Weißes Rauschen

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blaustrumpf

Mitglied
Sie tritt aus dem Haus und ahnt, es wird regnen. Aber da ist keine Wolke und alles geht gut, aber das wird ihr auch nicht zur Freude. Sie tritt aus dem Haus, spürt die Stufe unter dem Schuh und wie sich die Fußknochen bewegen, sieht sich fallen, spürt schon den Schmerz, stechend und grell, Trümmerbruch oder Kapselriss, Gips und Monate hinken. Noch während sie lauscht, ob die Tür auch ins Schloss fällt, sieht sie sich im Krankenhaus liegen, gelangweilt und depressiv von der Vollnarkose. Das ist nicht lustig, das ist nicht gesund. Das hat auch Methode. Aber alles ist besser, als zu hoffen, hinter der Gardine stünde eine, die winkte ihr nach und freute sich auf Rückkehr und Wiedersehen.
Sie tritt aus der Tür und alles ist wie immer. Der Kloß in ihrem Hals kratzt an der Kehle, aber der Arzt wird nichts finden außer vielleicht einer leichten Rötung. Der Fahrer des Postautos sieht sie und öffnet die Tür, als sie das Fahrzeug erreicht. Es ist Dienstag, Großauflagentag, sie fischt nach dem Vaterland in der Zeitungstasche am Eingang. Es braucht nicht viel Worte vor sieben Uhr, wie häsch es und gärn guat sind Ritual und erwarten nicht ernsthaften Lagebericht. Was wäre auch zu erzählen, kein Gips, kein Sturz, kein Regenschauer. Nur der Kloß im Hals, und der mag Folge des Heuschnupfens sein.
Die Fahrt ist kurz, sieben Minuten genügen, um ins andere Land zu gelangen, mit Ampelstopp oder Schranke sind es leicht auch zehn. An der Post das gewohnte Gedränge, sie entrinnt ihm und betritt die Bäckerei. Zwei Kornspitz, zwei Laugen, mol, die Gipfeli, die sind fein und das Wetter isch suprr und öppis anders als der trübe Dunst, der seit Tagen die Berge um das Rheintal einhüllte. Schöns Tägle noch und mol gliifalls und wieder spürt sie die Stufen und wieder kein Sturz.
Am Wegrand umsummen Bienen aufgeplatzte Zwetschgen, das Fallobst, von niemand gesammelt, färbt die Morgenluft mit violett schimmerndem, leicht fauligem Duft. Amseln im Geäst, die lassen sich vom Reifengeräusch auf dem Kopfsteinpflaster nicht lange übertönen und Fußgänger ignorieren sie ganz. Und wieder Stufen und wieder kein Sturz, Tasche und Bäckertüte abgelegt, den Rechner gestartet, die Jacke hängt am Haken, wider besseres Wissen nach der einen E-Mail geschaut, die schon so lange ausbleibt. Und der Kloß ist da und auch nicht und es ist alles Einbildung und Theater und Selbstmitleid und Meeresrauschen in Muscheln, weitab vom Strand. Das Herz pumpt Blut, das Ohr hört es wie ferne Brandung, wie Urlaub zu zweit, und das Herz, das verschenkt wurde und das Blut, das schneller pulst bei dem Gedanken. Da lässt sich träumen von Bein oder Schulter in Gips, ein Herz bricht nicht so leicht, nur in schlechter Lyrik. Prosaisch gesehen, wird es selten gebrochen, schon allein, weil Passivkonstrukte die Lesenden selten interessieren. Ein Seufzen und der Arbeitstag kann beginnen.
Sie steht auf für einen Kaffee und rammt sich die Tischkante ins Fleisch, kein Beinbruch, kein Gips, kein gar nichts. Nur Schmerz, aber den kennt sie und findet ihn fast so übertrieben pathetisch wie sich selbst. Erste Tropfen fallen, schon prasselt der Regen an die Scheiben, es wird Zeit, die Fenster zu schließen. Die Amseln schweigen, von fern dröhnt Berufsverkehr. Hoi, guta Morga, wie häsch es, Mistwetter, es war aber auch einmal Zeit, die Hitze und der Dunst und das war ja schon nicht mehr normal, und, häsch es streng, es gat, ghörig, gärn guat. Die Floskeln heben sich leicht, sind abrufbar auch vor dem Kaffee, an der Oberfläche sind die Meerungeheuer nur selten zu sehen, die großen Seeschlangen nicht und der weiße Hai ist längst Klassiker und sein eigenes Zitat. Doch selbst dort noch ein Love Interest, wie machen die das, stehen da auf den Stufen, haben nichts Besseres vor, sind einfach da und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute und spüren nicht ihre Knochen, nicht die Stufen, keinen Gips, und alles immer neu und immer frisch und nie Ritual wie der Dienstag vor Sieben im Bus. Da, wo es nicht viele Worte braucht, wo das Kopfkino noch in allen Sälen das Popcorn zusammenfegt, egal welcher Film in der letzten Nacht riss.
Aber die Stufen, die bleiben und das Spüren, wie sich die Knochen im Mittelfuß bei jedem Schritt neu arrangieren und doch ihren Platz immer finden auch ohne Schmerz oder Ritual, einfach so, weil es so ist. Kein Sturz, kein Gips und kein Innehalten, kein Begegnen auf Treppen und schon lange keine mehr, die sich freut über Heimkehr und Wiedersehen. Nur eine, die noch den Amseln lauscht.








