Wem gehört die Nacht

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Morris

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Wem gehört die Nacht

Die Nacht blitzt auf im kühlen Nebel
Tobend zieht ein Gottesbild am Säbel
Genug vom Lustspiels trübem Schein
Zuckt er das Gleiche zum Anderssein

Was ewig war soll nun verbleiben
Und Neues nicht ewig soll vertreiben
Denn eines fehlte dem Götzen hier
Und das wuchs mit Kindheit in Gier

So soll es nun sein und schnellstens verkündet
Dass eine neue Epoche sich zündet
Die Kunde zur Erde hinab soll heißen
Ein Feuer der Freude und einer Entdeckung wird alles Bisherige in treibende Flammen reißen

Sein bester Gelehrter in Ehren verzückt
Auf Reisen mit feuriger Hoffnung geschickt
Der neuen Verfassung Kunde zu tragen
Verschollen sein Antwort verbleibt schon seit Tagen

Der göttliche Hofstaat verweigert im Schrecken
Ein Lichtlein zu viel in Brande zu stecken
Denn oberstes Gut bleibt dort unverletzt
Dass Liebe und Hoffnung fallen zuletzt

Der Folge von vierundvierzig Tagen auf Erden
Folgte ein Plan auf die Suche der Beste zu werden
Doch nicht ein Krieger, ein Wandrer oder ein Engelein
Ein Späher, unsichtbar, müsste es sein

Schnell war er gefunden und reichlich besungen
Der Säbel des Königs am Haupte geschwungen
Und ohne zu zögern mit Seelen er zieht
Der Fuchs soll er sein, so heißt es im Lied

Der Gotteskönig mit Gattin nun warten gespannt
Und selbst am Hofe spricht keine Hand
Belehrt und betroffen scheint die Stimmung zu stehen
Und die üble Zeit will am Rad sich nicht drehen

Nur dem Theatervolke im Himmelreich
Streckt sich die Weile zu einem Teich
Und alle Dämme, entleert schon der Kraft
Der Dichter ein Bühnenbild erschafft

Sie sprechen von Zauber
Sie singen im Chor
Sie jubeln und trauern
Den Helden vors Tor
Sein Klopfen entfacht tausendmal Glück
Doch nur auf der Bühne kehrt er bald zurück

Der zweite Gelehrte nüchtern und weise
Dessen innigster Geist ruht auf Beweisen
Berufen sich fühlt den Herrn zu informieren
Und an den reinen Verstand zu appellieren

Denn trotz der Geistesstärke des Ersten
Und mit dem Geschick des Zweiten
Der Auftrag war einer der schwersten
„Wir müssen nun schließen die Seiten.

Zu lang war die Zeit.
Zu stürmisch die gute Idee schritt in die Tat.“
Einzig was dem Götzen verbleibt
Ist zu folgen dem trockenen Rat

So ließ er verlauten in zahlreichem Wort
Sie seien verloren an jenem Ort
Wo Aug und Geist gelten getrennt
Und Leichtsinn wie Mittagssonne brennt

Er sprach einen Trost auf untröstliche Scherben
Die Nacht ließe er in Tage färben
Wenn sie nur kämen in heimische Mauern
Stattdessen bleibt ihnen nur zu trauern

Die Nacht blitzte auf im kühlen Regen
Als eine Stimme den Wachmann am Tore nannte
Er schrie zurück und zuckte sein Degen
Der Späher war‘s erschöpft an der Kante

Im nächsten Moment brach er zusammen
Gesicht und Kleider in elenden Schrammen
Nieder gesackt entlang der Wand
Mit einem Papierstück in seiner Hand

Zur Mitte der helfenden Meute er lag
Man wusste um seinen letzten Tag
Einer ergriff den Zettel in seiner Hand
Und las dem König was inne stand
Was einzig der Welt in den Tiefen der Erde wohl kam
Und Zeugnis des Lebens dort vernahm

„Wem gehört die Nacht?
Die dunkle, stumme Zeit?
Die dem Auge schlafend macht
Und der Angst den Auftritt breit
Wem ist jenes aufgebracht
Sich tot zu stellen und zu wachen
Über tot gestellte Sachen?
Über Felder, über Wege
Über Kanten, über Ecken
Zwischen Wälder, zwischen Stege
Zwischen Zimmer, zwischen Flecken

Wem gehört die Nacht?
Mit ihren blassen Lichtern
Die sie sich, wie von einem Fuhrmann,
Durch die Wolken ziehen lässt
Die Nacht, die sich nicht zu ändern scheint
Weil sie Schweigen, Ruhe und das Leid
Ohne Augen in sich reiht
Wer kann sehen was sie sagt?
Wer kann wissen wie sie hinkt?
Welche andre Kreatur
Ist zur Zweisamkeit in ihr, auf ihr, um sie und durch sie bedingt?“
 



 
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