Wie man erotische Literatur schreibt

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»Sie trifft ihn. Fick.«
Das mag zwar die kürzeste erotische Geschichte aller Zeiten sein, aber nicht jeder mag sie als Bestsellergeschichte anerkennen wollen.

Zieht man die jüngsten James Bond Filme als Maßstab heran, dann scheint genau das Gegenteil angesagt zu sein. Betrug die Zeitspanne in den Filmen des britischen Geheimdienstagenten zwischen 1960 und 1980 noch 5 Filmminuten, als er der verführerischen Widersacherin oder der naiven Bondgespielin zum ersten Mal begegnete, bis sie gemeinsam im Bett, Schlafwagencoupé oder sonstigen zweckdienlichen Örtlichkeiten dem Austausch von Körperflüssigkeiten frönten, so ist diese Zeitspanne in den letzten paar Jahren auf dramatische 30 Sekunden gesunken. Lästige Bond-Fans behaupten allerdings nach wie vor hartnäckig, dass die Hauptgeschichte dieser Filme ein völlig anderer ist. Papperlappap!

Bis sie, werter Leser, zu diesen Zeilen gekommen sind, hat der moderne James Bond im Durchschnitt bereits zwei Gespielinnen vergenußzwergelt und 5 Bösewichtern den Garaus gemacht. Wir schweifen hier aber bereits zu tief ab und lassen das als Anekdote am Rand stehen.

In der Kunst des Verfassens erotischer Literatur, und damit wieder auf das eigentliche Thema zurückkommend, konnte ich anhand umfassender, einhändiger Untersuchungen folgende Bestandteile herauskristallisieren, die dem Erfolg unabdingbar sind.

Zuerst mal gebe man dem weiblichen Protagonisten einen exotisch klingenden Namen, der die richtige Mischung aus Zischlauten und harten Konsonanten hat, oder aber hauchzarte Tönungen auf den A’s und E’s erlaubt. Gute Beispiele sind Juliette (sprich: Schüliätt) oder Annabelle (das letzte e wird nicht ausgesprochen, dafür aber das erste e desto inbrünstiger gehaucht). Wer’s noch ferner liebt, dem seien Ramona, Scheherazade oder Miau Miau ans Herz gelegt.

Vollständig abgeraten wird von deutsch und hart klingenden Namen. Wie ich an mir empirisch nachweisen und ermessen konnte, gilt beispielsweise »Friederike« als brutaler Schlächter unter den Lustkillern, mit 2 Sekunden von 27,5cm auf schlaff. Nicht einmal die Engel können dann darauf mehr tanzen, geschweige denn flöten.

Als nächstes widme man sich den physischen Eigenschaften der Heldin. Äußerste Sorgfalt ist vonnöten, sowohl was die körperlichen Merkmale, als auch die Kleidung betrifft. Idealerweise entspricht das Aussehen unserer Jungfrau dem eines Models mit langen Beinen, knackigem Arsch und formschön-üppigen Milchbehältern. Die Haarfarbe ist, entgegen landläufiger Vorurteile, egal, sofern sie blond ist. Heutzutage ist sowieso alles gefärbt.

Ich brauche nicht gesondert zu erwähnen, dass die Haut der Heldin zart sein muss und entweder sanft braungebrannte oder sonstige schokoladige Tönungen vorweist. Für die ganz perversen Leser punkte man das Gesicht und andere geeignete Körperstellen mit Sommersprossen zu. Man kann sie aber auch weglassen und zum Beispiel dem zusehenden Goldfisch aufdichten.

In ihrem luftigen und halbdurchsichtigen Sommerkleidchen, das auch durchaus zu kurz sein darf und am besten träumerische Einblicke an herzensnahen Stellen bietet, ist die naiv-jungfräuliche Nymphomanin in jedes Ambiente zu versetzen, sei es an einen Sandstrand, in die Antarktis oder zur Zollkontrolle. Dem Leser wird nicht weiter auffallen, dass die sich um die nackten schlanken Waden windenden hochhackigen Fesselsandalen nicht unbedingt für jeden herangezogenen Schauplatz geeignet sind. Von solchen Kinkerlitzchen lasse man sich aber nicht aus dem Konzept bringen.

Der Zeitpunkt ist gekommen, um sich in Detailbeschreibungen zu ergehen und zu vertiefen. Seien es die beliebten Brustwarzen, die sich unter dem luftigen Sommerkleidchen abzeichnen, die gekräuselten Nackenhaare, die sich bei jedem schmutzigen Gedanken oder gespielter Empörung aufstellen, oder die feucht glänzenden Lippen. Spielen sie mit der Phantasie der Leser, und lassen sie unklar, welche sie meinen.

Spätestens jetzt sollte ein weiteres Element unserer Geschichte zugefügt werden, nämlich ein zweiter Protagonist. Zumeist ist dieser weiblich oder männlich. Ist ersteres der Fall, gehe man wie zuvor beschrieben vor. Empfehlenswert ist, ein bisschen Kontrast reinzumischen und abweichende physische Eigenschaften der zweiten Protagonistin einzubauen. Also enge Stiefeletten, seidige Spitzenunterwäsche oder ein kunstgerecht angebrachtes Haarmascherl.

