Wer war Sal Mineo?

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James Dean ist noch immer jedem ein Begriff – und Sal Mineo ist so gut wie vergessen. Dabei ist Mineos Leben ungleich aufregender verlaufen und er hat uns viel mehr hinterlassen als der andere, jener fast schon vergöttlichte Frühverstorbene. Was die beiden verbindet, ist der Film „ … denn sie wissen nicht, was sie tun“ von 1955. James Dean war Jim Stark und Sal Mineo Plato. Erinnert man sich?

Plato ist für mich die wahre Hauptfigur des Films. Gewiss, Dean verkörpert auf geniale Weise diesen Jim, einen sowohl rebellischen als auch seltsam vernünftigen jungen Mann. Jim leidet mit Größe, vor allem an seiner Familie. Er handelt nur gezwungenermaßen, er reagiert auf eine aus dem Lot geratene Außenwelt. Plato ist viel übler dran, er hat keine Familie und lebt beziehungslos in einer leeren Wohlstandswelt. Er sucht Menschen, an die er sich binden kann. Am Anfang schießt er frustriert auf Hunde und am Ende verzweifelt auf Menschen. In der ersten Hälfte des Filmes wartet er seine Chance ab, ein flinker Beobachter, Begleiter, Antragsteller, ein verfrühter Mephisto auf der Suche nach seinem Faust. Als jedoch die erste Katastrophe sich ereignet hat, das Auto mit Buzz die Klippen hinuntergerast ist, bestimmt er den weiteren Gang der Dinge. Es ist seine verlassene Villa, in die sich die Handlung verlagert. Er realisiert für einige Minuten seinen viel zu schönen Traum von der Ersatzfamilie und fällt anschließend in ein umso tieferes Loch.

Salvatore Mineo jr. war der Sohn eines aus Sizilien eingewanderten Sargtischlers. Geboren 1939, in der Bronx aufwachsend, ist er schon mit acht Mitglied einer Straßengang, mit zehn in einen Raubüberfall verwickelt – und wird zur Bewährung auf eine Schauspielschule geschickt. Mit zwölf steht er zum ersten Mal auf der Bühne, in einem Stück von Tennessee Williams. „ … denn sie wissen nicht, was sie tun“ ist sein dritter Film. Er ist jetzt sechzehn. Mit achtzehn macht er einen kurzen, erfolgreichen Ausflug ins Schlagergeschäft. Er dreht noch viele Filme und handelt sich den Spitznamen „Klappmesserkid“ ein – immer ist er der traurige, zu Gewaltexzessen neigende Problemjugendliche. Dagegen ist der Mensch hinter den Rollen ein lebenslustiger junger Mann, der gern alles mitnimmt. Mit Otto Premingers „Exodus“ gelingt ihm der Rollenwechsel nur scheinbar, für Hollywood bleibt er Plato. Als er dafür allmählich zu alt wird, macht er – aus damaliger Sicht – einen großen Fehler: Anlässlich der Trennung von Jill Haworth lässt er jeden wissen, eigentlich sei er gay. Von nun an bekommt er keine großen Rollen mehr angeboten. Es scheint ihm nicht viel auszumachen, beim Fernsehen verdient er genug zum Leben.

1976 hält sich Sal Mineo in Los Angeles auf. Auf dem Heimweg von einer Theaterprobe wird er Opfer eines Raubüberfalls und verblutet aufgrund eines Messerstichs, der das Herz getroffen hat. Die Polizei ermittelt erst in die falsche Richtung. Dann setzt John Lennon eine hohe Belohung aus und 1979 wird der Täter doch noch gefasst.

Im Januar 2014 wäre Sal Mineo fünfundsiebzig geworden. Schon fünfundsiebzig? Man fasst es nicht. Er wird für immer Plato bleiben. Viele von uns fühlten sich damals in scheinbar intakten Elternhäusern wie Plato: unbehaust, sich nach einer anderen Familie sehnend. Nur dass wir nicht geschossen haben, weder auf Hunde noch auf Menschen.
 