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Anmerkung: Der Text ist im Grenzgebiet Schweiz-Liechtenstein "verortet".
 

Montgelas

Mitglied
liebe blaustrumpf,

ich habe einen bekannten, der ein leben lang in diesem gebiet wohnte, wo deine geschichte ihre geografie findet. er ist leider blind. vor ein paar jahren musste er nach preußen, konkret potsdam, umziehen.
auf die frage , wie es ihm denn so gehe in der neuen umgebung, antwortete er:
die kommunikation ist schwierig, bei den preußen habe ich gar keine orientierung . es wird nicht geschwätzt. ich weiß nicht ob die bäckerin das brot auf die ladentheke hebt, weil sie es nicht mit füll und fühlworten kommentiert.

deine geschichte dagegen hat eine menge kommunikativer füll-
und "fühlworte", die das ungute ende ahnen lassen.
lange rede, kurzer sinn: ich halte es für sehr schwer hochdeutsch mit dialekt zu versetzen, den sprachrhytmus
ins hochdeutsch zu transponieren. ich meine,
du häscht's guat gemacht.

schöns tägle noch !

montgelas

p.s. den einzug der moderne habe ich nicht überlesen,
ignoriere ihn aber. niemand hatte alle filme hollywoods gesehen. ich kann den herrn niemand niemals mehr einholen.. ;)
 

Zarathustra

Mitglied
liebe Blaustrumpf

deine Geschichte hat in mir ein Kopfkino ablaufen lassen.
Mir hat sie gefallen.

Der Schluss ganz besonders.

Bei alledem, die Stufen - sie bleiben. Niemand wartet. Darum auch kein Schmerz, kein Gips.
Bleibt nur noch übrig der Amsel zuzuhören.

Aber das "Weiße Rauschen" - der Titel, er blieb mir ein Rätsel.

Liebe Grüsse
Hans
 

george

Mitglied
Der Begriff "weißes Rauschen" kommt aus der Elektrotechnik oder Physik. Weißes Rauschen ist ein Rauschen, das auf allen Frequenzen die gleiche Amplitude hat. Nachrichtentechnisch gibt es nichts langweiligeres als weißes Rauschen, da in ihm keine Information enthalten ist (außer über die Temperatur).

Vermutlich steht "weißes Rauschen" hier als Metapher für die von der Protagonistin so wahrgenommenen Monotonie und Vorhersagbarkeit ihres alltäglichen Lebens. Es gibt keine Abwechslung. Ein gebrochener Fuß wäre so eine Abwechslung oder ein Urlaub zu zweit ...

