Willi und die vier Staubsauger

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Mignon

Mitglied
Hallo. Ich heiße Mignon, bin 12 Jahre und das ist meine zweite Geschichte in diesem Forum:


Willi und die vier Staubsauger

Willi saß am Tisch und aß Käsebrot. Traurig blickte er dabei aus dem Fenster. Er hatte sich mit seiner Mutter gestritten.

Da unten, in dem gelben Haus, wohnte sie. Früher hatte sie ihn fast jeden Tag besucht. Jetzt hatte er sie schon seit zwei Wochen nicht mehr gesehen.

Er war bedrückt und fühlte sich einsam.

Plötzlich klingelte es an der Tür. Willi sprang auf. Seine Mutter? Er flitzte zur Haustür und öffnete. Aber vor ihm stand nicht seine Mutter, sondern ein ca. 30 Jahre alter Mann.

Willi musterte den Mann. Er war sehr einfach gekleidet und sah ein bisschen müde aus.

„Hallo, Herr Ruffel“, sagte der Mann, „ich bin der Staubsaugerverkäufer“. Er trat ein. „Ich verkaufe Staubsauger“. Das konnte Willi sich nun selbst denken. Trotzdem antwortete er nichts und schloss nur langsam und leise die Tür. Als er sich umdrehte, war seine Mütze vom Haken heruntergefallen. Er stöhnte, bückte sich und hob sie auf. „Ich brauche aber keinen Staubsauger“, sagte er. Der Verkäufer wehrte ab:„Ich bin schon so viel herumgerannt, ich wollte Ihnen eigentlich nichts verkaufen, sondern nur um ein Glas Wasser bitten. Könnte ich nur mal schnell etwas zu Trinken haben? Ich bin ganz erledigt.“

„Kommen Sie in die Küche und setzen Sie sich“, sagte Willi bedrückt. Er seufzte bekümmert, während er Wasser eingoss. Der Verkäufer sah Willi seltsam an, doch Willi merkte es nicht. Er dachte an seine Mutter. Allerhand Gedanken schossen ihm durch den Kopf. Sonst hatten sie sich doch fast nie gestritten. Gerne würde er sich wieder vertragen, aber er wagte nicht, einfach seine Mutter anzurufen und um Entschuldigung zu bitten. „Ja?“, fragte der Verkäufer auf einmal. Willi zuckte zusammen. Der Verkäufer fuhr fort: „Was ist?“ - „Ach!“, seufzte Willi ein zweites Mal. „Ich habe mich mit meiner Mutter gestritten. Ich würde mich gerne vertragen, aber...“ , er setzte eine Pause ein, „ich weiß bloß nicht wie...“ - „Hm, tja...“, überlegte der Staubsaugerverkäufer interessiert.

„Sie könnten doch einen Staubsauger kaufen. Ja, genau“, er sprang auf, „als Versöhnungsgeschenk. Oder noch besser...“ Willi blickte ihn an. Was sollte das denn jetzt?
Der Verkäufer schnipste mit den Fingern. „... Sie kaufen zwei Staubsauger!“

Willi war erstaunt und fragte: „Warum das denn?“ - „Na weil...“, anscheinend fehlten dem Mann die Worte, „na einen für Sie, und einen als Versöhnungsgeschenk.“ Willi konnte es nicht fassen. Das war genial, sein eigener Staubsauger war wirklich nicht besonders gut. Und seine Mutter könnte sicher auch mal einen gebrauchen. Da war ihm die Versöhnung sicher.

„Aber natürlich!“, rief Willi und sprang auch vom Stuhl. „Das ist fantastisch, eine Superidee! Mein alter Staubsauger ist sowieso nicht mehr ganz!“ Der Verkäufer nickte. Dann holte er einen Katalog aus seiner Tasche, und hielt ihn Willi vor die Nase. Darin waren lauter Staubsauger abgebildet. Willi sah sich das Heftchen gleich ganz genau an. Der Verkäufer beriet ihn: „ Vielleicht wäre der hier nicht schlecht, ist zwar ein bisschen teuer, aber dafür saugt er wie ein Vampir. Oder der hier“, er zeigte auf einen kleinen schwarzen, „der ist so klein, aber mit besten Funktionen ausgestattet.“ Willi musterte die Staubsauger haargenau.

