Winter am Strom

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Walther

Mitglied
Winter am Strom


Man sieht - am Ufer stehend – Schollen treiben,
Verkanten und verschachteln sich zum Wall aus Eis.
Es bäumen sich die Wasser auf Geheiß
Des Winters! Fische werden sie entleiben:

Da stürzt, inmitten flatternden Geschreis,
Die Möwe– sie wird nicht die letzte bleiben –
In Wasserlücken zwischen Brucheisscheiben.
Sie zucken in die Adern jenes Breis,

Den dort der Brecher stampfend hinterlässt,
Wenn er - sich durch die Schollenberge zwängend –
Für Schiffe eine freie Rinne presst:

Nicht nur die Möwen krächzen laut und drängend.
Man steht im Schneesturm, an den Schuhn durchnässt
Und Kälterotz aus seiner Nase hängend.
 
H

Heidrun D.

Gast
Lieber Walther,

ein sehr schönes, sprachgewaltiges Sonett. - Besonders gefallen mir die entleibten Fische. :)

Wunderbar auch der Kontrast der traditionellen, eher edlen Sonettsprache mit dem kalten Rotz.

Liebe Grüße
Heidrun
 

Walther

Mitglied
Lb. Heidrun,

besten Dank für Deinen lobenden Eintrag. Ich dachte schon, dieses Gedicht säuft im bewußten Winterstrom ab. :)

LG W.

Lb. Beba,

danke für Dein Lob. Das freut natürlich!

Euch beiden frohes Dichten und Werken.

LG W.
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Es erinnert mich stilistisch an den deutschen Expressionismus, insbesondere Heym und Trakl.
Du verwendest starke, expressive und ungewöhnliche Metaphern, Bilder, die eine unheimliche Stimmung erzeugen, Gefahr, die droht, andeutend, aber ohne den skurrilen Humor von Hoddis' "Weltende".
Tot und Verderben sieht der Beobachter, leicht verschnupft, den Anblick fast genießend, staunend über das Unheil, dessen Formen sich mit Erinnerungen vermischen.
 

Ralf Langer

Mitglied
hallo walther,

dem heimlichen einbruch des eises
in die welt

lässt du den leser hier begegnen.

obschon ein bekanntes stück der natur
strömt unheimliches in deinen bildern
das sich zum schluß im alltäglcihen rotz
aus atem und aus schleim verfängt.

sehr gerne gelesen
ralf
 
M

Marlene M.

Gast
ein antithetisches Sonett, das wirkt, lieber Walter.
Alles andere wurde bereist lobend erwähnt.
LG von Marlene
 

Walther

Mitglied
Lb. Bernd,

danke für Deine Besprechung dieses Naturgedichts. Ich habe die Stimmung einiger Bilder umsetzen wollen, um so ein dichtes Gewebe eines solchen Wintertags zu schaffen.

Es freut mich, daß das gelungen zu sein scheint.

Ob meine Sprache an Heym und Trakl erinnert, kann ich selbst nicht diagnostizieren, wiewohl ich gerne einräume, beide zu meinen Lieblingsdichtern zu zählen. Sie sind ein Beispiel für die gebrochene Beziehung des modernen Menschen zu seiner Umwelt. Die Schrecken des modernen Kriegs und die Zeit um den Ersten Weltkrieg herum haben hier eine Bewegung in Gang gesetzt, deren Nachschwingen bis heute reicht.

Meine Naturgedichte haben deshalb meist irgendwo diesen Stachel, der alles Schöne durchbohrt und als Skepsis einen kleinen Blick auf die allgegewärtige Kehrseit erlaubt.

Lieben Dank und Gruß W.

PS. Die beiden weiteren Postings werde ich in Kürze beantworten.
 

JoteS

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo Walther

...war lange nicht mehr hier. Starkes Stück, etwas manieristisch aber gut.

LG

Jürgen
 

Walther

Mitglied
Lb. JoteS,

schön, wieder von Dir zu lesen. Es war fast ruhig, seitdem Du nicht mehr regelmäßig hier warst. Nachdem ich mir das öffentliche Fremdkommentieren untersagt habe, sind sowieso die Kritikschlachten stark reduziert. :)

Danke für Deine lobende Worte. Naja, so langsam schreibe ich gelegentlich innovative Einträge. Dieser Versuch scheint ein solcher zu sein. ;)

LG W.
 



 
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