Weiße Blätter

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herziblatti

Mitglied
Weiße Blätter

Ich schreibe nicht auf weiße Blätter, sie sind mir suspekt, die Natur kennt dieses Weiß nicht, es geht über alles Natürliche hinaus, mir reicht die schmerzende Schreibhand, da muss ich mir diese wichtige Kante, die Handkante, nicht auch noch vergiften lassen von diesem giftigen Weiß, das die Augen zum Wegschauen treibt oder zum Blinzeln.

Nicht zum Zwinkern.
Da ist kein verborgener Scherz auf diesen Blättern, die sind so nichts und leer, da könnte man alles draufschreiben, wenn man wollte und jeder, der wollte.
Ich nicht. Ich bin nicht man und nicht jeder, diese Nicht-Farbe ist mir zu grell und auffällig, wie einer, der sich alles gefallen lässt, weil er keine Meinung hat und überall wegschaut, damit er sauber bleibt wie ein leeres Blatt.

© Heidi Merkel
 

rothsten

Mitglied
Hallo herziblatti,

der erste Reflex, wenn man Gedichte/Kurzprosa über das Weiße eines Blattes liest, ist natürlich: "bitte nicht schon wieder". Bei einem solch ausgelutschten Thema bedarf es natürlich einer besonderen Note, um aus dem Schatten der Beliebigkeit treten zu können.

Ich will meinen, es ist Dir gelungen.

Besonders gefällig ist der Vergleich am Ende. In der Tat bleiben feige und angepasste Menschen eher blass, und in der Tat können ebensolche auf tapfere und (im positiven Sinne) eigensinnige Menschen eher grell wirken. Man mag sie nicht sehen, sie blenden.

Gut gemacht! ;)

Lieben Gruß,
rothsten
 
D

Die Dohle

Gast
... mal so als Gedanke, es hat doch was, was anarchisches, rebellisches, so ein blütenweißes jungfräuliches Blatt einzusalben. Gelingt dann noch was vorzeigbares, etwas, das dieser makellos weißen Unverschämtheit gewachsen ist, ja dann hat das was zu bedeuten, sag ich mal.
Ich finde, Dein Text muß auf einem solchen schneeweißen Papier zu stehen kommen, nicht auf so einem veralgten Vielleichtgrün ...

Gefällt mir gut!

lg
die dohle
 

herziblatti

Mitglied
Hallo die Dohle, danke für's Lob; dieses Vielleichtgrün ist aus so unterschiedlichen Farbtönen täglich am Entstehen, ich schätze es sehr. LG, das herziblatti
 
D

Die Dohle

Gast
Hallo herziblatti,

noch´n Gedanke, ich denk, es gibt dieses Weiß:

Nehmen wir an, es sei Mitte Januar, es gab Neuschnee, der auf einer solide durchgeregneten frostharten Firnunterlage zu liegen kam. Stahlblauer kalter Winterhimmel. Nehmen wir weiter an, wir seien mit den Tourenski querfeldein in diesem, sagen wir mal knietiefen Schnee, fernab von Loipe und Spazierweg auf dem Kleinen Heuberg gegen eine gerade eben mal über die blaue Wand der Schwäbischne Alb blinzelnde Wintersonne unterwegs. Unmittelbar vor uns haben wir ebenmäßig aufgeschüttet, einen funkelnden Kristallteppich. In der Totalen in die Ferne betrachtet aber liegt ein Weiß vor uns, das in seiner Reinheit und seiner unverschämten Unnahbarkeit, seiner Verletzlichkeit ...
vielleicht annähernd dem gleicht, wie Du ein unbeschriebenes Blatt Papier in Augenschein nimmst.

lg
die dohle
 
D

Die Dohle

Gast
Nachtrag: Es ist natürlich die Unnahbarkeit, die Verletzlichkeit usw. des Betrachters, das einem da begegnet ...

lg
die dohle
 
D

Die Dohle

Gast
ja natürlich, Dein Text behandelt diesen wenig erfreulichen Aspekt des leeren Stück Papieres.
Hab nur laut an den äußeren Rändern Deines Textes sozusagen herumgedacht ..., weshalb eigentlich? Vermutlich, wie rothsten Eingangs über seinen Reflex berichtet, gewöhne ich mich in der Art daran, wie Du dieses Weiß verwendest. Das ist eher ungewöhnlich. Und eben gelungen aus meiner Sicht, wie schon gesagt.

lg
die dohle
 



 
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