Wie das Leben so spielt

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Otto Lenk

Foren-Redakteur
Teammitglied
Bei uns hat sich vor einiger Zeit ein Biber eingenistet … besser gesagt ‚eingedammt‘. Er sagt, er käme aus dem nahen Kanada, doch schmecke ihm das Holz dort nicht mehr, in Kanada, drum sei er da. Ich hätte nichts dagegen eigentlich, wäre da nicht eben jenes ‚eigentlich‘, wirft es doch ein ganz anderes Licht auf die Geschichte. Und das scheint so:

Bei uns hat sich vor einiger Zeit ein Biber eingenistet … besser gesagt ‚eingedammt‘. Und dieser Damm läuft quer durch unsere Badewanne, den Flur, in die Küche hinein, um dort im Spülbecken zu enden. Der Biber meint, das alles hätte seine Ordnung, müsse so sein. Aber für uns bleibt dabei natürlich einiges auf der Strecke, auf eben jener Strecke, die jetzt mit Holz gefüllt. Wollte man die Strecke näher benennen, fielen da einem Dinge wie baden, duschen, abwaschen, Haustür öffnen und ähnliches ein. Früge man den Biber, würde er meinen, dafür gäbe es jetzt Holzberge zu besteigen, das Haus aus dem Fenster verlassen und ähnliches. Ich könnte dann einwenden, dass unser Carport jetzt keine Überdachung mehr habe, geschweige denn einen Carport, und ich mittlerweile merkwürdige Geräusche aus dem Dachstuhl vernähme. Er würde mit ‚schau mal im Internet unter ‚Biber und Naturschutz‘ nach‘ kontern und mir etwas von Biberrechten erzählen. Den europäischen Gerichtshof möchte ich in diesem Zusammenhang gar nicht erwähnen. Die Tage sagte ich ihm, dass dies doch keine Zustände seien. Dieses bejahte er. Er wisse, meinte der Biber, von keinem seiner Artgenossen, der unter einem solchen Wassermangel leiden müsse. Meine Entgegnung, dass wir nur noch mit kniehohen Gummistiefeln durchs Haus waten könnten, ließ er nicht gelten. Dies liege nun einmal in der Natur der Dinge, meinte er. Außerdem solle ich nicht vergessen, dass wir durch sein DaSein jetzt immer genügend Anmachholz für unseren Ofen hätten. Ich antwortete ihm, dass der Ofen unter Wasser stünde, worauf er meinte, ich solle nicht so kleinlich seinund die Dinge im größeren Rahmen sehen. Meinen Einwand, dass es im ganzen Haus keinen einzigen Bilderrahmen mehr gäbe, wischte er mit einem Schwanzpatscher beiseite. Wir, meine Familie und ich, sind nervlich ein wenig angegriffen. Auch riechen wir nicht mehr ganz frisch, trotz all dem Wasser im Haus. Ängste machen sich breit, handelt es sich bei unserem Haus doch um ein Fachwerkhaus. Wir vermeiden es, ihm, den Biber, dies, durch unsere Angst, spüren zu lassen. Aber der Junge ist gewieft. Er kann in unseren Augen lesen. Außerdem riecht er Holz auf
1000 Kilometer Entfernung. Vor zwei Tagen erwischte ich ihn dabei, wie er an der Wand roch. Seitdem haben wir Schichtdienst. Einer von der Familie ist immer in des Bibers Nähe. Ablenkung ist angesagt. Immer, wenn der Kerl anfängt, unsere Wände zu beschnuppern, lenken wir ihn mit
einem Stück Anmachholz aus dem Supermarkt ab. ‚Schau mal, was ich hier habe‘! und schwupp, ab in den Bau damit. Ein zweites Familienmitglied wischt. Einer von uns kann sechs Stunden schlafen. Gut, es gibt Konflikte auf der Arbeit, hat die Konzentrationsfähigkeit doch merklich nachgelassen, aber wir bemühen uns. Der Naturschutzbund hat uns Hilfe zugesagt. Unser Haus soll das erste Haus werden, das unter Natur- und Denkmalschutz steht, ob der Einmaligkeit der/des Bewohners. Man sagte uns zu, dass der Wasserstand die 40cm Marke nicht überträfe, man wolle dies mit Einsatz von Pumpen erreichen. Wir müssten uns diesbezüglich keine Sorgen machen. Es gäbe schon Pumpen, die in einem erträglichen Lärmpegel lägen. Auch würde man uns mit Holz versorgen, falls das vor Ort nicht reiche. Natürlich müssten wir in Kauf nehmen, dass eine wöchentliche Kontrolle stattfände. Man müsse sich ja vergewissern, dass es unserem putzigen Mitbewohner gut ginge. Einen Raum im ersten Stock hätte man auch gerne, da ein Mitglied des Naturschutzbundes wohl immer wieder einmal zwecks Forschungsarbeiten für einige Zeit unsere Gastfreundschaft in Anspruch nehmen müsse. Auch wolle man es Schulklassen ermöglichen, einen Biber so nahe erleben zu können. Dies sei doch bestimmt in unserem Sinne, läge uns die Zukunft unserer Kinder doch bestimmt am Herzen, meinte man. Wir sagen nur noch ja. Sind von einem Nicksyndrom befallen. Die Pillen und Therapiestunden helfen dabei und auch bei der Bewältigung unserer Ängste, der Alpträume, die uns bisweilen verfolgen. Auf meine Bitte hin hat unser Therapeut einige Gespräche mit Biber geführt, die zur Folge hatten, dass Biber uns nun täglich einige Zahnstocher auf die Treppe legt. Dies sei sein von Herzen kommendes Zeichen des guten Willens, ein Entgegenkommen seinerseits, obwohl wir ihm, dem Biber, meist mit griesgrämischem Gesicht entgegentreten würden, was einem gutem Auskommen mit uns nicht gerade zuträglich wäre. In diesem Zusammenhang ließ er es sich nicht nehmen, die positiven Schwingungen der Mitarbeiter des Naturschutzbundes und der Schulklassenkinder zu erwähnen und zu loben, die es ihm, dem Biber, erleichterten, in dieser schwierigen Umgebung zu leben. Trotz der Tabletten hegen meine Familie und ich Mordpläne gegenüber dem Biber, den Mitarbeitern des Naturschutzbundes und ja … auch gegenüber den
Schulklassenkindern. Einerseits arbeiten wir an Plänen, die eine Vergiftung der oben erwähnten Kreaturen vorsehen, anderseits erwägen wir ernstlich die Sprengung des Hauses, mit uns drinnen. Wir stellen uns vor, dies in jenem Augenblick zu tun, wenn der naturwissenschaftliche Mitarbeiter des Naturschutzbundes den Schulkindern vom Leben des Biber erzählt, welcher in diesem Augenblick auf seinem Bau sitzt, dämlich lächelt und dabei ist, unsere Zahnstocher zu fertigen. Genau in diesem Moment wollen wir die Bombe zünden. Wir wollen für den Bruchteil einer Sekunde sehen und genießen, wie dem verdutzten Biber der fast fertiggestellte Zahnstocher durch die Wucht der Detonation durchs Maul fliegt und ihn, den Biber, an seinem schönen Hals wieder verlässt. Wir träumen von diesem Augenblick, der ein gewisses ‚UPPSSS‘, bei herausquellenden Augäpfeln, in den Pupillen des Bibers haben wird.
Es ist soweit. Wir haben es durch eine Ablenkungsaktion meines Sohnes geschafft, die Bombe im Bau des idiotischen, von Herzen gehassten und verachteten Bibers zu platzieren. Die Schulklasse ist da, der Volltrottel vom Naturschutzbund bla-blat vor sich hin, und Biber sitzt auf seinem Bau, mit dem Zeichen seines guten Willens im Maul. Der Wecker ist der Zünder. Er wird zur vollen Stunde läuten. Nur noch wenige Augenblicke. Ich blicke wissend und lächelnd in die Augen meiner Lieben. Auch sie lächeln. In diesem Moment klingelt der Wecker, ich werde schweißgebadet wach, warte auf das Geräusch der Explosion…doch nichts passiert.
Nur ein Traum, denke ich, ziehe meine Gummistiefel an, und gehe einem neuen Tag entgegen.
 

