Wer?

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viktor

Mitglied
Wer?

Wer nahm den Vätern ihre Wälder
und deckte ihre Gärten mit Asphalt?
Wer nahm dem eignen Brot die Felder
und wer der Sehnsucht ihren letzten Halt?

Wer schuf den Schmerz in tausend Wunden
und all das Blut, das durch die Zeiten rinnt,
die einsame Verzweiflung all der Stunden,
eh endlich unser letzter Tag beginnt?

Wer gab der Mutter das Vertrauen,
als sie in großer Not das Kind gebar?
Kein Vogel sang im Morgengrauen
und niemand wusste, wo der Vater war.
 

viktor

Mitglied
Wer?

Wer nahm den Vätern ihre Wälder
und deckte ihre Gärten mit Asphalt?
Wer nahm dem eignen Brot die Felder
und wer der Sehnsucht ihren letzten Halt?

Wer schuf den Schmerz in tausend Wunden
und all das Blut, das durch die Zeiten rinnt,
die Einsamkeit der kalten Stunden,
eh endlich unser letzter Tag beginnt?

Wer gab der Mutter das Vertrauen,
als sie in großer Not das Kind gebar?
Kein Vogel sang im Morgengrauen
und niemand wusste, wo der Vater war.
 

Sta.tor

Foren-Redakteur
viktor, in allen Krisenzeiten wurden Kinder geboren, und ich glaube nicht, dass den Müttern im Augenblick der Geburt jemals das Vertrauen in die Zukunft des jeweiligen politischen Systems wichtig war.
Fortpflanzung ist völlig unabhängig vom Zustand der Welt und ich glaube, selbst in der letzten Minute der Menschheit und ohne jede Aussicht auf Rettung wird irgendwo auf diesem Planeten trotzdem noch ein Kind geboren.

Aber vielleicht wolltest Du ja gerade das sagen.

Vg Sta.tor
 
B

bluefin

Gast
wer diesem gedicht mit nichts als gynäkologischer schlaumeierei kommt, zeigt an, wie sehr er sich fürchtet.

gut gemacht, @viktor. wär ich kein walfisch, hätt ich vielleicht einen hut und würd ihn ziehen. so aber kann dir wenigstens sagen, dass die leviathane schon vor langer zeit aufgehört haben, oben bei euch nach einem sinn zu suchen, und wieder ins wasser zurückgekehrt sind.

liebe grüße aus münchen

bluefin
 

Walther

Mitglied
Lieber Viktor,

jetzt, nach der Überarbeitung, ist Dir wieder ein Text gelungen, in der die Sprache billiant den eigentlich traurigen Inhalt überscheint und dadurch erträglich macht. Vier- und fünfhebigen Jamben wechseln sich ab und schaffen so den schwanken Widerfall der Trauer: Die Wut, der Zorn über den Verlust wechseln sich mit dem Sichdreinfinden ab.

In der deutschen Sprache nimmt mit der Zahl der Silben in einem Vers das Getragene eines Textes zu. Dennoch ist die Silbenzahl der Verse nur um eine unterschíedlich, weil die 4- und 5-hebigen Verse sich zugleich weiblich und männlich reimen.

Der Inhalt selbst ist von der Bearbeitung der Vergeblichkeit des Seins durchzogen. Es ist selten so gut gelungen, dies indirekt zu tun, ganz ohne auf die Pauke zu hauen. Das ist schon große Kunst, wenn man das hinbekommt. Es bedarf auch einer gewissen Lebenserfahrung, solche starken Gefühle so gekommt in Bilder zu bringen, die nicht mehr offensiv, sondern fast behutsam das Thema Verlust und Ende darstellen.

Vielen Dank für dieses Lesevergnügen.

Bester Gruß W.
 

viktor

Mitglied
danke für eure beiträge!
stator, du hast recht, es werden immer kinder geboren werden, der fortpflanzungstrieb ist halt - neben dem trieb, das leben als solches zu erhalten - der zweitstärkste trieb, der ja im
plan der natur auch sinnvoll ist. dennoch ist unübersehbar, dass in den zivilisierten ländern immer weniger kinder bewusst gezeugt werden - die menschen haben einfach das vertrauen in einesolidarische, brüder-/schwesterliche gemeinschaft verloren...
bluefin, über den "selbstmord eines wals" habe ich - ebenfalls als metapher - auch vor einiger zeit
ein gedicht geschrieben...
walter, zu dir äußere icgh mich an anderer stelle...
das gedicht meinem vetter gewidmet, der vor ein paar tagen starb. mit ihm hatte ich während meiner kindheit und jugend sehr viel zu tun, sehr viel unbeschwertes, auch oder gerade darum, weil das zertrümmerte köln eine interessante "spielwiese" war.
da nicht nur die väter, sondern auch die mütter geschwister waren, war die verwandtschaft doppelt eng. unsere väter waren beide vom krieg "gezeichnet", mein vater kriegte dann die kurve, seiner jedoch nicht, sodass ich im gegensatz zu ihm relativ abgesichert aufwachsen konnte
- er hatte keinen schutz vom vater bekommen, er hatte diesen schon früh schützen müssen, eine verhängnisvolle überforderung...(und ein hinweis auf die "väter" in dem text...)
sein weg war dann auch viel mühsamer, aber er schafte ihn über etliche umwege und mit einer selbstdisziplin, zu der ich wohl garnicht fähig gewesen wäre - hatte dann auch eine wichtige position in der deutschen kulturlandschaft, zeitungen und funk haben über seinen tod berichtet.
gestern ist er in köln beerdigt worden.
liebe grüße
norbert
 



 
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