Die Amsel am Schluss gibt Hoffnung.

Höchstpunktzahl von mir.

Grüße
Jürgen
 

Montgelas

Mitglied
lieber george,
danke für die physikalische erklärung.
es scheint mir logisch. ich allerdings dachte
an muschelrauschen, warum auch immer.

ein meeressüchtiger

montgelas
 

blaustrumpf

Mitglied
Hallihallo

Es könnte sich bei dem ominösen Weißen Rauschen auch um den physikalischen Effekt handeln, den Akustiker nutzen, um Störgeräusche zu überdecken. Mit anderen Worten: Schade, dass ich erst heute dazu komme, eine Reaktion zu ventilieren, sowie vielen lieben Dank für eure Beschäftigung mit diesem Text!

Schöne Grüße von blaustrumpf
 

sekers

Mitglied
und dann und wann ein weißer Elefant

Beim ersten Mal Lesen Deiner Geschichte kam mir das Rilke Karussell Gedicht in den Sinn, die Sorgen um den Mittelfußknochen, quasi weißer Elefant. Und dazwischen die Pferde, der Löwe und so. Ein Karussell der Befindlichkeiten.

Beim nächsten Mal Lesen malte ich mir das Leid aus, das ein Hochdeutsch-Sprechender hat, wenn er mit diesem seltsamen vorarlbergerischen Dialekt konfrontiert ist. Und musste darob schmunzeln. Dieses Aufeinanderprallen ist doch zu komisch.

Später:
... der Kloß ist da und auch nicht und es ist alles Einbildung und Theater und Selbstmitleid und Meeresrauschen in Muscheln, weitab vom Strand. Das Herz pumpt Blut, das Ohr hört es wie ferne Brandung, wie Urlaub zu zweit, und das Herz, das verschenkt wurde und das Blut, das schneller pulst bei dem Gedanken. Da lässt sich träumen von Bein oder Schulter in Gips, ein Herz bricht nicht so leicht, nur in schlechter Lyrik. Prosaisch gesehen, wird es selten gebrochen, schon allein, weil Passivkonstrukte die Lesenden selten interessieren. Ein Seufzen ...

Es ist schon sehr interessant, verehrte Frau Blaustrumpf, diesen Mikrokosmos zu studieren, den Du da entwirfst. Vor allem, wenn es immer kleiner und kleiner wird, man könnte sagen das Rauschen nähert sich immer mehr der Farbe Weiß. Und wir zum Wesentlichen oder auch nicht, aber eben zu dieser mißglückten Liebe kommen. Und Du kannst/magst Dich als Erzähler so nicht darauf einlassen, Du lässt den/Deinen Witz nicht vom Leid sezieren. Eine der Sprache Mächtige leidet, aber gleichzeitig spöttelt sie und nimmt/stellt sich damit gleichzeitig heraus. Wie hilfreich eigentlich Witze sind.

Ja, und jetzt lausch ich mal den Amseln.

Liebe Grüße

G.
 
H

Henry Lehmann

Gast
Re: und dann und wann ein weißer Elefant

Es ist schon komisch. Schon an anderer Stelle bin ich aus berufenem Munde auf Frau Blaustrumpf hingewiesen worden. "Die musst Du mal lesen, die schreibt suuuuper!" Nun, ich hab sie gelesen und weiß nicht so recht. Sie schreibt in der Tat nicht schlecht, aber da ist so gar nichts, was mich anspricht. Nichts, wo ich sagen kann: 'Ja klar, kenn ich' oder 'toll, genau so ist es'.

Vielleicht liegt es an mir, dass ich immer irgendetwas erwarte beim Lesen. Etwas was mich für die Mühe, die Zeit, das anstrengende Starren auf die kleinen Buchstaben des Monitors entschädigt. Beim Lesen dieses Textes blieb nichts zurück. Nur ein Gefühl wie ..., ich würde mal sagen... wie sechs Punkte.

