Welche Früchte?

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Vera-Lena

Mitglied
Herzklopfen

Lieber lapsi,

Die Nacht pocht ihren Rhythmus bang=
pa pam pa pam pa pam pa pam

so klopft ein ängstliches Herz. Und es will nicht aufhören, so zu klopfen.

Danke für Deine Antwort!
Liebe Grüsse Vera-Lena
 

lapismont

Foren-Redakteur
Teammitglied
Ja, Vera-Lena,

das Pochen ist deutlich, überdeutlich zu hören.
Aber pocht Es bis zum Schluss bang?

cu
lap
 

george

Mitglied
Ein ganz, ganz schwieriges Thema, dem Du da mit Reimen beizukommen versuchst, liebe Vera-Lena. Am Anfang ist das richtig gut, Claudius-mässig. Bedrückend wie der Inhalt dann immer ernster wird. Ich weiss einfach nicht, ob man diesem Thema und der Anlage der "story" überhaupt mit durchgehenden Reimen "gerecht" werden kann. Ich weiss es wirklich nicht und würde mich selbst an das Thema nicht heranwagen. Wie könnte ich Pathos vermeiden???

Ich anerkenne den Mut und den Versuch, diesem schwierigen Stoff der sinnlosen Grausamkeit und des Kontrastes zu unserer so heilen Welt gerecht zu werden.

Herzliche Grüsse.
 

Vera-Lena

Mitglied
Heile Welt

Lieber george,

danke für Deinen Kommentar!

Bei der heilen Welt fällt mit jetzt nur Ephraim Kishon ein, der vor einem Jahr in Solingen geäußert hat, in Jerusalem würde er sich auch nicht weniger sicher fühlen als in Deutschland.
Was sagt mir das? 1. Er ist ein alter Mann und hängt deshalb nicht mehr so sehr am Leben wie jüngere Menschen.
2. Er hat sein Haus in der Schweiz.
3. Auch in Deutschland braucht man nur über die Strasse zu gehen, um ums Leben zu kommen.
4. Er hatte wahrscheinlich einfach keine Lust auf das Dauerthema Gewalt in seiner Heimat einzugehen.

Nun hatte ich Lust, auf das Thema einzugehen, weil es eigentlich ein Lebensthema ist. In jedem von uns schlummert Gewalt und die Angst vor Gewalt. Geschildert habe ich es in dieser zugespitzten Form aus dem Erleben einer jungen Mutter. Nach Reimen habe ich auf gar keinen Fall gesucht. Sie waren da und haben mir geholfen, das Thema in eine Form zu bringen. Für mich haben Reime nicht die Bedeutung von "alles reimt sich, darum ist alles gut". Ich verstehe aber, wenn jemand ein andersartiges Empfinden für Reimworte hat. Schließlich haben wir die allerersten Reime in der Kindheit von den Eltern gehört:"Hoppe, hoppe Reiter" u.s.w.
und für manchen haben sie vielleicht schon allein deswegen diesen Touch von "Alles ist gut" behalten.

Dieses Gedicht habe ich gerade erst geschrieben, und es mag sein, dass ich es nach einiger Zeit anders sehe. Momentan denke ich noch, dass es unpathetisch ist, dass es im Innersten wahr ist und dass ich es schreiben musste, weil ich das jeden Tag in der Tagesschau sehe und es mich einfach nicht kalt lässt.

Ich hatte einen Schüler, der zu Zeiten Khomenis gegen diesen Sraßentheater in Teheran gemacht hat und dort für 2Jahre ins Gefängnis ging. Später floh er. Als wir in meiner Theatergruppe eine Entspannungsübung machten, sah ich, wie er die Fäuste ballte. Ich sagte: "Madschid, Du bist in Deutschland." Er lächelte und atmete erleichtert auf und entspannte sich.
Ich kenne einfach solche Menschen und weiß, was sie durchgemacht haben und wie es ihnen geht. Deshalb fällt es mir leichter, so ein Thema zu bearbeiten, und wenn sich dann zuallererst Reimworte eingestellt haben, denke ich, dass sie da hingehören. Aber wie gesagt, dieser Text ist auch für mich brandneu, und ich habe noch keinen Abstand dazu.

Ich danke Dir sehr, dass Du mir Deine Gedanken mitgeteilt hast.
Liebe Grüsse Vera-Lena
 

Jongleur

Mitglied
Eindringlichkeit

Hallo Vera-Lena,
das einfache Metrum, abgehackt und verkürzt klingend, betont noch durch fast immer mit der Zeile abgeschlossene Aussagesätze, hat für mich etwas Kinderlied-, Abzählvershaftes. Das passt zu den Gedanken über gewünschte heile Kinderwelt - und elterliches Schutzbedürfnis und Verantwortungsgefühl - und lebt aus einem eigenartigen Kontrast in diesem Spannungsfeld Schlaflied - Kriegsangst.
Der Reim - stellt für mich kein Hindernis für ein modernes Gedicht bzw. ein aktuelles Krieg- und Gewaltthema dar.
Wohl aber die Pathetik, die meinem Empfinden nach durch die erste Strophe, hier speziell die erste Zeile und die letzte.
Mit Wortbildern wie "bang pochen" aus einer anderen Epoche legt sich auf zeitgenössische Gedichte meines Erachtens (auch ungewollt) Pathetik.

