Wintersolisten, Berlin

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Echoloch

Mitglied
Freiheit zarter Hauch
Umgibst mich sanft und sorglos,
Schüsse in der Nacht
In meinem Traum.
Kirchenglocken am Sonntag Morgen
Lullen die Stadt in Sicherheit,
Wiegen die entgleisten Schläfer -
Als der Frühling Einzug hält
In die junge Metropole.
Kraftvolles Prasseln der Dusche des Sängers,
Sein Lied zäh zerronnen im Glanz der verschollenen Jahre;
Sehnsucht im Blick der Wintersolisten,
Da erste Vögel am Himmel tanzen,
Ahnung prächtiger Sommerspiele - im Herzen stilvolle Einsamkeit,
Gefangene Hülle im Fensterrahmen,
Da erste Vögel am Himmel tanzen.
Jagd in der Luft,
Aufbruch in fremde Vertrautheit.
Bilder von Blüte, Leben und Tod,
Noch ehe die Knospen brechen.
 

lapismont

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo Echoloch,

bin mir über die Wiederholung im Unklaren.
Die Steigerung, das Atemlose im Text gefällt mir sehr gut.
Aber wieso es das alles erklären soll,
"da erste Vögel am Himmel tanzen."?

cu
lap
 

wondering

Mitglied
Liebe echoloch,

ich habe deine Wintersolisten jetzt mehrfach gelesen. Die starken Bilder entwickelten sich erst nach dem zweiten oder dritten Lesen gänzlich...
zu was, das habe ich beim Lautlesen gemerkt:
es klingt und wirkt wie eine Ballade, eine Hymne an die Stadt, kraftvoll und bilderreich.

Ein wenig Problem hatte ich mit der Zeile:
Kraftvolles Prasseln der Dusche des Sängers -
zwei Genitive hintereinander... puh...
ich schenke dir ein "in" für die Dusche, vielleicht magst du es verwenden ;)

und warum die ersten Vögel zweimal am Himmel tanzen, konnte ich auch nicht so "verwenden"..

Schließlich "sehe" ich, dass mir der gesamte Text randständig besser zu lesen gefiele, als mittig gesetzt.

Es bleibt ein starkes Gesamtbild.

Viele Grüße
wondershower ;)

p.s. So gesetzt liest es sich klassisch hymnisch und lässt sich beinahe singen :

Freiheit zarter Hauch
umgibst mich sanft und sorglos.
Schüsse in der Nacht
in meinem Traum.
Kirchenglocken am Sonntag Morgen
lullen die Stadt in Sicherheit,
wiegen die entgleisten Schläfer -
als der Frühling Einzug hält
in die junge Metropole.
Kraftvolles Prasseln in der Dusche des Sängers -
sein Lied zäh zerronnen im Glanz der verschollenen Jahre;
Sehnsucht im Blick der Wintersolisten,
da erste Vögel am Himmel tanzen,
Ahnung prächtiger Sommerspiele - im Herzen
stilvolle Einsamkeit,
gefangene Hülle im Fensterrahmen.
Jagd in der Luft,
Aufbruch in fremde Vertrautheit.
Bilder von Blüte, Leben und Tod,
noch ehe die Knospen brechen.

***
subjektiv
 

Echoloch

Mitglied
Hallo Ihr Zwei & danke für Eure Kommentare.
Die Dopplung der Vögel habe ich eingebracht, um die Situation in einem weiten Bogen von Winter bis Sommer, von Vergangenheit bis Hoffnung in einem Symbol zu zentrieren. Diese ersten Frühlingsvögel bedeuten (zumindest für mich, vielleicht geht es nicht allen so?) immer im gleichen Maße Angst und Traurigkeit wie Freude und Erwartung.
Wenn sie Euch allerdings beiden als unpassend aufstoßen, werde ich es noch einmal in mir hin- und herbewegen, ob ich sie "behalte".
Die Zentrierung, liebe Wondering, habe ich, wie Du siehst, herausgenommen, ich bin letztlich auch immer sehr für die Kraft der Worte anstelle ihrer Aufmachung. Dieser spezielle Text ist in meiner möglichsten Mitte entstanden, deshalb hatte ich ihn so formatiert. Aber es ist natürlich überflüssig, das anderen zuzumuten.
Und ja, eine "Hymne an die Stadt" trifft es ziemlich gut!
Nur mit dem "in" tue ich mich schwer, verspreche aber, mir das noch einmal zu überlegen.