Hallo Arno,

mir gefällt dein Beitrag. Ich meine damit die alternative Sichtweise, an einem Idol wie James Dean „vorbeizuschreiben“, wie mit diesen Sätzen:
Plato ist für mich die wahre Hauptfigur des Films. Gewiss, Dean verkörpert ….
und
Plato ist viel übler dran,…
.
Die Filme und die Schauspieler der 50er Jahre beschäftigen mich nun nicht jeden Tag. Ich habe einmal bei Wikipedia nachgesehen, wer Sal Mineo war und welche Filme er gedreht hat.

Dein Text, verbunden mit dem Artikel aus Wikipedia, hat für mich etwas Interessantes an sich:
du bringst mich auf die Idee, eine Geschichte über Hollywood, einen second line Hero, oder Ähnliches zu überlegen.
Auch die Person des jugendlichen Helden, der aus seiner Klischee-Rolle nur schwer herausfindet, verbunden mit dem Schicksal der schwindenden Popularität eines früher gefeierten Stars, hat erzählerische Reize.

Also, du hast mich mit deinem Beitrag angesprochen und inspiriert.
Danke und liebe Grüße. Rhondaly.
 
Danke, Rhondaly, für deine verständnisvollen und auch noch weiterführenden Äußerungen. Ja, diese Art von Hollywood-Stoff hat es in sich, ist suggestiv. Ihn zu gestalten, würde ich mir persönlich nie zutrauen. Aber du dir vielleicht?

Dafür sammle ich Schicksale von früh und eines unnatürlichen Todes Verstorbenen, an die sich nur noch Wenige erinnern. Z.B. André Noble (1979 - 2004), kanadischer Filmschauspieler, starb am Anfang seiner Karriere an einer versehentlich zugezogenen Eisenhutvergiftung. Oder Kenneth Raisbeck (1899 - 1931), ziemlich erfolgloser US-amerikanischer Dramatiker, dessen Leiche auf dem Friedhof von Westport, Connecticut, aufgefunden wurde, wohl erdrosselt; Mörder nie ermittelt. (Thomas Wolfe hat aus ihm, Raisbeck, die Romanfigur Francis Starwick gemacht.)

Trotzdem einen schönen Abend
Arno
 

DocSchneider

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo Arno, das alles wusste ich nicht über Plato, obwohl ich besagten Film mit James Dean schon etliche Male gesehen habe. Auch dieser wäre heute ein alter Mann und es ist fraglich, ob er noch ein Idol wäre - wer jung stirbt, bleibt eben forever young.

Der Kern Deines gut geschriebenen Textes ist aber für mich die Tatsache, dass Plato das Bekenntnis zur Homosexualität zum Verhängnis wurde. Aktuell in Russland wieder zu beobachten.

Schön, dass Du ihm auf diese Weise ein Denkmal setzt. Und den Film demnächst mit anderen Augen schauen lässt.

LG Doc
 
Danke, Doc, für die freundliche Aufnahme des Textes.

Am Schicksal von Sal Mineo hat mich das bewegt: Er scheint recht gut mit dem Auf und Ab seiner Künstlerexistenz zurechtgekommen zu sein, hat sich nicht auf die eine oder andere Weise selbst ruiniert (man vergleiche nur mal mit Horst Buchholz) - und dann wird er wie ein x-beliebiger Zeitgenosse zufälliges Opfer eines Raubmörders = Tragik, die nichts Persönliches mehr hat. Dieser Tod kommt mir in seiner Absurdität moderner und auf gewisse Weise wahrhaftiger vor als der von Dean - falls es überhaupt statthaft ist, mit dem Tod unterschiedliche Wertigkeiten zu verbinden.

Freundlichen Abendgruß
Arno
 



 
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