ihm noch, es hätte auch noch gerettet werden können, aber Dank Edwin und Edwine fällt Weihnachten heuer leider aus.

Feiert also den Advent ordentlich für die nächsten vier Wochen und freut euch dann auf Ostern.

PS: die Geschichte tät ich Kindern nicht unbedingt vor Weihnachten erzählen. Besser erst nach dem 24., damit sie verstehen, warum es heuer keine Geschenke gab.
 

flammarion

Foren-Redakteur
Teammitglied
also,

diese geschichte toppt alles, was ich bisher von dir gelesen habe. absolute spitzenklasse! besonders "Was der Nikolaus tat, sag ich nicht."
das bekommt n ehrenplatz in meiner sammlung und wird garantiert zu weihnachten vorgelesen!
ganz lieb grüßt
 



 
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