Vielen Dank Euch beiden & gute Nacht, Echoloch
 
H

Holger

Gast
1 Freiheit zarter Hauch
2 Umgibst mich sanft und sorglos,
3 Schüsse in der Nacht
4 In meinem Traum.

5 Kirchenglocken am Sonntag Morgen
6 Lullen die Stadt in Sicherheit,

7 Wiegen die entgleisten Schläfer –
8 Als der Frühling Einzug hält
9 In die junge Metropole.

10 Kraftvolles Prasseln der Dusche des Sängers,
11 Sein Lied zäh zerronnen im Glanz der verschollenen Jahre;

12 Sehnsucht im Blick der Wintersolisten,
13 Da erste Vögel am Himmel tanzen,
14 Ahnung prächtiger Sommerspiele - im Herzen stilvolle Einsamkeit,

15 Gefangene Hülle im Fensterrahmen,
16 Da erste Vögel am Himmel tanzen.

17 Jagd in der Luft,
18 Aufbruch in fremde Vertrautheit.

19 Bilder von Blüte, Leben und Tod,
20 Noch ehe die Knospen brechen.

Liebe Maja,

Hin und her überlege ich, was mir zu Deinem Text einfällt.
Momentan habe ich noch das Gefühl, von Wortbruchstücken umgeben zu sein.
Dass die Sprache kantig ist, darf ruhig sein. Das gibt Deinem Text ein Charisma, das sich wohltuend vom flüssigen und bisweilen zähflüssigen Wortgemauschel hier abhebt.

Nun, besonders viel Beifall wirst Du nicht ernten, da er schwierig lesbar ist. Der Leser muss den Text wirklich wollen. In unserem schnellen Forum stoßen wir mit dem „uns Zeit nehmen“ schon an Grenzen.
Nun: Den Titel an sich finde ich großartig. Wintersolisten (für mich die Singles, Alleinstehende, Einsame) sind die heimlich Herrschenden in Berlin. Aber der Winter macht es eben trist. Ist Okay. Aber im weiteren Text fehlt mir Berlin. Nichts sonst so typisches. Das könnte auch beinahe jede andere Großstadt sein.

Ich habe, wie Du siehst den Text für mich einmal umgebrochen, um ihn vor allem für mich lesbar zu machen. Die Bilder haben stellen weise eine brutale Kantigkeit durch ihre Wortfügungen und das Weglassen der Verben in den Zeilen, dass ich mir schon ein wenig Feinschliff vorstellen möchte.

Die Zeilen 1 und 2 bspw. Nur durch die Worte „zart“ und „sanft“ erzielst Du noch nicht den gleichen Zustand bei mir als Leser. Dazu ist die Schreibweise zu abgehackt. Im Anschluss zerstörst Du diesen Ansatz mit Schüssen im Traum und mir geht nicht auf , warum.
Aber Du führst in den ersten vier Zeilen („umgibst mich sanft...“) Dich als lyrische Person im Text ein und bedienst sie dann nicht wieder. Aber genau dieses „Ich“ macht den Anfang zumindest authentisch. Der Rest ist ein steriles Beschreiben.
Die Zeilen 5 bis 9 sind für meine Begriffe ein tolles Bild. Persönlich hätte ich die Z 8 und 9 aber vor die Kirchenglocken gestellt. Das Du sie aber so platziert hast steht die Frage nach der Beziehung zur Zeile 10. Das stünde aber im Widerspruch zur Punktsetzung, zum Satzende. Und ich bin mir nicht sicher, wie absichtlich Du die Interpunktion als Stilmittel einsetzt.
Das Prasseln der Dusche des Sängers wurde schon treffend kritisiert. Warum übernimmt der Sänger jetzt die lyrische Person? Warum bleibst Du nicht bei Dir? Deine Dusche, Dein Prasseln, Dein Lied.