Handelt es sich beim zweiten Protagonisten um einen Mann, genügen wenige Erwähnungen, wie breiter Brustkorb, starke Arme und kantig rauhes Gesicht. Geschlechtsorganmässig ist nichts anderes als Gardemaß angesagt. Damit ist man mit dieser Milieubeschreibung auch schon wieder fertig.

Jetzt kommt die vorbereitende Handlung. Die Protagonisten müssen in einen Dialog treten. Dieser kann mit oder ohne Worte sein. Intellektuell veranlagte Schreiber neigen dabei oft zu Fehleinschätzungen, was den richtigen Übergang von einer Dialogszene zur Handlung betrifft. Hier ein abschreckendes Beispiel:

Sie: „Meiner Meinung nach ist der Kant’sche Imperativ nur dann für den Weltfrieden und die Vermehrung der Pinguine relevant, wenn das Plato’sche Höhlengleichnis nicht die Quadratwurzel aus Pi übersteigt.
Er: „Mann, deine Titten sind echt groß!

Ein furchtbar aufgeblasener Stil, nicht wahr?

Das vorbereitende Geplänkel halte man möglichst kurz, den Leser interessieren emotionale Probleme oder geistige Größe der Protagonisten nur peripher, also eigentlich so was von gar nicht. Damit kommen wir auch schon ungebremst zum eigentlichen Zweck einer erotischen Geschichte: einem guten, harten Fick.

Es folgen nun in loser Aufzählung die Bausteine dazu.

Eröffnung: erregte Warzen, verklebte Haare, sich suchende Zungen
Handlung: er begrapscht ihre Möpse, sie betatscht seinen Schwanz, beide lutschen sich gegenseitig auf Zehenspitzen stehend ab und reißen sich die Kleider in Fetzen vom Leib
Dramaturgischer Höhepunkt: gleichzeitiger, multipler Orgasmus, Sperma spritzt herum, der Schauplatz wird völlig versaut
Abgesang: postkoitale Zigarette oder andere Räucherstäbchen aufstellen (je nach politischer Einstellung), Pizzareste aus Kühlschrank essen, Aktienkurs übers Handy abrufen

Ein Leser sollte bereits zur Eröffnung nur mehr mit einer Hand lesen. Kommt er gar nicht mehr bis zum Ende, dann ist die Geschichte gelungen. Deshalb ist es wichtig, den Autorennamen an den Anfang der Erzählung zu setzen. Und auch dieser sei der Literaturgattung angepasst. Fritz Müller oder Hilde Maier schreiben im besten Fall Kreuzworträtsel, aber beispielsweise Chantalle Intime oder Mario Lucci – welch Assoziationen lassen sich damit erwecken?

Es muss aber nicht immer ein fremdländischer Name aus den romanischen Ländern sein, um die Leserschaft auf Autoren erotischer Romane aufmerksam zu machen. Ein »Marius Speermann« tut’s auch…
 

Inu

Mitglied
Hallo Marius Speermann

Nette Unterhaltungslektüre. Hab ich gern gelesen. Eine klitzekleine Zwergberichtigung:

Der Zeitpunkt ist gekommen, um sich in Detailbeschreibungen zu ergehen und zu vertiefen. Seien es die beliebten Brustwarzen, die sich unter dem luftigen Sommerkleidchen abzeichnen, [strike]den [/strike][blue]die[/blue] gekräuselten Nackenhaare[strike]n[/strike], die sich bei jedem schmutzigen Gedanken oder gespielter Empörung aufstellen, oder die feucht glänzenden Lippen

Bis sie, werter Leser, zu diesen Zeilen gekommen sind, hat der moderne James Bond im Durchschnitt bereits zwei Gespielinnen [Blue]vergenußzwergelt[/Blue] und 5 Bösewichtern den Garaus gemacht
Auf das Wort kann doch nur a Wianer kommen.


Ich grüß Dich
Inu
 
H

Henry Lehmann

Gast
Marion,

mit dieser grandiosen Anleitung könntest Du ja noch mal Dein Glück versuchen! Nicht wahr?

Danke Marius, dieser Text war mal überfällig! Kennst Du eigentlich Austin Powers? Der muss meiner Meinung nach in diesem Text unbedingt noch erwähnt werden, alleine wegen der Frauennamen: Felicity Schickfick, Annette Halbestunde usw.

LG Henry
 

flammarion

Foren-Redakteur
Teammitglied
grandiose anleitung?

da hat einer von uns beiden was nicht richtig verstanden, henri. üprinx würde ich sehr gerne lesen, was du aus meinem avon läutet gemacht hast.
lg
 

pch

Mitglied
Hi,

Schoener Text, ja.

Fessel[red]sandeln[/red], auch ein Wiener Ausdruck?
Einer fuer ganz, ganz knappe Sandalen vieleicht?

Liebe Gruesse
Chris (sich jetzt ans Schreiben von erotischen Geschichten machend)
 

flammarion

Foren-Redakteur
Teammitglied
nee,

das sind die jesuslatschen. npaar lederstücke, die man mit langen bändern, welche man sich recht kunstvoll um die waden wickelt, am bein befestigt.
lg
 



 
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