Wie damals

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moersmaus

Mitglied
Eine Bekannte von mir wurde kürzlich von ihrem Freund verlassen. Sie schrieb in ihrer Mail: “Liebeskummer ändert sich nie. Es ist wie damals, als ich sechzehn war und es tut genauso weh. Und wie damals sind es Freundinnen, die einem beistehen.“
Was ich nicht wusste ist, dass man auch mit Anfang dreißig einen Kuss wie einen ersten richtigen Kuss erleben kann, genauso wie damals...

Zunächst hätte ich jedoch nicht damit gerechnet, dass es überhaupt zu irgendeinem Kuss kommen würde. Ich hätte fast abgewunken und mich davon gemacht, als er aus dem Auto stieg. Wenn da dieses Telefonat nicht gewesen wäre. Ich kann mich nicht daran erinnern, wann ich das letzte Mal so lange mit jemandem telefoniert hatte. Und wir hatten so viele Gemeinsamkeiten.
Ich hatte ja schon damit gerechnet, dass er nicht ganz so niedlich wie auf dem Bild sein würde. Ein bisschen Verlust gibt es immer; aber irgendwie fühlte ich mich plötzlich nicht mehr wohl; nicht, dass er abstoßend war oder so, nur anders als erwartet, als erträumt...

Wir wollten ins Kino gehen, in die Nachmittagsvorstellung. Das Kino war bei unserer Ankunft aber noch geschlossen. Also gingen wir zum Bahnhof, um eine Kleinigkeit zu essen. „Pommes lieber mit Mayo oder mit Ketchup?“ frage ich ihn. „Mit Ketchup!“ Na super, kaum ist er da, fangen die Differenzen an! Ich hatte den Eindruck, dass er seine Pommes nur deshalb mit den Fingern aß, weil ich es tat und er mir imponieren wollte. Zudem fiel mir auf, dass er nicht viel sagte und mich fast gar nicht direkt ansah, oder nur dann, wenn ich weg schaute.
Später kauften wir die Karten, ein Jumbo-Getränk mit zwei Strohhalmen und eine mittlere Tüte Popcorn. Irgendwann saßen wir dann im Kinosaal, der Film fing an und alles war entspannt. Als ich zwischendurch in die Popcorntüte griff, fanden meine Finger zunächst seine Hand. Ich griff daran vorbei und schnappte mir zwei Stückchen. Beim nächsten Mal war er auch wieder in der Tüte und streichelte sanft meine Finger.
Die Berührung war nur sehr kurz, doch sie fuhr mir durch Mark und Bein und endete zwischen meinen Schenkeln. Damit hätte ich nicht gerechnet. Meine Hand ist eine erogene Zone – eine verdammt erogene Zone!
Ich nahm ein Stück Popcorn und steckte es ihm sanft in den Mund und ließ ihn meine Fingerspitzen küssen. Er legte seine Hand auf meinen Oberschenkel. Mir war bewusst, dass wir geradewegs auf einen Kuss zusteuerten, aber ich zögerte ihn noch ein wenig heraus. Ich liebe es, Dinge hinauszuzögern, auf die ich mich freue – wohl wissend, dass Spannung und Vorfreude oft viel schöner sind als die Sache selbst.
Ich legte meine Hand auf seinen Oberschenkel und streichelte langsam hinauf zu seinem Schoß. Voller Erstaunen stellte ich fest, dass hier schon alles bereit war für Größeres. Der Typ hatte mich eben kaum angesehen, fast nichts gesagt und jetzt platzt er gleich. So ist das also!
Langsam näherten sich unsere Gesichter einander an, aber anstatt mich sofort zu küssen, rieb er langsam seine Nase an meiner. Die Erinnerung an eine fast vergessene Liebe ließ mich vertrauensvoll den Kopf zur Seite neigen und es einfach geschehen lassen.
Ich hasse dieses hektische Abgeschlecke, Küsse, die einem Wettbewerb gleichen, bei dem jeder so schnell und gründlich wie möglich den Mundraum des anderen inhalieren muss. Der Gedanke daran breitet sich vor jedem Kuss mit einem unbekannten Küsser schnell und panisch in meinem Körper aus. Unsere Lippen trafen sich jedoch kurz und sanft. Und dann noch mal etwas länger. Er war sehr weich, warm, nicht nass und schmeckte gut. Das vertraute Gefühl vom Nase reiben wurde noch intensiver. Selbst als seine Zunge langsam den Weg zu meiner suchte, blieb die Situation entspannt und gelassen wie zuvor. Für einen kurzen Augenblick breitete sich in mir die schmerzliche Erkenntnis aus, dass ich schon lange nicht mehr so geküsst hatte. Der Spaß an der Sache selbst und nicht der Kuss als Entree oder Gimmick zu Sex – das hatte es seit meinem ersten Kuss nicht mehr gegeben. Ich wünschte, ich könnte dieses Gefühl konservieren und in Flaschen abfüllen. Vielleicht würde ich dann aber zu viel davon nehmen. Vielleicht würde das Besondere verloren gehen.
Vielleicht gelingt es mir jetzt aber auch selbst, dieses Gefühl nicht zu vergessen. Mich nicht noch mal durch die Ereignisse des Lebens von der Erinnerung trennen zu lassen – die Erinnerung an damals, an den ersten Kuss. Und die Erinnerung an den Kuss, der wie der allererste Kuss war.
 