Das Gedicht steigert sich aus relativ friedlichem Beginn - zum drohenden Tod. Die Frage stellt sich, ob dem nicht in der ersten Strophe entgegenkäme, wenn der friedliche Kinderschlaf den Anfang machte?

Mein Kind sucht seinen Kinderschlaf.
= vertrauensvoll in die Welt
Der Mond steht hinterm Wolkenschaf.
= kein Licht, erste Verdunkelung,
auch (und unter anderem) daraus folgend:
Die Nacht pocht ihren Rhythmus bang,
der Frieden flieht den Fluss entlang.

Gleichgültig weht der Wüstenwind.
Hier ist gewertet. Mir läge näher, den Wüstenwind "gleichmütig" wehen zu lassen, das Urteil oder eine Emotion dazu mag sich beim Leser bilden.

Der Tag verwischt das Sterbeblut,
taucht es in seine Sonnenglut.

Man liest zwar ... irgendwie drüber weg, aber eigentlich ist ja das Blut die Flüssigkeit, in die "getaucht" werden könnte. Aber na gut, eine Häuserfront mag auch in Licht getaucht scheinen.

Die Hoffnung ist mein Zwillingsherz.
Die Klage zähmt und dämpft den Schmerz.
Aus welchen Früchten wächst der Mut?
Der Vogel schützt die junge Brut.

Die Strophe gefällt mir besonders gut.
Vor allem das "Zwillingsherz Hoffnung"!
Allerdings habe ich mit dem Ende meine Schwierigkeiten. Als letzter Satz kommt dem Brut-schützenden Vogel eine große Bedeutung zu, als läge hier der Schlüssel zu den Überlegungen und für die Lösung Kind-Mutter-Krieg-Unterschlupf etc. Dem ist ja aber nicht so. Auch der brütende Vogel vermag wenig auszurichten, auch wenn das Bild des deckenden Flügels fürsorgliche Sicherheit vermitteln mag.
Ich könnte mir auch hier wieder einen Tausch der Zeilen vorstellen, in dem die Frage das Gedicht beschließt, die ja eigentlich bestehen bleibt, in der vorliegenden Fassung bei Dir aber scheinbar durch das friedvolle Vogelbild (trügerisch) beantwortet wird.
Für mein inneres Ablaufgefühl käme auch die Klage vor der Hoffnung: das Herausschreien, das Mitteilen des Schmerzes mag ein Stück weit Befreiung bedeuten und daher einer möglichen Hoffnung die Tür öffnen.

Die Klage zähmt und dämpft den Schmerz.
Die Hoffnung ist mein Zwillingsherz.
Der Vogel schützt die junge Brut.
Aus welchen Früchten wächst der Mut?

Die Frage nach dem Mut scheint mir denn auch eine ganz generelle zu sein, z. B. auch den für Zivilcourage in unseren "befriedeten" Breiten einschließend. So wie auch das Gedicht über die Angst "um das Kind" hinausgeht und dahinter die Angst des einzelnen unter kriegerischen, gewaltgeprägten Umständen in sich trägt.

Ob das Gedicht dem Thema "Krieg und Gewalt" gerecht wird?
Ach, muss ein Lyriker eine Abhandlung verfassen? Es wird  e i n  Aspekt aufgezeigt. Der Leser erhält die Möglichkeit, sich zu identifizieren mit der Frau des Gedichts und damit, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Und das ist doch viel! Was sonst vermögen Gedichte?
Grüße vom Jongleur
 

Jongleur

Mitglied
Vogelherz

Muss noch schnell was anfügen, was mir auch gefällt:
Wir haben eine Redewendung, von jemandem, der furchtsam ist und keinen Mut hat, zu sagen: er hat ein Vogelherz. Auch das schwingt mit, wenn der Vogel, dieser vogelherzige, immerhin die Flügel über die Brut breitet - oder übrigens Ablenkmanöver in der Nähe des Nests veranstaltet, um Feinde vom Nest weg zu führen.
Jongleur
 

Vera-Lena

Mitglied
Deine Unterstützung

Lieber Jongleur,

danke, dass Du Dich mit dem Text so ausführlich beschäftigt hast. Deine Verbesserungsvorschläge sind einleuchtend und ich werde sie allesamt umsetzen. Ja, Du hast die Dramaturgie dieses Textes klarer erkannt als ich. Du hast deutlich gesehen, wo die Steigerungen liegen und wie man sie setzen muss. Danke für Deine Hilfe. Ich bin so glücklich, wenn dieser Text verbessert werden kann.