Henry
 

blaustrumpf

Mitglied
Hallo, sekers

Na, servus, du assoziierst Rilke. Das ist natürlich sehr sehr schmeichelhaft für mich. Da verzeihe ich dir doch glatt den dialektischen Missgriff: Der Liechtensteiner Dialekt (in seinen – von Gemeinde zu Gemeinde verschiedenen – Ausprägungen) ist natürlich mitnichten Vorarlbergerisch, sondern– akustisch ins Unreine formuliert – sozusagen das "Missing Link" zwischen "Voradelbergerisch" und "Graubündnerisch". Der Unterschied ist allerdings nicht nur morgens vor sieben für Nichtbetroffene eher vernachlässigbar.

Danke für deine Beschäftigung mit dem Text!

Schöne Grüße von blaustrumpf

* * *

Hallo, Henry Lehmann

Nichts, wo ich sagen kann: 'Ja klar, kenn ich' oder 'toll, genau so ist es'.
Verlangst du da nicht ein bisschen viel von dir selbst? Ich kann nicht glauben, dass irgendjemand außer anscheinend du selbst von dir erwartet, dass du das Lebensgefühl erwachsener homosexueller Frauen aus persönlicher Anschauung zu kennen hast.

Schöne Grüße von blaustrumpf
 

Zefira

Mitglied
Nichts, wo ich sagen kann: 'Ja klar, kenn ich' oder 'toll, genau so ist es'.
Nun, jeder kann's wohl nicht sagen. Ich kann es schon. Ich erkenne das Gefühl des Fallens wieder, samt allen Stadien der Verletzung, der Genesung und samt allen anderen denkbaren Im- und Komplikationen, und das alles zusammen in dem Sekundenbruchteil, in dem ich dann doch nicht falle.
Das ist nicht lustig, das ist nicht gesund. Das hat auch Methode. Aber alles ist besser, als zu hoffen, hinter der Gardine stünde eine, die winkte ihr nach und freute sich auf Rückkehr und Wiedersehen.
Ja, genauso ist es.

Sehr zufriedene Grüße,
Zefira
 
S

Sandra

Gast
Verlangst du da nicht ein bisschen viel von dir selbst? Ich kann nicht glauben, dass irgendjemand außer anscheinend du selbst von dir erwartet, dass du das Lebensgefühl erwachsener homosexueller Frauen aus persönlicher Anschauung zu kennen hast.
Ich verstehe Henry Lehmann durchaus. Den Satz dort oben verstehe ich nur nicht ganz. Denn welche Berufung oder Neigung als Autorin man immer verspüren oder leben mag, dem Leser kann dies völlig wurscht sein. Ein Text muss ansprechen, muss authentisch wirken. Und natürlich muss ich nicht zwangsläufig selbst im Rollstuhl sitzen (ein beliebiges Beispiel), um eine Geschichte eben dieser Person zu lesen und mitzufühlen. Der Text war gut geschrieben, mich hat er allerdings auch nicht mitgerissen und ich tat mich etwas schwer beim Lesen aus ähnlichen Gründen wie Henry Lehmann schon erwähnte.

LG
Sandra
 

Zeder

Administrator
Teammitglied
Hallo blaustrümpfin,

ich hätte ein paar Anmerkungen zum Lesefluss deines Textes; vielleicht könnte eine kleine Überarbeitung schon eine homogenere Wirkung auf weitere Leser erzeugen? (Dass du ein sehr gutes Gespür für Wort- und Satzabfolgen hast muss ich ja wirklich nicht extra betonen – nur hakt es hier meiner Meinung nach an der konsequenten Durchführung):