Hallo @moersmaus
(muss im google nachschaun, was moers bedeutet)

Zunächst [blue]hätte[/blue] ich jedoch nicht damit gerechnet, dass es überhaupt zu irgendeinem Kuss kommen würde. Ich [blue]hätte[/blue] fast abgewunken und mich davon gemacht, als er aus dem Auto stieg. Wenn da dieses Telefonat nicht gewesen wäre. Ich kann mich nicht daran erinnern, wann ich das letzte Mal so lange mit jemandem telefoniert [blue]hatte[/blue]. Und wir [blue]hatten[/blue] so viele Gemeinsamkeiten.
Ich [blue]hatte[/blue] ja schon damit gerechnet, dass er nicht ganz so niedlich wie auf dem Bild sein würde. Ein bisschen Verlust gibt es immer; aber irgendwie fühlte ich mich plötzlich nicht mehr wohl; nicht, dass er abstoßend war oder so, nur anders als erwartet, als erträumt...
Du siehst selber, in diesem Absatz kommt das "hatten und hätten"
einfach zu oft vor. Versuche es zu reduzieren, formuliere es zum Teil auf andere Art.

Ich hab das gerne gelesen, du schreibst sehr sicher, aber etwas stört mich und zwar: Der Mann da, der ist und bleibt ein Fremder, kommt dem Leser nicht näher, er wirkt sozusagen gefühlskalt. Du schreibst es eigentlich sehr gut, versuchst gelungen eine romantische Stimmung aufkommen zu lassen, nur es kommt keine Wärme von diesem Mann herrüber, ich spüre jedenfalls nichts.
Die List wäre, dass du dem Mann, im Verlauf der Geschichte, einen Vornamen gibst, das würde ihn gleich um vieles symphatischer machen.

Gruß Gernot
(Einer, der manchmal auch romantisch sein kann)
 

moersmaus

Mitglied
Vielen Dank...

für den netten und hilfreichen Kommentar!

@moers - Es geht nicht um die Stadt oder so sondern um Walter Moers. Ich bin schon lange in verschiedenen Literaturforen die moersmaus. Seltsamerweise hat noch nie jemand an IHN gedacht...
 
@moersmaus
ich lächle, dann sehe ich eben nach, wer Walter Moers ist, danke für den Hinweis, und das ich mich nicht in einer Stadt mit meinen Gedanken verrenne.

gruß gernot
 

moersmaus

Mitglied
Eine Bekannte von mir wurde kürzlich von ihrem Freund verlassen. Sie schrieb in ihrer Mail: “Liebeskummer ändert sich nie. Es ist wie damals, als ich sechzehn war und es tut genauso weh. Und wie damals sind es Freundinnen, die einem beistehen.“
Was ich nicht wusste ist, dass man auch mit Anfang dreißig einen Kuss wie einen ersten richtigen Kuss erleben kann, genauso wie damals...

Zunächst zweifelte ich jedoch daran, dass es überhaupt zu irgendeinem Kuss kommen würde. Ich hätte fast abgewunken und mich davon gemacht, als er aus dem Auto stieg. Wenn da dieses Telefonat nicht gewesen wäre. Ich kann mich nicht daran erinnern, wann ich das letzte Mal so lange mit jemandem telefoniert hatte. Es gab so viele Gemeinsamkeiten.
Er war nicht ganz so niedlich wie auf dem Bild, damit war wohl zu rechnen. Ein bisschen Verlust gibt es immer. Aber irgendwie fühlte ich mich plötzlich nicht mehr wohl; nicht, dass er abstoßend war oder so, nur anders als erwartet, als erträumt...

