Winterimpression

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E

Epiklord

Gast
Stapfend durch weiße Steppe
schwerblütig im eisigen Saisonkoma,
die skelettierten Eichen
vor der verlassenen Hütte,
die unermüdlich scharrenden Amseln,
und in der klirrendkalten Stube
ein schocksteifer Schmetterling.
Sanfter Flockenflor wispelt
gegen kalte Scheiben,
innen bildet sich Eisblumengespray,
hält meine Blicke gefangen,
ich entzünde das kühle Holz,
und meine Sommerseele
sucht Einkehr
bei Glühwein am Kamin.

*
 

Franke

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo epiklord!

Das Gedicht will nicht wirklich zünden.
Das liegt in meinem Fall an einigen Worten wie z.B. wispelt. Das ist für mich ein Bild, das ich mir ganz schlecht vorstellen kann - Schnee, der wispelt.
Auch das Eisblumengespray ist als Wortschöpfung nicht gelungen.
Den letzten Vers mit dem Glühwein würde ich ganz weglassen, der ist m.E. unnötig. Der Kamin sagt doch schon aus, was deine Sommerseele will.
Insgesamt ist mir das für eine Winterimpression zu ruhig, bzw. zu wenig.

Liebe Grüße
Manfred
 
D

DerKleinePrinz

Gast
Guten Abend Epiklord,

ich muss Franke recht geben, mich haut es ebenfalls nicht von den Socken.
Einige gute Bilder hast du aus meiner Sicht dabei, z.B.:

die skelettierten Eichen
vor der verlassenen Hütte,
Der erste Teil des Gedichtes ist allgemein ein wenig besser gelungen, aber sobald das in meinen Augen schwache Bild mit dem Schmetterling kommt, ist meine Impression zerschlagen und der graue lyrische Alltag der Forenwelt hält mich wieder gefangen. Insgesamt erinnert mich das an ein Inventurgedicht mit ein bisschen Handlung, von der man bei einer Impression natürlich nichts zu erwarten hat, aber starke Bilder sollten es dann schon sein um mich als Leser zu fesseln, sonst wirkt es wie ein Übungsgedicht aus der Schule.

Einprägende Metaphern und sprachgewaltige Wörter zu finden ist sicherlich nicht leicht und oftmals recht zeitaufwändig, aber lohnen würde es sich auf alle Fälle.

Liebe Grüße
Der Kleine Prinz*
 

Leise Wege

Mitglied
Hallo Epiklord,

mal ganz davon abgesehen, dass die Jahreszeit fast noch solch einen Gedankengang verbietet, ist es viel zu vollgestopft. Ein Gedicht lebt von einem Gedankengang, einer Aussage, einem Bild, - der Leser soll noch irgendwo ankommen können. Weniger ist mehr, viel mehr. Um mal in Deiner Winterlickeit zu bleiben, das wirkt wie ein Tannenbaum mit soviel Lametta, dass man nicht mal erkennen kann, ob einer drunter ist.

Mächtig entschlacken, nochmal neu aufbauen, Schmetterlinge in den Sommer entlassen und in zwei Monaten ein Gutes präsentieren.

Sorry, das liest sich übel, ist aber alles andere als böse gemeint.

Lg Moni
 
Hallo Epiklord!

Erstaunlich, dass jemand ein Wintergedicht im August schreibt! Dazu gehört ein gehöriges Maß an Vorstellungskraft, wenn es überzeugend klingen soll.


Und ich muss sagen, für einen Augenblick vergaß ich fast, dass wir alle in T-Shirts rumlaufen!

In der ersten Hälfte stehen viele Begriffe für den Winter, Ruhe, Verzicht: Stapfen, Steppe (eine Ebene mit wenig Bezugspunkten, im Sommer sieht das ohne Schnee anders aus), schwerblütig, eisig, Saison ist häufig Sommer, und der liegt gerade im Koma, skelettiert, die Eichen ohne Blätterkleid, verlassene Hütte, im Winter ist einfach nichts los (bis auf die unermüdlich scharrenden Amseln - guter Kontrast), klirrendkalte Stube - hier ist es unmissverständlich: es ist tiefster Winter.

Dieses ganze Bombardement von Prädikaten erzeugt bei mir wirkliche Winterstimmung.

In der zweiten Hälfte, die du am Ende der ersten mit "Stube" eingeleitet hast, wechselt die Einstellung von fast gleichgültiger Wahrnehmung der Szenerie zu hoffnungsfrohem Wunschdenken. Auch im grimmen Gesicht des Winters findest du Schönheit: Sanfter Flockenflor wispelt, faszinierendes Eisblumengespray. Der Wunsch nach Wärme wird deutlich beim Holzanzünden, ganz besonders durch die "Sommerseele", Einkehr: wir lassen den Winter kurz draußen und kehren in den Sommer ein bei einem Glühwein am Kamin.

Du beschreibst etwas, das jeder kennt, weshalb die Stimmung auch so gut nachzuvollziehen ist, selbst im August, wenn man die Zeilen nicht gerade nur überfliegt. Nettes Experiment!

Liebe Grüße

Crimson Conjuror
 



 
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