Sie tritt aus dem Haus und ahnt, es wird regnen. Aber da ist keine Wolke und alles geht gut (Punkt) [strike] , aber das wird ihr auch nicht zur Freude.[/strike]
Sie tritt aus dem Haus, spürt die Stufe unter dem Schuh und wie sich die Fußknochen bewegen, sieht sich fallen, spürt schon den Schmerz, stechend und grell, Trümmerbruch oder Kapselriss, Gips und Monate hinken[strike] . Noch während sie lauscht, ob die Tür auch ins Schloss fällt, sieht sie
[/strike] [blue] Sieht [/blue]sich im Krankenhaus liegen, gelangweilt und depressiv von der Vollnarkose. Das ist nicht lustig, das ist nicht gesund. Das hat auch Methode. [blue] (Absatz) [/blue]Aber alles ist besser, als zu hoffen, hinter der Gardine stünde eine, die winkte ihr nach und freute sich auf Rückkehr und Wiedersehen.
[strike] Sie tritt aus der Tür und alles ist wie immer[/strike] [blue] (Sie IST schon aus dem Haus getreten) [/blue][strike] Der Kloß in ihrem Hals kratzt an der Kehle, aber der Arzt wird nichts finden außer vielleicht einer leichten Rötung. [/strike] [blue] (Passt hier [noch]nicht hin) [/blue]Der Fahrer des Postautos sieht sie und öffnet die Tür, als sie das Fahrzeug erreicht. Es ist Dienstag, Großauflagentag, sie fischt nach dem Vaterland [blue] (wenn das eine Zeitung ist: besser in Anführungszeichen)[/blue] in der Zeitungstasche am Eingang [blue] (an welchem Eingang?) [/blue] [red] Es braucht nicht viel Worte vor sieben Uhr, wie häsch es und gärn guat sind Ritual und erwarten nicht ernsthaften Lagebericht. [/red] [blue] (Dieser Satz stimmt grammatikalisch nicht)[/blue]Was wäre auch zu erzählen, kein Gips, kein Sturz, kein Regenschauer. Nur [strike] der [/strike] [blue] (besser: ein) [/blue]Kloß im Hals, und der mag Folge des Heuschnupfens sein. (Absatz)

Die Fahrt ist kurz, sieben Minuten genügen, um ins andere Land zu gelangen [blue] (hier hilft zwar deine Anmerkung ganz unten, mir hilft sie hier ankommend allerdings nichts, und ich weiß auch nicht, ob der Länderwechsel wesentlich für deinen Text ist)[/blue] weil , mit Ampelstopp oder Schranke sind es leicht auch zehn. An der Post das gewohnte Gedränge, sie entrinnt ihm und betritt die Bäckerei. [blue] (Wie kommt sie zur Post? Ist sie aus dem Wagen ausgestiegen?) [/blue]Zwei Kornspitz, zwei Laugen, mol, die Gipfeli, die sind fein und das Wetter isch suprr und öppis anders als der trübe Dunst, der seit Tagen die Berge um das Rheintal einhüllte. Schöns Tägle noch und mol gliifalls [blue] (würde ich alles in Anführungszeichen setzen) [/blue]und wieder spürt sie die Stufen und wieder kein Sturz.
Am Wegrand umsummen Bienen aufgeplatzte Zwetschgen, das Fallobst, von niemand gesammelt, färbt die Morgenluft mit violett schimmerndem, leicht fauligem Duft. Amseln im Geäst, die lassen sich vom Reifengeräusch auf dem Kopfsteinpflaster nicht lange übertönen und Fußgänger ignorieren sie ganz. Und wieder Stufen und wieder kein Sturz, Tasche und Bäckertüte abgelegt, den Rechner gestartet, die Jacke hängt am Haken, wider besseres Wissen nach der einen E-Mail geschaut, die schon so lange ausbleibt. Und der Kloß ist da und auch nicht und es ist alles Einbildung und Theater und Selbstmitleid und Meeresrauschen in Muscheln, weitab vom Strand. Das Herz pumpt Blut, das Ohr hört es wie ferne Brandung, wie Urlaub zu zweit, und das Herz, das verschenkt wurde und das Blut, das schneller pulst bei dem Gedanken [blue] (an … wen oder was?)[/blue] . [strike] Da lässt sich träumen von Bein oder Schulter in Gips, ein Herz bricht nicht so leicht, nur in schlechter Lyrik. Prosaisch gesehen, wird es selten gebrochen, schon allein, weil Passivkonstrukte die Lesenden selten interessieren.[/strike] [blue] (das kommt mir wie Füllwerk vor, aber der folgende Seufzer ist es, den zumindest ich erwarte) [/blue]Ein Seufzen und der Arbeitstag kann beginnen. (Absatz)

