Hallo Bernd,
da es mir vorrangig darum geht zu lernen, frage ich mich natürlich zuerst, was Deine Zeilen hier hergeben. Und das ist eine ganze Menge! Einmal, man kann nicht genug aufpassen, daß einem nichts verschütt geht. Ich werde also mein kleines o nicht aus den Augen lassen. Vor allem, da es – um Dir zu folgen – gewissermaßen der Inbegriff aller Dichtkunst bzw. der Urvater oder die Urmutter aller Poesie zu sein scheint. Der Gedanke, daß nichts so klein ist, daß es nicht noch kleiner sein könnte, spielt da nur eine untergeordnete Rolle. Insbesondere, weil Dein Pünktchen als „lebender“ Beweis dafür sich verdrückt hat oder verdrückt wurde. Schade, denn die Diskussion der beiden (Pünktchen, kleines o) hätte vielleicht zur Urkürze geführt. Das hätte bedeutet, jeder wäre zum Beispiel ein Goethe, ohne sein eigenes Ich aufzugeben. Eine phänomenale Vorstellung, allerdings erkauft mit dem Nachteil fehlender Kritikressourcen. Ausgeglichen werden könnte das aber im Gegenbereich, der Gedichtlänge. Hier scheint noch alles im Fluß zu sein, denn Du bist am hoffenden Suchen (oder suchenden Hoffen) und ich noch am Schreiben. Käme man zum Beispiel auf maximal etwa ein Gedicht pro Person und Generation, so würde, wie ich meine, vielen etwas erspart bleiben.
Du siehst also, es gibt noch genug Möglichkeiten, in die Annalen der Literaturgeschichte einzugehen. Bleibend und nicht nur in einem Jahresband. Vielleicht empfiehlt es sich dabei, von Zeit zu Zeit unsere Rollen mal zu tauschen: das heißt, Du schreibst, und ich verlege bzw. suche etwas. Literarisches Job-Rotation mit noch ungeahnten Chancen! Trotzdem werde ich ganz konventionell mein kleines o nicht aus den Augen lassen! Ach so, ehe ich es vergesse: Zu Beginn meines dritten Satzes solltest Du das „Einmal“ streichen, denn auf den nächsten „ausgeworfenen“ Punkt wartet man vergeblich, danke!
Mit Gruß
ibini