Wie ich an´ s Dichten kam

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hgstamm

Mitglied
Wie ich an´ s Dichten kam

Eigentlich, ähm,
wollte ich, ähm,

nicht dichten.

Wollte
eigentlich in Ruhe denken.
Einen reinen Gedanken,
aufschreiben und verschenken.
Toll!
Da war nix rein.
Kopf war voll
Schranken.
Da lies ich´ s sein.

Eines Tages wollte ein Gedanke heraus.
Sicher war mir dieser neu.
Es war so sicher wie ein Amen.
Er sprach zu mir:„ Nun hör mal her, Klaus...“
(So neu war der! Kannte nicht mal meinen Namen!)
Ich sagte, „Schwamm drüber, ich heiß Hans.
Ich will Dich verstärken.
Komm´ raus!“
„Kann nicht rüber!“, rief er
„Du hast da eine Schranke!
Und Deinen Namen, Klaus,
den kann sich eh´ kein Schwanz merken!“

So beschränkt
war ich zu der Zeit.
Ungesund!
Und,
obwohl gekränkt,
machte ich mich an die Arbeit.

Schranken abbauen
ist wie Wände
einreißen:
Man geht noch mal Scheißen
und spuckt in die Hände,
und macht kaputt,
was einen kaputt macht.

Aber der Schutt,
hab ich mir gedacht,
der muss irgendwo hin.
Normal in einen Container
gebracht,
was wird dann
mit Gedankenschutt gemacht?

„Formal,“ sagte mir mein Trainer,
„schreibt man das irgendwo hin.“
Das macht
irgendwie Sinn.

So kam es dann,
dass dieser Mist
endlich aufgeschrieben ist.
Du liest es, Mann,
und find´ st es fad.
Mich macht es frei,
und Du bist grad
ganz einerlei!

So befreit von meinen Schranken
kann ich denken, was ich mag.
Und so gescheit sind die Gedanken
von Stund´ an nun an jedem Tag.

Was Du hier liest
ist
Mist.
Insofern ist
für mich
meine klägliche Dichtung,
das, was für Dich
Deine tägliche Verrichtung.
 

Tinka

Mitglied
Hallo Hans,

viele kommen auf irgendwelchen Umwegen zum Schreiben - Heinz Erhardt zum Beispiel, weil er - so schrieb er sehr treffend und humorvoll - als Babay angesichts der nassen Windel "dichter" werden wollte.

ER HAT ES GESCHAFFT!!!!

Beim Lesen deines Textes hatte ich einige Schwierigkeiten:

=> Die ständig wechselnde Zeilenlänge (=> so etwas geht auf Kosten des Rhythmus und ich denke einen Solchen sollte auch ein freies Gedicht haben, sonst ist es für mich "in Häppchen geschnittene Prosa".)machten mir das inhaltlich gebundene Lesen schwer.

=> Hin und wieder begegnet man beim Lesen einem Reimwort und fragt sich: Wo kommt das denn so plötzlich her und wo ist sein "Kumpel"? - und dann forscht man rückwärts - verliert den Faden ....

=> auch der Angriff auf den Leser gefiel mir nicht so gut (Publikumsbeschimpfungen hatten wir ... ich erinnere mich noch ... in den 60/70ern).

Was willst du mit deinem Text aussagen? Was willst du beim Leser erreichen? Oder willst du (nur) deinen wie auch immer gearteten Frust (und dir scheint es ja selbst auch an der Überzeugung zu mangeln, dein Text wäre gut "meine klägliche Dichtung") irgendwo abladen?

Dafür wäre aber die Schublade der rechte Ort!

Vielleicht habe ich dich aber auch nur total falsch verstanden - dann: Asche auf mein Haupt!

Gruß Tinka
 

hgstamm

Mitglied
Liebe Tinka,

danke für die Mühe, die Du Dir beim Lesen gemacht hast; und erst recht schönen Dank für die, die Du Dir beim Antworten gegeben hast.

Ich habe die Verslein hier bei Humor und Satire eingestellt, weil ich sie selber gar nicht so ernst meine und sie auch nicht so verstanden wissen will.

Nur weil Worte geschrieben stehen, sich gar manchmal reimen, müssen sie nicht unbedingt vor Sinn und Tiefgang triefen. Das ist eine "deutsche" Krankheit, Bedeutungsschwere und Sinnftiefe überall dort zu erwarten, wo einer etwas hinschreibt. (Manchmal wird auch überall etwas hineingedeutelt.) Quatsch gehört auch in die Abteilung Humor, verlangt aber keine akademische Grundlage.

