Werbung

Raniero

Textablader
Werbung

Der junge aufstrebende Architekt Stankowitz war auf dem Wege nach oben, im wahrsten Sinn des Wortes, allerdings mehr in physischer Hinsicht als in der Verfassung seines Gemütes.
Er befand sich im Aufzug des großen Verwaltungsgebäudes, um seinem Auftraggeber, den Leiter der Abteilung für städtische Planungen, Baudirektor Müller einen Besuch abzustatten.
Seine Aufträge bezog der Architekt ausnahmslos aus diesem Bereich, allerdings überstiegen diese bisher allesamt kaum ein gewisses eher bescheidenes Maß an architektonischem Können, denn außer einigen kleineren bis mittelgroßen Garageneinheiten im Rahmen kommunaler Wohnbebauung hatte er noch nichts Besonderes auf dem Reißbrett vorweisen müssen; die größeren, interessanteren und auch lukrativeren Projekte waren an die Konkurrenz gegangen, an seine Berufskollegen, die sich in der behördlichen Hierarchie weiter nach oben entworfen hatten.

„Hallo, mein Lieber!“ begrüßte der Baudirektor den Architekten, jovial wie stets,
„was kann ich für Sie tun?“
Stankowitz fühlte sich nicht so wohl in seiner Haut und druckste ein wenig verlegen herum; er wusste nicht so recht, wie er anfangen sollte.
„Na, ja, die Sache ist die, Herr Müller, eigentlich bin ich das heißt um genauer zu sein mein Büro nicht groß ausgelastet. Ich resp. wir könnten mehr leisten, um es einmal gerade heraus zu sagen, wenn wir mehr Aufträge hätten.
Nun war es heraus, wenn auch in ziemlich umständlicher Manier.
„Ja, mein lieber Stankowitz, wem sagen Sie das“, entgegnete der Baudirektor, „wir würden auch mehr tun, in dieser Hinsicht, glauben Sie mir, wenn die finanzielle Großwetterlage eine andere wäre. Aber Sie wissen ja selbst, die Mittel sind knapp, heutzutage, vor allem die der öffentlichen Hand, und außerdem, das brauche ich Ihnen ja nicht zu erläutern, können wir die Aufträge natürlich nur im Rahmen von öffentlichen Wettbewerben vergeben; anders geht es nun mal nicht, es handelt sich schließlich um Gelder der Steuerzahler, da sind uns die Hände gebunden“.
„Aber natürlich, Herr Baudirektor, selbstverständlich“, entgegnete Stankowitz schnell, um dem Eindruck entgegenzutreten, als hätte er etwas anderes erwartet, „nicht dass Sie mich missverstehen, alles muss natürlich seine Ordnung haben.“
„Ja, dann sind wir uns ja einig, lieber Herr Stankowitz, „dennoch habe ich das Gefühl, als seien Sie nicht ganz zufrieden mit uns, Ihrem Auftraggeber“.
„Ja, sehen Sie, Herr Müller, wir planen immer nur Garagen, und dabei hätten wir durchaus die Kapazität, etwas Anderes, Größeres auf die Beine zu stellen. Aber bei den Ausschreibungen derartiger Projekte werden wir von vorneherein erst gar nicht in den engeren Bieterkreis einbezogen“.
„Soso, Herr Stankowitz, Sie haben bisher nur Garagen für uns geplant? Woran liegt das denn?“
Baudirektor Müller wurde nachdenklich. „Vielleicht sollten Sie etwas mehr Eigenwerbung betreiben.“
„Jawohl, Herr Müller, daran hatte ich auch schon gedacht, aber zu einer vernünftigen Werbung gehört in erster Linie eine aussagekräftige Referenzliste als Darstellung unseres bisher geleisteten Planungsumfanges, und da kann ich nichts anderes als Garagen anbieten. Ich habe mich sogar mit dem Gedanken getragen, einen größeren Kalender mit graphischen Darstellungen unserer Projekte in Auftrag zu geben, aber, sagen Sie mal ehrlich, Herr Baudirektor, wer hat schon Interesse an einem Kalender mit zwölf Garagen?“
„Da mögen Sie Recht haben, Herr Stankewitz, ein Kalender mit zwölf Garagen, das ist sicher nicht gerade eine effiziente Form der Werbung. Aber, halt, warten Sie mal, mir fällt da etwas ein“ huschte ein Lächeln über das Gesicht des Baudirektors, „lassen Sie das mal mit dem Kalender, ich habe eine bessere Idee. Schicken Sie mir doch bitte einmal Fotographien von Ihren Garagen zu. Dann werden wir weitersehen. Allerdings muss ich Sie bitten, sich ein wenig zu gedulden; ich fahre übermorgen in Urlaub, für drei Wochen, und nach meinem Urlaub vereinbaren wir einen Termin bei mir, und dann sehen wir weiter, in dieser Angelegenheit“.
Stankewitz wünschte seinem Hauptauftraggeber einen schönen Urlaub, und man verabschiedete sich, für einige Wochen.

Nach einer angemessenen Frist fand sich der Architekt wieder im Büro des Baudirektors ein.
„Wie war der Urlaub, Herr Müller?“
„Ach, ja, das Wetter war so lalala, und wissen Sie, ich muss Ihnen gestehen, diese Urlaube sind alle gleich für mich, mehr oder weniger, und man ist direkt froh, wieder am Schreibtisch zu sitzen. Was kann ich für sie tun, mein Bester?“
Der Architekt erinnerte ihn an den Grund ihrer Zusammenkunft.
„Ach so, ja, es fällt mir wieder ein, Herr Stankewitz. Wissen Sie was, jetzt gehen wir erst einmal einen Kaffee trinken, in unserem Casino. Ich lade Sie ein, mein Lieber.“
„Aber nicht doch Herr Direktor, ich lade Sie ein!“
„Nein, lassen Sie mal“, beharrte der Baudirektor eigensinnig, „mein lieber Herr Architekt, Sie trauen mir doch wohl zu, Sie zu einer Tasse Kaffee einzuladen?“
„Aber natürlich, Herr Direktor, ich meinte nur...“

Sie nahmen Platz, im Casino des großen Verwaltungsgebäudes, und der Leiter der Abteilung für städtische Planungen gab persönlich die Bestellung auf, ein Umstand, der beim Bedienungspersonal fast für Aufregung sorgte.
Kaum, dass der Kaffee auf dem Tisch stand, zückte Baudirektor Müller einen druckfrischen Fünfzigeuroschein.

Als der Architekt die Banknote sah, stockte ihm der Atem;
auf der Vorderseite des Geldscheins sah man deutlich das Abbild einer Garagenanlage; Garagen, die er, Eugen Stankowitz entworfen hatte.
 



 
Oben Unten