Retep

Mitglied
Morgen Otto,

deine Geschichte hat mich sehr amüsiert, mit Humor und Ironie geschrieben.

Zum Text:

Und das scheint so
- anders formulieren ?

das alles [blue]habe[/blue] seine Ordnung
?

die jetzt mit Holz gefüllt [blue]ist[/blue]
da einem Dinge wie [blue]Baden, Duschen, Abwaschen[/blue],Haustür öffnen und [blue]Ähnliches[/blue] ein
das Haus aus dem Fenster [blue]zu[/blue] verlassen und [blue]Ähnliches[/blue].
Wir vermeiden es, ihm, de[blue]m[/blue] Biber, dies ([blue]kein Komma[/blue]) durch unsere Angst, spüren zu lassen.
Nur ein Traum, denke ich, ziehe meine Gummistiefel an, und gehe einem neuen Tag entgegen.
- Der Schluss gefällt mir, wegen der Gummistiefel nehme ich an, dass der Biber tatsächlich da ist, der Traum nur die geplante Explosion ist.

Sehr gerne gelesen und Tränen gelacht!

Gruß

Retep
 
D

Donkys Freund

Gast
Ein hartes Los. Wir hatten mal einen Marder. Fernsehen war tabu und wir kochten nur noch mit Spiritus.

Herrlich skurrile Geschichte, ganz nach meinem Geschmack.
 

Otto Lenk

Foren-Redakteur
Teammitglied
Mein Flieger nach Barcelona geht bald. Werde mich nach meiner Rückkehr 'bestimmt' melden. Versprochen.

Bis dahin Danke, alles Liebe und Adiós.

Otto
 

Ralf Langer

Mitglied
hallo
eine schoene sehr unterhaltsame geschichte ueber menschen und biber
mir gefaellt dein fluessiger stil
und hier vor allem wie sehr es dir gelingt den phamtastischen ansatz als normal hinzunehmen.

es waere eine nette idee diese familie mal bei den bibers einziehen zu lassen
um herauszufinden wie wohl die biber
dann empfaenden

aber das ist wohl eine andere geschichte
lg
ralf
 

MarenS

Mitglied
Da schließe ich mich beherzt Ralfs Kommentar an. Dieser Albtraum, der sich nur als Traum und doch als Realität herausstellt....sehr fein geschrieben!

Es grüßt die Maren
 



 
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