Lyrik ist im allgemeinen so knapp bemessen, dass nahezu alles eine Funktion hat.
Ich weiß nun nicht mehr, wer den Text trägt. Du oder er?
(Falls Du Dir nur mal so einen Sänger mit nach Hause genommen hast, so kommt das aber im text nicht so recht zur Geltung, also lege ich diese Interpretation erst einmal beiseite.)

Zeile 14: Die Schilderung: „Ahnung prächtiger Sommerspiele ...“ ist mir irgendwie auch zu spröde.
Was der Sommer bietet kann man sicher mit dem Flair der Stadt anders und persönlicher einfangen.
Die Wiederholung der Zeile 16 will mir auch nicht ganz einleuchten. Bzw. wäre eine andere Idee für Zeile 13 wohl die beste Lösung.
Man kann mit gut dosierten Wiederholungen arbeiten. Dann aber konsequent.

Insgesamt ist mir persönlich der Stil etwas zu gestelzt. Das macht es mir stolprig. Aber ich kann etwas anfangen mit ihm. Mir gefällt der Anspruch des Textes, sich mit ihm auseinander zusetzen, ihn sich zu erarbeiten. Diesen Anspruch an Dein Schreiben erhalte Dir bitte.

Beste Grüße
Holger
 

Echoloch

Mitglied
Lieber Holger, wow, vielen Dank für diese sehr ausführliche Auseinandersetzung mit meinem kleinen Gedicht, die mich beinahe beschämt, weil ich mit meinen wenigen Gedichten - im Gegensatz zu meinen Geschichten - recht wenig Intention verbinde. Dass ich die "Wintersolisten" trotzdem eingestellt habe, war eine rein emotionale Entscheidung, ich kramte sie heraus und mochte sie in dem Moment gerne lesen. Das soll keine Rechtfertigung sein, ich sollte mehr dazu sagen können, kann es aber leider nicht.
Du schreibst: „Das könnte auch beinahe jede andere Großstadt sein.“ und hast damit völlig Recht. Es ist eine Szene, die sich zufälligerweise in Berlin ereignet hat, und sicherlich wären die Gefühle andere gewesen, wenn nicht die Bedeutung der schillernden Großstadt sie umgarnt hätte - aber letztlich: ja, es hätte auch überall anders spielen können.
Es ist schon so gedacht, dass "ich" die Handlung trage, "ich" höre den Sänger in seiner Dusche und gliedere ihn in meine Beobachtungen, Momentaufnahmen ein. Das kommt wohl nicht gut heraus.
Ist die Interpretation von Lyrik (vielleicht im Gegensatz zu anderen Texten) nicht immer eine Frage der persönlichen Empfindung?

Vielleicht sollte ich mich mehr an meine Geschichten halten :O)

Auf alle Fälle nochmals vielen Dank, ich werde alles zu bedenken suchen.
Viele Grüße von Maja
 
H

Holger

Gast
Liebe Maja,
was mir bei deinem Text besonders auffiel war eben dieses Schreibtalent, auch mit kantigen Themen umzugehen. Natürlich ist das subjektive Empfinden des Lesers sehr prägend für das Erfühlen des Textes. Aber es ist auch das prazise Schreibvermögen des Autors, ganz bewusst Assoziationen zu bilden.
Insofern wird es nicht anders sein als in der Prosa. Im weitesten Sinne mach Dir bewusst, was wirklich nicht geht und funktioniert. Der Rest ist Thema, Ausdruck, Grammatik und Rechtschreibung. Aber Lyrik sprich in jedem Fall die intensivere Fantasiefähigkeit an. Es gilt je die Metapher auf die Realität herunter zu erklären.

Ich finde nicht, dass Du nur bei deinen Geschichten bleiben solltest. Nicht jede Idee trägt eine Geschichte. Nicht jedes Thema ist in einem Gedicht zu bewältigen.
Ich würde mich freuen, von Dir zu lesen.

Beste Grüße
Holger
 



 
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