Zu dem Vogel möchte ich Dir auch noch sagen: Ich habe beobachtet, wie Amseln, deren Junge schon geschlüpft waren, von einer Elster angegriffen wurden. Sie haben über Stunden ihr Kind leider ohne Ergebnis verteitigt, und das tote Amselkind blieb dann auf der Wiese liegen, weil nämlich auch die Elster so schwer verwundet wurde, dass sie sich da nicht mehr herangetraut hat. Das Klagen der Amseleltern endete erst am späten Abend, und sie haben dann das Nest mit den übrigen Jungen verlassen. Dieses Bild hatte ich vor Augen, als ich schrieb: der Vogel schützt die junge Brut. Er vermochte sie nicht zu schützen, aber er hat es bei Einsatz seines Lebens probiert.

Noch einmal ganz herzlichen Dank für Deine Unterstützung!!!
Liebe Grüsse Vera-Lena
 

Vera-Lena

Mitglied
Welche Früchte?

Mein Kind sucht seinen Kinderschlaf.
Der Mond steht hinterm Wolkenschaf.
Die Nacht pocht ihren Rhythmus bang.
Der Frieden flieht den Fluss entlang.

Die Türen gibt es nur zum Schein,
ein Sprengsatz kann auch hier herein,
zerreißt den Mann, zerreißt mein Kind.
Mit Gleichmut weht der Wüstenwind.

Der Zufall trägt sein Todeskleid
und wenn er will, ist es so weit.
Der Tag verwischt das Sterbeblut,
taucht es in seine Sonnenglut.

Die Angst lebt nah verwandt dem Schmerz.
Die Hoffnung ist mein Zwillingsherz.
Der Vogel schützt die junge Brut?
Aus welchen Früchten wächst der Mut?
 

Vera-Lena

Mitglied
Hallo Jongleur,

nach so langer Zeit habe ich mich nun doch auf Deinen Vorschlag hin entschlossen, den Gleichmut in diesen Text einzufügen, allerdings jetzt im richtigen Rythmus.

Liebe Grüße von Vera-Lena
 

strolch

Mitglied
also ich würde nichts ändern, denn es passt, es entstehen bilder und ich finde dieses thema, hier sehr gelungen erfasst.
es ist nicht klischeehaft.

lg brigitte
 
T

Thys

Gast
Hi Vera-Lena,

mir gefällts soweit. Hängen bleibe ich immer bei

und wenn er will, ist es so weit.

Die Zeile will mir nicht so recht gefallen.

Gruß

Thys
 

Vera-Lena

Mitglied
Lieber Thys,

"und wenn er will, ist es so weit."

Inhaltlich ist das klar und auch realistisch. Viele Tote gibt es bei Selbstmordanschlägen, die nur deshalb tot sind, weil sie zu einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort waren. Man kann es Zufall nennen, obgleich ich persönlich darüber anderer Meinung bin, aber das spielt hier keine Rolle.

Sprachlich gefällt mir diese Zeile auch nicht so besonders. Das habe auch ich gestern schon gesehen.

Ich ändere das jetzt:

[blue]Der Zufall trägt sein Todeskleid,
bestimmt beliebig eine Zeit.[/blue]

Ich glaube, so ist es besser.

Danke für Deine Antwort und Deine Anregung!

Liebe Grüße von Vera-Lena
 

Vera-Lena

Mitglied
Welche Früchte?

Mein Kind sucht seinen Kinderschlaf.
Der Mond steht hinterm Wolkenschaf.
Die Nacht pocht ihren Rhythmus bang.
Der Frieden flieht den Fluss entlang.

Die Türen gibt es nur zum Schein,
ein Sprengsatz kann auch hier herein,
zerreißt den Mann, zerreißt mein Kind.
Mit Gleichmut weht der Wüstenwind.

Der Zufall trägt sein Todeskleid,
bestimmt beliebig eine Zeit.
Der Tag verwischt das Sterbeblut,
taucht es in seine Sonnenglut.

Die Angst lebt nah verwandt dem Schmerz.
Die Hoffnung ist mein Zwillingsherz.
Der Vogel schützt die junge Brut?
Aus welchen Früchten wächst der Mut?
 
T

Thys

Gast
Vera-Lena,

inhaltlich hatte ich gar nichts zu meckern. Nur die Zeile
gefiel mir nicht sprachlich nicht so richtig.

Gruß

Thys
 

MarenS

Mitglied
Sehr, sehr gut, Vera-Lena!
...und nach dem Feinschliff wüsste ich wirklich nichts zu beanstanden.
Ein schwieriges Thema gut aufgegriffen, flüssig und intensiv verarbeitet.

Grüße von Maren
 

Vera-Lena

Mitglied
Liebe Maren,

danke für Deine Einschätzung dieses Textes in mehreren Punkten. Das ist hilfreich für mich.

Liebe Grüße von Vera-Lena
 



 
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