Außerdem bedeutet, in der ICH-Form zu schreiben nicht zwangsläufig, etwas autobiografisches zu verfassen. Heinz Erhardt in allen Ehren, aber ich denke nicht im Traum daran, in diese Fußstapfen zu treten. (Der hat aber auch vieles nur zum Spaß formuliert, ohne philosophischen Anspruch)

Zu guter (oder lieber schlechter?) Letzt findest Du keine Publikumsbeschimpfung, liebe Tinka. Das weise ich strickt zurück und weit von mir. Der Dichter erklärt hier viel mehr, dass das, was er da schreibt, ohnehin zu Papier kommt. Völlig ohne Gedanken an einen späteren Leser. Geschweige einen Gedanken daran, wie ein Leser das findet. Ähnlich wie bei einem Maler, der sich beim Erschaffen eines Gemäldes auch nicht fragt, ob der spätere Betrachter die Farben schön finden wird. Er handelt aus einem dringenden Bedürfnis heraus, vergleichbar mit anderen menschlichen Bedürfnissen und zieht selbst den Schluss, dass das Ergebnis dieser erleichternden Bedürfnisbefriedigung in letzter Konsquenz des angedachten Vergleichs eine menschliche Ausscheidung ist. Insofern handelt es sich um eine Selbstbeschimpfung. Aber das ist auch schon zu hart ausgedrückt. (Na, jetzt kriegt es aber doch Tiefgang, grins)

Mit den Umbrüchen bin ich auch nicht ganz zufrieden. Ich habe sie schon hundert Mal geändert und es wird nicht besser. Da könnte ich ein paar gute Vorschläge gebrauchen. Wahrscheinlich bin ich betriebsblind. Ich habe den Text nämlich schon oft laut vorgetragen. Der laute Vortrag gelingt mir, egal wo die Umbrüche sind, flüssig und es hat durchaus Rythmus.

Wenn der Text auch nur ein kleines Schmunzeln auslöst, ist das mehr als man erwarten kann. Vorgetragen war´s so. Ob in meiner Schublade einer geschmunzelt hat, kann ich nicht sagen. Ich selbst passe ja schon seit Jahren nicht mehr dor hinein ;-)

Gruß
Hans G. Stamm
 

Tinka

Mitglied
Hallo Hans,

vielen Dank für deine ausführliche Antwort!

Natürlich hat Heinz Erhardt - genau wie auch Wilhelm Busch, Ringelnatz, Morgenstern oder ... - Verse geschrieben, die man eigentlich nur als "Blödsinn" beschreiben könnte, allerdings hatten diese trotzdem Hand und (Vers-)Fuss!

Meine Kritik begründet sich nur auf meine Empfindungen! Mit der "Kunst" ist es immer so ein Ding: Was der Eine für lobenswert und gelungen hält mag dem Anderen überhaupt nicht gefallen und - sorry: in diesem Fall gehöre ich zu den Anderen.

Mach dir nichts draus!

Wenn du magst, schau doch mal in das Buch "Hell und schnell" von Robert Gernhardt und Klaus Cäsar Zehrer (555 komische Gedichte aus 5 Jahrhunderten)- wirklich interessant!!!

Gruß Tinka
 

Udogi-Sela

Mitglied
Hallo, Hans G. Stamm,

ich finde Dein Werk konsequent ausgeführt. Denn der Protagonist, der Dichter, der über sein Schreiben schreibt, stellt ja fest:

„So kam es dann,
dass dieser Mist
endlich aufgeschrieben ist.
Du liest es, Mann,
und find´ st es fad.
Mich macht es frei,
und Du bist grad
ganz einerlei!“

Solche „Gedankensuch“-Gedichte habe ich auch schon geschrieben, wenn mir partout nix einfallen wollte. Die hab ich dann aber meistens vernichtet...

Dieses hier finde ich nicht ohne Reiz, weil die Reimendungen unregelmäßig auftauchen, aber eben doch vorhanden sind. Der Rhythmus holpert gewaltig, aber es heißt ja gleich zu Beginn:

„Eigentlich, ähm,
wollte ich, ähm,

nicht dichten.“

Eigentlich. Aber dann hat er’s doch gemacht. Na ja, und was dabei rauskommt, das sieht man ja hier.

Bemerkenswert finde ich die Erwähnung eine „Trainers“. Wo kommt der auf einmal her?



So wie nachfolgend geschrieben reimt es sich größtenteils, aber der Rhythmus...:

Wie ich an´ s Dichten kam

Eigentlich,
ähm,
wollte ich,
ähm,
nicht dichten.

Wollte eigentlich in Ruhe denken.
Einen reinen Gedanken aufschreiben und verschenken.
Toll!
Da war nix rein.
Kopf war voll
Schranken. Da ließ ich’s sein.

Eines Tages wollte ein Gedanke heraus.
Sicher war mir dieser neu.
Es war so sicher wie ein Amen.
Er sprach zu mir:„ Nun hör mal her, Klaus...“
(So neu war der! Kannte nicht mal meinen Namen!)
Ich sagte, „Schwamm drüber,
ich heiß Hans. Ich will Dich verstärken.
Komm´ raus!“
„Kann nicht rüber!“,
rief er, „Du hast da eine Schranke!
Und Deinen Namen, Klaus,
den kann sich eh´ kein Schwanz merken!“

So beschränkt
war ich zu der Zeit. Ungesund!
Und,
obwohl gekränkt,
machte ich mich an die Arbeit.

