Wenn ich zwanzig bin
Im Nachlass meiner Tante fand ich einen alten Schulaufsatz, den sie 1934 geschrieben hatte. Das Thema war: „Wenn ich zwanzig bin.“ Meine Tante war in aller Naivität bei der Wahrheit geblieben. Ihr Aufsatz lautete:
Wenn ich zwanzig bin, dann bin ich schon lange aus der Schule. Ich muß für mein eigenes Leben sorgen. Darum muß ich arbeiten gehen. Weil ich so gerne Locken kämme, werde ich wohl Friseuse werden. Wahrscheinlich werde ich auch schon einen Freund haben. Natürlich kein Halbstarker oder einer, der mal klauen geht. Es soll aber auch kein Millionär sein, sondern einer wie alle anderen. Ich geh dann mit ihm ins Kino oder spazieren. Natürlich schreiben wir uns Briefe. Unsere Eltern dürfen das alles erfahren. Er kommt aber auch mal zu mir. Eines Tages werden wir uns verloben. Dann kauft jeder einen Ring und am Verlobungstag schenkt man dem anderen den Ring. Wenn wir dann verlobt sind, sorgt der Mann für eine Wohnung. Das dauert auch etliche Jahre. Mein Verlobter muß dann immer von der Arbeit aus zum Wohnungsamt gehen. Wenn wir die Wohnung haben, heiraten wir. Es ist natürlich eine weiße Hochzeit. Es werden alle eingeladen, alle, die wir kennen. Wir feiern auch nicht zu Hause, sondern in einem feinen Restaurant. Die Hochzeit ist erst morgens um zwei oder drei Uhr aus. Dann fahren wir gleich in unsere Wohnung. Den ersten Tag schlafen wir noch auf dem Fußboden, aber am nächsten Tag kaufen wir uns ganz neue Möbel. Wenn wir unsere Wohnung eingerichtet haben, laden wir unsere Eltern ein. Aber ich brauche noch gar nicht ans heiraten zu denken, weil ich ja erst zehn Jahre alt bin. Und vielleicht kommt auch alles ganz anders.
Es kam vieles anders. Sie heiratete in den schweren Nachkriegsjahren. Ihr weißes Hochzeitskleid musste sie sich selber nähen. Für die Seide opferte sie den Knirps, den sie als Gratifikation von ihrem Chef erhalten hatte, die Spitze kostete nur zwei Eimer Kirschen aus dem Garten ihrer Mutter.
Der Hochzeitsstrauß bestand aus Schneeball-Blüten aus dem Garten der Schwiegereltern. Statt der weißen Hochzeitskutsche fuhr ein Transportpferdewagen vor und gefeiert wurde in der Zweiraumwohnung der Eltern im engsten Familienkreis.
Sie wohnten noch lange bei den Eltern, bis der junge Mann durch Zufall und weil er einen kannte, der einen kannte, eine annehmbare Wohnung fand.
Die Ehe allerdings hielt 65 Jahre.
Im Nachlass meiner Tante fand ich einen alten Schulaufsatz, den sie 1934 geschrieben hatte. Das Thema war: „Wenn ich zwanzig bin.“ Meine Tante war in aller Naivität bei der Wahrheit geblieben. Ihr Aufsatz lautete:
Wenn ich zwanzig bin, dann bin ich schon lange aus der Schule. Ich muß für mein eigenes Leben sorgen. Darum muß ich arbeiten gehen. Weil ich so gerne Locken kämme, werde ich wohl Friseuse werden. Wahrscheinlich werde ich auch schon einen Freund haben. Natürlich kein Halbstarker oder einer, der mal klauen geht. Es soll aber auch kein Millionär sein, sondern einer wie alle anderen. Ich geh dann mit ihm ins Kino oder spazieren. Natürlich schreiben wir uns Briefe. Unsere Eltern dürfen das alles erfahren. Er kommt aber auch mal zu mir. Eines Tages werden wir uns verloben. Dann kauft jeder einen Ring und am Verlobungstag schenkt man dem anderen den Ring. Wenn wir dann verlobt sind, sorgt der Mann für eine Wohnung. Das dauert auch etliche Jahre. Mein Verlobter muß dann immer von der Arbeit aus zum Wohnungsamt gehen. Wenn wir die Wohnung haben, heiraten wir. Es ist natürlich eine weiße Hochzeit. Es werden alle eingeladen, alle, die wir kennen. Wir feiern auch nicht zu Hause, sondern in einem feinen Restaurant. Die Hochzeit ist erst morgens um zwei oder drei Uhr aus. Dann fahren wir gleich in unsere Wohnung. Den ersten Tag schlafen wir noch auf dem Fußboden, aber am nächsten Tag kaufen wir uns ganz neue Möbel. Wenn wir unsere Wohnung eingerichtet haben, laden wir unsere Eltern ein. Aber ich brauche noch gar nicht ans heiraten zu denken, weil ich ja erst zehn Jahre alt bin. Und vielleicht kommt auch alles ganz anders.
Es kam vieles anders. Sie heiratete in den schweren Nachkriegsjahren. Ihr weißes Hochzeitskleid musste sie sich selber nähen. Für die Seide opferte sie den Knirps, den sie als Gratifikation von ihrem Chef erhalten hatte, die Spitze kostete nur zwei Eimer Kirschen aus dem Garten ihrer Mutter.
Der Hochzeitsstrauß bestand aus Schneeball-Blüten aus dem Garten der Schwiegereltern. Statt der weißen Hochzeitskutsche fuhr ein Transportpferdewagen vor und gefeiert wurde in der Zweiraumwohnung der Eltern im engsten Familienkreis.
Sie wohnten noch lange bei den Eltern, bis der junge Mann durch Zufall und weil er einen kannte, der einen kannte, eine annehmbare Wohnung fand.
Die Ehe allerdings hielt 65 Jahre.