Sie steht auf für einen Kaffee und rammt sich die Tischkante ins Fleisch, kein Beinbruch, kein Gips, kein gar nichts. Nur Schmerz, aber den kennt sie und findet ihn fast so übertrieben pathetisch wie sich selbst. Erste Tropfen fallen, schon prasselt der Regen an die Scheiben, es wird Zeit, die Fenster zu schließen. Die Amseln schweigen, von fern dröhnt Berufsverkehr. Hoi, guta Morga, wie häsch es, Mistwetter, es war aber auch einmal Zeit, die Hitze und der Dunst und das war ja schon nicht mehr normal, und, häsch es streng, es gat, ghörig, gärn guat. [blue] (Wieder alles in Anführungszeichen) [/blue]

[blue] Ab jetzt wird es meiner Meinung nach diffus: Bis eben ging es um eine Frau, die hypochondrisch veranlagt ist und Sehnsucht nach einer (vergangenen) Liebe hat. Was jetzt folgt sind wohl Gedanken oder Erinnerungen, die mich aber aus dem bisherigen Lesefluss reißen: Ich kann sie nicht nachvollziehen, sie wirken ‚zu persönlich’, um partizipieren zu können. Ich sehe auch keinen Schluss, sondern eben diese privaten Gedanken, und dann hört der Text auf.
Was macht die Frau mit ihrer Angst, verletzt zu werden? Verletzbar zu bleiben? Verlassen zu bleiben? DAS wird meiner Meinung nach nicht deutlich, und deshalb bleibt der Text unrund.

[/blue]… und schon lange keine mehr, die sich freut über Heimkehr und Wiedersehen. Nur eine, die noch den Amseln lauscht.
[blue] DAS ist ein angemessener Schluss dieser Geschichte, nur fehlt mir der Übergang dorthin (s.o.).[/blue]

Viele Grüße von Zeder
 

Inu

Mitglied
Es ist ein sonderbarer Text. Beim ersten Lesen blieb mir diese Prot und die ganze Situation innerlich fern ... fern. Und der ??? Dialekt machte mich fast wütend. Warum musst Du, Blaustrümpfchen, mir zu aller übrigen Verworrenheit auch noch sowas auftischen, dachte ich 'erzürnt' und wollte Dir gerade eine 5 reinwürgen.

Beim zweiten und dritten Lesen ( bei den meisten Autoren lese ich nur einmal, aber von Dir kannte ich schon bedeutende Texte, deshalb meine Geduld und mein Nicht-Aufgeben-Wollen ) also beim zweiten und dritten Lesen fiel es mir immer mehr wie Schuppen von den Augen und ich konnte mich in die sensiblen und exzentrischen Wahrnehmungen der Icherzählerin langsam einklinken und ihre Gedanken sogar hautnah nachvollziehen.

Man muss erst dafür innen ruhig und aufnahmebereit werden, denke ich. Wer ( wie ich ) einen spontanen Lesegenuss sucht, ist hier erst einmal fehl am Platz ;)

Nur, ob der merkwürdig klingende Dialekt für die Geschichte wirklich notwendig ist, bezweifle ich dann doch. Er scheint mir irgendwie gewollt 'ungewöhnlich.' ;)

Würde der Text verlieren, wenn die Frau diese Passagen in 'normaler' Sprache sagte?

Liebe Grüße
Inu
 



 
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