Schranken abbauen ist wie Wände
einreißen:
Man geht noch mal Scheißen
und spuckt in die Hände,
und macht kaputt,
was einen kaputt
macht.

Aber der Schutt,
hab ich mir gedacht,
der muss irgendwo hin.
Normal in einen Container gebracht,
was wird dann mit Gedankenschutt gemacht?

„Formal,“ sagte mir mein Trainer,
„schreibt man das irgendwo hin.“
Das macht irgendwie Sinn.

So kam es dann,
dass dieser Mist
endlich aufgeschrieben ist.
Du liest es, Mann,
und find´ st es fad.
Mich macht es frei,
und Du bist grad
ganz einerlei!

So befreit von meinen Schranken
kann ich denken, was ich mag.
Und so gescheit sind die Gedanken
von Stund´ an nun an jedem Tag.

Was Du hier liest
ist
Mist.
Insofern ist für mich meine klägliche Dichtung,
das, was für Dich Deine tägliche Verrichtung.




Ich habe mal ein bisschen an dem Werk herumgeschraubt, aber zufrieden bin ich auch nicht:

Wie ich an´ s Dichten kam

Eigentlich wollte ich,
ähm, ja gar nicht dichten.

Wollt’ eigentlich in Ruhe denken.
Gedanken schreiben und verschenken. –
Toller Gedanke! Da war nix rein.
Im Kopf ’ne Schranke. Da ließ ich’s sein.

Einst wollt’ ein Gedanke heraus.
Sicher war mir dieser neu.
Es war so sicher wie ein Amen.
Der sprach zu mir: „ Nun hör mal, Klaus...“
Der kannte nicht mal meinen Namen!
„Schwamm darüber! Ich heiß Hans.
Ich will Dich gleich verstärken.
Also trau’ Dich und komm´ raus!“
„Kann nicht rüber!“, rief er, „Danke!
Du hast ja da noch eine Schranke!“
Und Deinen Namen, lieber Klaus,
den kann kein Schwanz sich merken!“

Zu der Zeit war ich so beschränkt.
Ungesund! Und, obwohl gekränkt,
machte ich mich an die Arbeit.

Schranken abbauen ist wie Wände einreißen:
Da geht man erst noch einmal Scheißen,
spuckt in die Hände, macht kaputt,
was einen kaputt macht.

Aber der Schutt, hab ich mir gedacht,
der muss doch irgendwo hin.
Normal in einen Container gebracht;
was wird mit Gedankenschutt gemacht?

„Formal,“ sagte mir mein Trainer,
„schreibt man das irgendwo hin.“
Das macht irgendwie Sinn.

So kam es dann, dass dieser Mist
endlich aufgeschrieben ist.
Du liest es, Mann, und find’st es fad.
Mich macht es frei. – DU bist mir grad
ganz einerlei!

So befreit von meinen Schranken
kann ich denken, was ich mag.
Und so gescheit sind die Gedanken
von Stund´ an nun an jedem Tag.

Was Du hier liest ist Mist.
Insofern ist für mich meine klägliche Dichtung,
das, was für Dich Deine tägliche Verrichtung.



Man muss jedenfalls nicht extra erwähnen, (hier tu' ich's doch) dass wir im Humor-Forum sind.


Herzlichst
Udo
 

hgstamm

Mitglied
Re: Hallo, Hans G. Stamm,

Hallo Udo,
vielen Dank. Das war sehr konstruktiv. Du bist ganz schön routiniert.

Die Umbrüche, die Du vorschlägst werde ich fast alle übernehmen. Manche Reime hört man nur im Vortrag. So werden die "ähms" eigentlich "emms" gesprochen und reimen sich zusammen mit dem "ich" und "nicht" auf "dichten". Das geht mir ganz häufig so (zum Beispiel in "Nachtwache"), dass erst durch meine Ausspache der Reim oder Rythmus stimmt. (Wenn Du Dir den Singsang, des gesprochenen rheinischen Wortes dazu vorstellst, wird es, glaube ich, klar.)

"Hör mal her, Klaus" brauchte ich für das "heraus" davor und stellte mich vor die Frage, wie ich diesen Namen nun erkläre. Das ist mir mit dem Trainer nicht gelungen, weiss ich. Nachdem ich mich vom Container aber nicht mehr trennen wollte (das ist so ein "Spiel" von mir: Was steht, steht. Ausradieren ist feige.), habe ich gedacht, der fällt nicht weiter auf, weil ja fast jeder heute einen Coach, Trainer oder Mentor hat.

Und da bin ich ganz schnell in meiner rheinischen "Mentallitäät" und beschließe: "Dat lasse mer esu."

Aber jetzt hast Du mir ein paar prima Ansätze geliefert und ich geh´ da nochmal ran.

Danke

Hans G. Stamm


Ist alles nur Spaß.
 



 
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