„Den nehme ich. Den kleinen schwarzen, der sieht tauglich aus“ , entschied er sich. „Und für meine Mutter den weißen hier.“ Dann fing er an wie ein Wasserfall zu erzählen: „Den kann sie sehr gut gebrauchen, sie hat sonst immer nur einen Putzlappen, und Sie wissen ja, Staubsauger sind natürlich einfacher, was das Putzen angeht. Man muss sich nicht bücken, und kann so lockerer sein Zimmer entstauben. Tausend Sachen kauft sich meine Mutter, aber Staubsauger! Nein, die hat sie sich noch nie gekauft! Aber das hätte sie gebrauchen können. Immer nur Süßigkeiten wie Schokolade oder Plätzchen oder sonst welches sinnloses Zeug. Aber was brauchbares wie Staubsauger! Oh nein! Meine Mutter hat sehr viel Staub und Spinnenweben in ihrem Haus, dafür ist ihr Garten blitzblank sauber. Na ja, man kann sich nur um eine Sache kümmern. Sie ist sehr nett...“

„Wo wohnt sie denn?“, fragte auf einmal der Verkäufer. Willi antwortete: „Da, in dem gelben Haus mit den vielen Blumen im Vorgarten.“ Der Verkäufer nickte wieder und steckte den Katalog ein. Er trank seinen letzten Schluck aus dem Glas, bedankte sich und ging wieder.

Am nächsten Morgen stand Willi schon früh auf. Er aß ein Käsebrot mit einer Tasse warmen Kakao, und fing dabei an seine ersten Pläne für den Tag zu machen. Heute würde er zu seiner Mutter gehen und ihr das Versöhnungsgeschenk bringen. Er war schon ganz aufgeregt. Kurz darauf probierte er seinen eigenen neuen Staubsauger aus, der funktionierte tatsächlich einwandfrei.

Später, um zwei Uhr, war es endlich so weit. Willi wollte unbedingt zu seiner Mutter. Er zog seine Jacke an - denn es war sehr kühl draußen und ein kalter Wind wehte - und wollte nach seiner Mütze greifen. Doch die lag natürlich auf dem Boden. Er hob sie wieder mal auf und setzte sie auf seinen Kopf, in dem Augenblick klingelte es an der Tür. Willi zuckte zusammen, aber er öffnete blitzartig.

Seine Mutter!

Willi konnte es gar nicht fassen, seine Mutter stand vor ihm, und er wollte gerade losgehen.

Es war zum Heulen. „Mami“, winselte er glücklich, „ich freue mich ja so. Ich wollte auch gerade gehen. Schau, ich habe die Mütze schon auf.“ Seine Mutter umarmte ihren Sohn und war ebenfalls überglücklich. Anschließend sagte sie: „ Ich wollte dir auch gerade mein Versöhnungsgeschenk geben, hier ist es.“ Sie griff hinter sich und stellte einen großen Karton hin.

Stille. Willi sah sein Geschenk genau an. Nein, das war er doch. Sein Staubsauger, den er heute Morgen ausprobiert hatte. „Toll, oder?“, sagte seine Mutter, „dein alter funktionierte doch nicht mehr.“ Willi sagte nichts, sondern reichte ihr nur sein Versöhnungsgeschenk. Und seine Mutter sah auf einmal auch sehr überrascht aus.

„Aber...aber...“, stotterte sie, „den habe ich doch schon..“ „Wie jetzt?“, fragte Willi erstaunt, „wie soll ich das verstehen? Du hast ihn schon?“ Seine Mutter sah ihn unschuldig an: “Ja, gestern war ein netter Staubsaugervertreter bei mir, und bot mir zwei an. Einen als Versöhnungsgeschenk, das ist der hier, und einen für mich, nämlich den, der dort steht.“

Willi war ganz wirr. „Moment mal!“, rief er, „gestern hast du genau dieselben Staubsauger bekommen wie ich?“ „Was soll das heißen?“, fragte seine Mutter. Willi schimpfte los: „So ein Betrug. Gestern war auch ein Staubsaugervertreter bei mir, und bot mir mein Versöhnungsgeschenk an, und den, den du mir jetzt geschenkt hast. Bestimmt waren die beiden Staubsaugervertreter auch dieselben.“ Verblüfft sahen sich beide an. Jetzt standen sie da mit vier Staubsaugern.
Jeder war sprachlos. Keiner wusste was er sagen sollte.

