Weihnachtseinsamkeit

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Raul Reiser

Mitglied
Die prallen Einkaufstüten
füllen die Küche fast aus
Nur der Weg zum Kühlschrank ist noch frei
Meine Versicherung, die Tage glücklich
hinter mich zu bringen

Steaks, Bier, Tiefkühlgemüse, Käse usw.
Niemand wird mich kritisieren können
Meine Geschenke werden die Münder stopfen
In Dankbarkeit werde ich baden

Wie jedes Jahr

Wer wird es wagen
das letzte Jahr in Rechnung zu stellen
Wer wird es wagen
mir offen zu sagen
Warum ich nicht eingeladen werde

Wie glücklich werden sie sein
Wie jedes Jahr

Wenn mein Platz leer bleibt
am Tisch der jährlichen Gefühligkeit

Verteidigen sie doch gegen die Umbarmherzigkeit
des täglichen Lebens
diese lächerliche Illusion
dass sich an ein oder zwei Tagen
die Welt als Gute erleben lässt

Und ziehen daraus die Wärme
für ein weiteres Jahr unbarmherziger Welt
Und erhalten damit das bisschen Wärme

Von dem ich träume
wenn ich alleine, stolz und kalt
im Fernsehen von Weihnachtskitsch zu Weihnachtskitsch
zappe.
 
H

Heidrun D.

Gast
Lieber Raul,

deinen Text empfinde ich als reine Prosa, die jeoch interessante Möglichkeiten birgt. Du könntest etwas daraus machen ... Zum Beispiel:

Die prallen Einkaufstüten
füllen die Küche fast aus
Nur der Weg zum Kühlschrank ist noch frei
Meine Versicherung, die Tage glücklich
hinter mich zu bringen

Steaks, Bier, Tiefkühlgemüse, Käse usw.
Niemand wird mich kritisieren können
Meine Geschenke werden die Münder stopfen
In Dankbarkeit werde ich baden
[blue]Pralle Einkaufstüten
Garantie
für glückliche Tage

niemand
wird mich kritisieren
allen
werde ich die Mäuler stopfen
...[/blue]

usw. Bei konsequenter Verdichtung ließe sich viel mehr herausholen.

Liebe Grüße
Heidrun

P.S.: Um einen experimentellen Text handelt es sich so oder so nicht. ;)
 



 
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