Kontext ist das A und O. Verkleidet mich und ihr werdet staunen. Ich bin Jahrmarktschreier, Auktionator, Straßenkünstler, Wortverdreher, ein Abgeordneter bin ich, trunken vom vielen Reden. Ich habe Tourette. Mein Mundwerk läßt sich nicht zügeln, obgleich ich meist nur flüstere oder die Lippen bewege, als würde ich laut lesen, mein Adamsapfel springt auf und ab, unter meinen Wangen pocht die Kiefermuskulatur wie ein Miniaturherz, der unterdrückten Stimme entfliehen die Worte tonlos, reine Geister ihrer selbst, leere Hülsen ohne Laut und Atem. In dieser gedämpften Form fließen die Wärter aus dem Füllhorn meines Geistes, um über die Erdoberfläche zu jagen und die Realität zu kitzeln wie Finger die Klaviatur. Streichelnd, lockend. Eine unsichtbare Armee auf Friedensmission, eine friedfertige Horde. Ohne böse Absichten. Sie besänftigen, interpretieren, massieren. An allen Enden glätten sie Mängel, streichen Haare zurecht, ordnen die Dinge, treten den Rasen wieder fest. Zählen und polieren das Silber. Geben älteren Damen einen freundlichen Klaps auf den Po, ernten ein Kichern. Wehe aber - und hier kommt der Haken - alles ist zu perfekt, die Oberfläche zu glatt, alles bereits geordnet, die älteren Damen selbstgefällig, dann rebelliert meine kleine Armee und plündert ihre Läden. Die Wirklichkeit benötigt hier und da einen kleinen Kratzer, der Teppich eine Fluse. Meine Worte beginnen nervös am Garn zu zupfen, suchen nach Angriffsfläche, einem schwachen Punkt, einem verwundbaren Ohr. Dann bricht er los, der Zwang, in der Kirche zu schreien, in der Kinderstation, im überfüllten Kinosaal. Zunächst ist es nur ein Jucken. Unregelmäßig. Aber bald schon schwillt das Jucken an, türmt sich auf wie eine Flutwelle hinter einem berstenen Damm. Noahs Sintflut. Dieses Jucken ist mein Leben. Achtung jetzt. Haltet die Ohren zu. Baut eine Arche.
"Lutsch mich!" schreie ich.
Jonathan Lethem - Motherless Brooklyn