Auf einmal fing Willis Mutter aber an zu lachen: „Pass mal auf. Wir versöhnen uns beide wieder, und ich gebe meinen Staubsauger an die Kirche, und du gibst deinen Staubsauger der Bibliothek. Das sind beides Orte, wo immer viel Staub liegt.“ Willi nickte. „Aber der Staubsaugervertreter, der wird von mir noch blutige Rache bekommen“, sagte er.

©Yannika Schad
 
W

willow

Gast
Hallo,

deine Geschichte hat mir wirklich sehr gut gefallen. Sie zeigt nicht nur, dass eine Versöhnung immer das Beste ist, was man in einem Streitfall machen kann, sondern auch, dass man sich nicht ärgern sollte, selbst wenn jemand einem zwei Staubsauger verkauft. Ich werde daran denken, mich nicht mehr über alles zu ärgern.

Eine Kleinigkeit ist mir aufgefallen. Du schreibst an einer Stelle:

"Und seine Mutter könnte sicher auch mal einen Neuen gebrauchen."

und an einer anderen:

"Tausend Sachen kauft sich meine Mutter, aber Staubsauger! Nein, die hat sie sich noch nie gekauft!"

Meiner Meinung nach widerspricht sich das. Oder?

Aber ansonsten ist deine Geschichte super gelungen, originell und wunderschön erzählt.

Einen lieben Gruß,

willow
 

herb

Mitglied
Hallo Mignon,

mir gefällt die Geschichte auch sehr gut. Klare Sprache, klarer Geist, smile. Die ganze Situation ist anschaulich geschrieben, man kann sie sich gut vorstellen.
Aber, vielleicht denke ich nur so, die Geschichte braucht eine Fortsetzung. Wie sieht die "blutige Rache" aus?
 

Mignon

Mitglied
Dankeschön!

Hallo!
Vielen Dank für eure Postings, ich freue mich sehr darüber!
;)
@willow: Stimmt, du hast Recht! Ist mir vorher gar nicht aufgefallen. Ich habe es gleich geändert, wie du sehen kannst. Jetzt heißt es: "sie könnte auch mal einen gebrauchen."
@herb: Danke fürs Lob
zurücksmile
Vielleicht fällt mir auch noch etwas für die blutige Rache ein. *ggggg* Aber die geht bei Willi bestimmt daneben, weil er immer ziemlich ungeschickt ist. *noch-mehrgggggggg*

Bis dann,

eure Mignon
 

herb

Mitglied
ungeschickt

lach, liebe Mignon, das macht ja den Willi so sympathisch,
das Ungeschickte eben, also eine "blutige" Rache, die dann gar nicht so blutig gelingt, und auch noch vielleicht völlig daneben geht, wäre eine schöne Geschichte, die ich Dir ohne weiters zutraue
 
A

Arno1808

Gast
;-))))

Hallo Mignon,

ich kann mich nur herb anschließen.
Du mußt unbedingt eine Fortsetzung schreiben.
Es wäre wirklich nicht nett, wenn du uns das vorenthältst.

Toll!

Mit einem lieben Gruß

Arno
 

Mignon

Mitglied
;)))))))))))))))))))))))))))))))))))))))))))))))))))))))))))

Werd ich machen, mir wird schon was einfallen.
Inzwischen könnt ihr ja mal "Willi in Pisa" lesen. Eine neue Geschichte von mir, die ich eingestellt habe. Es geht um Willi, wie er...
Ach, lest es selber, ich will ja nichts vorwegnehmen.
:))

Eure Mignon
 

bosbach46

Mitglied
Heiter

hallo Mignon,
mit mir hast Du es mit einem "zerstreuten" Professor zu tun. Denn ich gab Dir gestern bereits eine Antwort auf deine tolle Geschichte. Aber wie das mit Zerstreuten so ist, ich habe sie zu mir selber geschickt. Was ich sagen wollte: Staubsaugervertreter scheinen wirklich kauzige Getsalten zu sein. Ganz so wie in deiner ideenreichen Geschichte. Da hat doch tatsächlich im hiesigen Asylantenheim so ein Kerl allen Asylsuchenden einen Edelstaubsauger verkauft. Und das obwohl je vier Personen sich einen Schlafraum teilen müssen. Die meisten Menschen können zur Zeit kaum unsere Sprache und wußten gar nicht auf was für ein Geschäft sie sich einließen. Aber genau wie deine Geschichte heiter endete, kam hier eine schlaue Frau und machte die Käufe rückgängig.
Dir für deine schriftstellerische Laufbahn meine besten Wünsche. Gruß J.B.
 

