Wie trage ich richtig vor?

pleistoneun

Mitglied
Den philosophischen Vortrag startet man am besten ganz vorne in der ersten Reihe - direkt am Rednerpult. Mit blankpolierten Hornbrillen und einem Stapel ungeordneter Unterlagen entführt der Vortragende die Zuhörerschaft im zweiten Gang durch den Hauptteil, beschleunigt im dritten, vierten, fünften Gang auf Erzähltempo, verlangsamt im Bereich des höchsten Spannungsgrades des Vortrags die Sprechgeschwindigkeit auf gutes Verständigungsniveau und kommt dabei beinahe zum Erliegen. Wurde das Thema vom Zuhörer erfasst, kuppelt man aus und lässt den Vortrag langsam ausrollen.
Die anschließende sachliche Diskussion ist die Phase, in der der Erzähler der bevorstehenden Kritik des Publikums mit kaschiertem Unwissen entgegentritt und sich durch gepflegtes Fachvokabular in unerreichbare Höhen emporphilosophiert. Dieser Prozess löst im Publikum Unsicherheit und damit schutzlose Ausgeliefertheit aus. Dort angekommen geht der Vortragende programmgemäß zur Überheblichkeit und Geringschätzigkeit über, die das Publikum noch tiefer in ihren Grundfesten erschüttern wird. Zurück bleibt dann nur das Gefühl der Machtlosigkeit gegenüber dem grandiosen Redner, der es mal wieder geschafft hat, mit sugorratem Wortgeplänkel die geistigen Lücken der Zuhörer auszustopfen. Sie fallen den gewundenen Worten des großen Bühnen-Zampano anheim, so wie es die gleichnamige niederländische Brücke im zweiten Weltkrieg ebenfalls beinahe getan hat.
 



 
Oben Unten