Wir wollten ins Kino gehen, in die Nachmittagsvorstellung. Das Kino war bei unserer Ankunft aber noch geschlossen. Also gingen wir zum Bahnhof, um eine Kleinigkeit zu essen. „Pommes lieber mit Mayo oder mit Ketchup?“ frage ich ihn. „Mit Ketchup!“ Na super, kaum ist er da, fangen die Differenzen an! Ich hatte den Eindruck, dass er seine Pommes nur deshalb mit den Fingern aß, weil ich es tat und er mir imponieren wollte. Zudem fiel mir auf, dass er nicht viel sagte und mich fast gar nicht direkt ansah, oder nur dann, wenn ich weg schaute.
Später kauften wir die Karten, ein Jumbo-Getränk mit zwei Strohhalmen und eine mittlere Tüte Popcorn. Irgendwann saßen wir dann im Kinosaal, der Film fing an und alles war entspannt. Als ich zwischendurch in die Popcorntüte griff, fanden meine Finger zunächst seine Hand. Ich griff daran vorbei und schnappte mir zwei Stückchen. Beim nächsten Mal war er auch wieder in der Tüte und streichelte sanft meine Finger.
Die Berührung war nur sehr kurz, doch sie fuhr mir durch Mark und Bein und endete zwischen meinen Schenkeln. Damit hätte ich nicht gerechnet. Meine Hand ist eine erogene Zone – eine verdammt erogene Zone!
Ich nahm ein Stück Popcorn und steckte es ihm sanft in den Mund und ließ ihn meine Fingerspitzen küssen. Er legte seine Hand auf meinen Oberschenkel. Mir war bewusst, dass wir geradewegs auf einen Kuss zusteuerten, aber ich zögerte ihn noch ein wenig heraus. Ich liebe es, Dinge hinauszuzögern, auf die ich mich freue – wohl wissend, dass Spannung und Vorfreude oft viel schöner sind als die Sache selbst.
Ich legte meine Hand auf seinen Oberschenkel und streichelte langsam hinauf zu seinem Schoß. Voller Erstaunen stellte ich fest, dass hier schon alles bereit war für Größeres. Der Typ hatte mich eben kaum angesehen, fast nichts gesagt und jetzt platzt er gleich. So ist das also!
Langsam näherten sich unsere Gesichter einander an, aber anstatt mich sofort zu küssen, rieb er langsam seine Nase an meiner. Die Erinnerung an eine fast vergessene Liebe ließ mich vertrauensvoll den Kopf zur Seite neigen und es einfach geschehen lassen.
Ich hasse dieses hektische Abgeschlecke, Küsse, die einem Wettbewerb gleichen, bei dem jeder so schnell und gründlich wie möglich den Mundraum des anderen inhalieren muss. Der Gedanke daran breitet sich vor jedem Kuss mit einem unbekannten Küsser schnell und panisch in meinem Körper aus. Unsere Lippen trafen sich jedoch kurz und sanft. Und dann noch mal etwas länger. Er war sehr weich, warm, nicht nass und schmeckte gut. Das vertraute Gefühl vom Nase reiben wurde noch intensiver. Selbst als seine Zunge langsam den Weg zu meiner suchte, blieb die Situation entspannt und gelassen wie zuvor. Für einen kurzen Augenblick breitete sich in mir die schmerzliche Erkenntnis aus, dass ich schon lange nicht mehr so geküsst hatte. Der Spaß an der Sache selbst und nicht der Kuss als Entree oder Gimmick zu Sex – das hatte es seit meinem ersten Kuss nicht mehr gegeben. Ich wünschte, ich könnte dieses Gefühl konservieren und in Flaschen abfüllen. Vielleicht würde ich dann aber zu viel davon nehmen. Vielleicht würde das Besondere verloren gehen.
Vielleicht gelingt es mir jetzt aber auch selbst, dieses Gefühl nicht zu vergessen. Mich nicht noch mal durch die Ereignisse des Lebens von der Erinnerung trennen zu lassen – die Erinnerung an damals, an den ersten Kuss. Und die Erinnerung an den Kuss, der wie der allererste Kuss war.
 
B

bluefin

Gast
hallo @moersmaus,

schön, dass es dich gibt und dass du zu uns gefunden hast. @gernot hat das meiste ja schon gesagt und du hast es z. t. berücksichtigt.

ich weiß nicht, ob's gut wäre, den typen definitiv zu beschreiben - es genügt in der tat, zu sagen, er wär nicht ganz der, den man sich eigentlich erträumt hat. und im kino ist's eh dunkel - schön, wie du den kuss beschreibst und die berührungen davor: gefühle, nicht bilder.

was mir gar nicht gefällt, ist die billignummer mit den pommes rot-weiß. wer, wie beschrieben, die dreißig schon hinter sich hat, sollte auch die frittenbuden hinter sich haben - jedenfalls beim ersten date. die ketchup-mayo-nummer als qualifikationskriterium macht die sache ein wenig läppisch, find ich. sowas ist bei teenies vielleicht noch wichtig, später aber nicht mehr. wenn, dann sollte man enttäuscht sein, dass man nur pommes kriegt, statt wenigstens eine pizza oder was noch besseres (oder so).

liebe grüße aus münchen

bluefin
 
S

suzah

Gast
hallo moersmaus,

"Er war nicht ganz so niedlich wie auf dem Bild, damit war wohl zu rechnen."

du triffst dich doch nicht mit einem kleinkind, das wort "niedlich" finde ich daher nicht so passend, wenngleich pommes und popcorn darauf schließen lassen, dass der junge mann wohl knapp volljährig ist.

liebe grüße suzah
 
Hallo@suzah

Das Wort "niedlich" hat moersmaus hier sehr überlegt und gut gewählt, denn in diesem Satz macht sie deutlich, wie sie diesem Mann überlegen ist, was für die Entwicklung der Geschichte wichtig ist, so sehe ich das.

Gruß Gernot
 

Josi

Mitglied
Hallo Moersmaus,

oh ja, das würde mir gefallen, wenn mann die Gefühle konservieren und in Flaschen abfüllen könnte.

Ich kenne das auch, dass beim ersten Treffen der Imbiss herhalten muss.
Erst wenn mann weiß, ob...dann geht man auch ins Restaurant.

Deine Geschichte hat mir gut gefallen und ich kam ins Träumen.

Ganz liebe Grüße
von Josi
 



 
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