Mignon

Mitglied
Tja, ich schätze zwar, dass nicht alle Staubsaugervertreter so sind, aber es ist trotzdem lustig. Ich nehme grundsätzlich meine Willi - Geschichten von Sachen, die uns selbst passiert sind. Das ist hier, und in "Willi in Pisa" aber nicht der Fall. ;)
 

Wolfsbane

Mitglied
Lehrreich

Hallo Mignon,


nachdem mir deine Geschichte über die beiden Kaninchen so gut gefallen hat, habe ich jetzt mal dein Profil angeklickt, um auch deine früheren Geschichten zu lesen.

Vertreter stehen enorm unter Druck und nutzen jede Chance, etwas zu verkaufen. Ich finde deine Geschichte nicht nur witzig, sondern auch glaubwürdig und realistisch, ja, sogar: lehrreich!

"Wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte", sagte ein Sprichwort. Daraus hast Du eine sehr schöne Story gemacht.
Hätten die beiden miteinander gesprochen, wäre es dem Vertreter nicht gelungen, ihnen viel zuviel
zu verkaufen.

Inhaltlich habe ich an der Geschichte keine Schwäche gefunden. Bei der Sprache gibt es aber zwei kleine Schönheitsfehler. Ich zumindest fand es nicht schön, wenn Willi gegenüber seiner Mutter "winselt"- er ist doch kein Hund! Und "blutige Rache"... Naja...
;)

Insgesamt finde ich deine Geschichte sehr gut. Ich überlege gerade, ob ich auch mal versuchen sollte, so zu schreiben.
Vielleicht hatte ich bisher nur die falschen Vorbilder?


Gruß

Wolf
 

Mignon

Mitglied
Danke!

Na ja, da hast du schon Recht, in dem Augenblick "winselt" Willi ja vor Freude, und "winseln" tut man ja meistens nur, wenn einem etwas weh tut.

Wegen der "blutigen Rache" wurde ich schon häufig angesprochen. Aber wie soll ich es denn mal ersetzen? Vielleicht einfach das "blutige" weglassen?

Welche Vorbilder hattest du denn? *g*
Ich würde mich gerne als dein Vorbild bereitstellen *megagrins*

Mignon

:) :) :) :) :) :)
 

Wolfsbane

Mitglied
Vorbilder

Hallo Mignon,


meine ersten Vorbilder waren Karl May und Alexandre Dumas ("Die drei Musketiere"), denn die hat mir mein Opa empfohlen, als ich gerade Lesen gelernt hatte, und von denen hat er mir damals auch Bücher geschenkt.
Später habe ich gelesen, daß Karl May behauptet hat, er hätte die Abenteuer von Old Shatterhand alle echt selbst erlebt, was überhaupt nicht stimmte, und daß Alexandre Dumas auch gelogen haben soll, als er nämlich sagte, er hätte seine Bücher alle ganz allein selbst geschrieben. In Wirklichkeit hatte Karl May fast gar keine Abenteuer erlebt und Alexandre Dumas hat bei vielen Romanen einfach bloß seinen Namen dazugeschrieben.
Dann waren Jack London ("Der Seewolf") und Bruno Traven ("Der Schatz der Sierra Madre") meine Vorbilder.
Das war aber auch nicht lange.
Seitdem hatte ich jede Menge Vorbilder... Ich weiß die Namen schon garnicht mehr alle...
:rolleyes:


Zum Schluß finde ich es schön, daß Willi und seine Mutter so schöne Ideen dafür haben, wem sie die Staubsauger, die sie selber nicht brauchen, schenken wollen. Da dann alles gut ist, brauchen sie doch auf den Vertreter garnicht mehr böse zu sein. Also hätte ich geschrieben, daß Willis Mama sagt:
"Aber vorher rufen wir erstmal beim Pfarrer und bei der Bücherei an, sonst kaufen die selbst auch noch jede Menge Staubsauger!"

Aber das ist nur ein Vorschlag...
;)

:)
 



 
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