Wer war der Dieb ?

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sylvanamaria

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Glaubt es oder nicht

Glaubt es oder nicht!

Ich erzähle euch eine Geschichte, die unglaublich erscheint, aber bedenkt, im Märchenwald der Tiere ist alles möglich.
Auch dass die Tiere sprechen und kleine Mädchen nicht gefressen werden. So stand es geschrieben in den Chroniken desMärchenwaldes und ich habe es mit eigenen Augen gelesen.

"Eilt, eilt ! Ein Unglück ist geschehen. Versammlung. Sofort, sofort !" gellte der Ruf durch den sommerstillen Wald und ließ die beschauliche Ruhe im Nu verschwinden. Die Hasen stellten ihre Mümmelohren zum Lauschen auf, der Dachs schob bedächtig die Schnauze aus dem Bau, die Eichhörnchen wippten aufgeregt mit den Schwänzen, die dösenden Wildschweine grunzten vor sich hin, die nervösen Rehe stellten die Lauscher hoch.
Aufregung und Summen lag in der Luft; der beschauliche Sommertag verwandelte sich unversehens in ein Durcheinander vieler besorgter Waldtiere.
"Was ist los? Was ist passiert? Wer weiß etwas?"
Fragen schwirrten durch die Luft. Und wieder der Ruf. "Hört her, hört her. Versammlung auf der großen Lichtung". Langsam füllte sich der große Platz, herbeigerufen durch die Schreie des Eichelhähers. "Ruhe bitte, Ruhe." Der Rothirsch warf sein gewaltiges Geweih in den Nacken und klopfte mit den Hufen. "Den Wachteln wurden zwei Eier gestohlen. Es ist wichtig, den Dieb zu finden. Bitte - Frau Wachtel." Das kleine scheue braune Geschöpf trat gesenkten Kopfes in die Mitte.
"Ich weiß nicht, wie es passieren konnte. Herr Wachtel war gerade auf Futtersuche und ich war so erschöpft.. und und die Hitze..."Immer leise wurden die Worte. Frau Wachtel schämte sich sehr. Wie konnte man seine Eier verlieren, wenn man darauf saß? Viele Tiere nickten trotzdem verständnisvoll. Jeder kannte die Situation, schon einmal in der Hitze eingedöst zu sein und alles um sich herum vergessen zu haben.
"Wir suchen also einen geschickten Eierdieb, der sich mit Federtieren auskennt. Fuchs, Wiesel und Marder" - die Angesprochenen duckten sich - "scheiden aus, da sonst die Eierschalen noch zu finden wären. Oder?" resümierte der Hirsch mit einem Blick auf die kleinen Raubtiere, die einhellig nickten.
"Nun? Wer hat etwas gesehen? Was war ungewöhnlich?"
Viele schüttelten den Kopf; nur die normalen Waldaktivitäten - Spaziergänger, Pilz- und Beerensucher, Liebespaare, Hundebesitzer – lästig, aber meistens harmlos. Durch die flirrende Hitze hatten viele Tiere schattige Ecken aufgesucht.
"War der Jäger heute hier?" Wieder Kopfschütteln.
"Ja, Frau Maus? " der Hirsch erteilte dem zappeligen Gesellen das Wort. "Ich habe ein Menschenjunges in der Nähe des Nestes gesehen. Es hat mich beinahe zertreten, es er-schien mir so groß. Mehr konnte ich vor Schreck nicht sehen."
"Fuchs, Marder - prüfen" ordnete der Hirsch an. Die beiden Riechnassen trollten sich – froh, der Inquisition zu entrinnen.
"Noch etwas? " Plötzlich knackte das Gebüsch und des Neuankömmlings ansichtig wichen die meisten Tiere ein Stück zurück. Auch im Märchenwald der Tiere flößt der Wolf Respekt ein und gebietet Achtung.
"Guten Tag Wanderer. Hast du Neues zu melden ?"grüßte der Hirsch den Wolf.
"Ich denke schon" erwiderte der Graurücken. "Ich habe ein Menschenjunges auf seinen runden Hilfsbeinen gesehen in Richtung der großen Menschenbehausung am Wald.“
„Wann war das?“
„So um die Tagesmitte, als die Sonne ihre Strahlen senkrecht zur Erde sandte. Ich hatte mir ein schattiges Plätzchen gesucht und sah das Menschenjunge. Sehr leichtfüßig, klein und geschickt. Ein magerer Bissen. Es blieb nicht lange im Wald und es lag etwas auf seinem Rücken. Dieses Etwas, dass Menschen nehmen, um Dinge von einem Ort zu einem anderen zu tragen. Ob es leer war, kann ich nicht sagen.“
." Ich kenne den Ort" warf das Wiesel ein " es gibt dort viele Federtiere und auch viele Eier und dort wohnen zwei Menschenjungen."
Der Hirsch ergriff wieder das Wort. "Fassen wir also zusammen: ein Menschenjunge mit Wissen im Umgang mit Federtieren war in der Nähe - Fuchs und Marder haben die Anwesenheit bestätigt - und es fehlen zwei Eier. Der Fall scheint klar. Wir werden ..."
Die Worte gingen in aufkommender Unruhe unter. "Seid still, leise.."
Plötzlich stand ein Mädchen auf der Lichtung. Es musste Erfahrung im Umgang mit Tieren und Wald haben, denn keines der Tiere hatte es kommen sehen oder hören. Das Mädchen wich etwas zurück, als es der Versammlung mit dem stolzen Hirsch, der zahl-reichen Familie der Wildschweine, dem imposanten Gebiss des Wolfes, den unzähligen Kleintieren und Vögeln sich gegenübersah. Die Tiere konnten seine Worte nicht verstehen, wer sprach schon Menschensprache - das konnten nur sehr wenige und weise Tiere wie die Eule, die später die Worte für die Märchenwald - Chronik aufschrieb- aber seine Tat sprach für sich. Vorsichtig nahm es einen Tornister vom Rücken und inmitten eines kleinen Nestes unter einer Wärmflasche lagen die vermissten Eier
von Frau Wachtel.
„Ich weiß, es war nicht recht. Und all diese Aufregung... Aber Emilie, mein Lieblingszwerghuhn, ist so traurig. Die Nachbarskatze hat ihre Eier gefressen und ich dachte, ich könnte ihr Küken besorgen. Das Nest fiel mir ein und die Größe stimmte
und da dachte ich einfach... Es war nicht recht, denn auch für Emilie ist es nicht dasselbe und die Wachtel wird ihre Küken vermissen. Also...“
Die Tiere gaben den Weg zum Nest frei und vorsichtig bettete das Mädchen die Eier in das ovale Rund.
So leise wie es kam ging es wieder.
 



 
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