Wo ist mein Leben geblieben?

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Ully

Mitglied
Wo ist mein Leben geblieben?

Als ich eines Morgens aufwachte, fiel mir plötzlich auf, dass mein Leben weg war.
Es war einfach weg.
Keiner hat es gesehen.
Keiner will es mir zurückgeben -
und niemand versteht, dass es mir fehlt.
Wann und wie ist es mir verloren gegangen?
Habe ich es verschlampt?
Nein! Niemals, es wurde gestohlen.
Aber, wer stiehlt denn ein stinknormales Leben?
Ich will und will es zurück!
Wieder der Freud und dem Leid begegnen.
Über den stolpernden Nachbarn lachen können.
Bitterlich weinen, wenn der Kuchen misslingt.
Stundenlang im Treppenhaus tratschen.
Lieben, wann immer mir danach ist.
Im Gedränge heimlich pupsen.
Den Kellner im Restaurant runter machen
und dem Chef einen zotigen Witz erzählen.
Aber all das ist verschwunden.
Wer hat es mir bloß genommen?

Ich schrieb eine Suchanzeige, ging zum Fundbüro und zum Trödelmarkt.
Nichts - es blieb verschollen!

Aber gestern, nach monatelangem Rumgemoser, bin ich glatt darüber gestolpert - Ich hatte es einfach nur verlegt!
 
B

Beba

Gast
Der Text hat mir gefallen, besonders die vielen Bilder und Beispiele, die das Leben wirklich ausmachen. Ein paar Stelen fand ich nicht so passend:

##Als ich eines Morgens aufwachte, fiel mir plötzlich auf, dass mein Leben weg war.##

Ist mir zu lang und als Anfang nicht ausdrucksstark genug. Das kann man intensiver rüberbringen, vielleicht:
„Eines Morgens, ich erwachte, war mein Leben weg“ oder auch anders. ;-)

##Aber, wer stiehlt denn ein stinknormales Leben?##

„Stinknormales“ stört mich als Wort und weil es so blutarm ist.

##Aber gestern, nach monatelangem Rumgemoser, bin ich glatt darüber gestolpert - Ich hatte es einfach nur verlegt!##

Muss „Rumgemoser“ wirklich dort stehen? ;-)



Beba
 

Ully

Mitglied
Hallo Beba,

danke für Dein Interesse. Gerne gehe ich auf die von Dir angezeigten Stellen ein.
Der kurze Prosatext sollte sich nach meinem Gefühl nicht wie reine Stichpunkte lesen oder etwa wie ein Gedicht.
[blue]„Eines Morgens, ich erwachte, war mein Leben weg“ [/blue]
Lese ich diese Version laut, dann komme ich mir irgendwie Sprachbehindert vor.

[blue]Muss „Rumgemoser“ wirklich dort stehen?[/blue]
Nein, Beba, müssen muss es nicht. Aber ich finde diesen Ausdruck eben besser und passender als:
nach monatelangem Unzufrieden sein ..... oder so ähnlich.

sG Ully
 
B

Beba

Gast
Tja,

so sind die Geschmäcker eben verschieden!

Wie kommt es, dass ich das Gefühl habe, dass meine Kritik nicht erwünscht ist? ;-)

##
„Eines Morgens, ich erwachte, war mein Leben weg“
Lese ich diese Version laut, dann komme ich mir irgendwie Sprachbehindert vor.
##
Na, dann gibt es aber viele Sprachbehinderte im Literaturzirkus. ;-)


##
[blue]Nein, Beba, müssen muss es nicht.[/blue] Aber ich finde diesen Ausdruck eben besser und passender als:
nach monatelangem Unzufrieden sein ..... oder so ähnlich.
##
Nett geantwortet. ;-) Na ja, es gäbe da ja noch andere Alternativen als diese, oder?

Sorry für meine Anmerkungen, kommt nicht wieder vor.
Beba
 
B

Beba

Gast
Hi,

woher kommt mein Gefühl, dass meine Kritik nicht erwünscht ist. ;-)

Deine schnelle Antwort beweist, dass du von deinem Text überzeugt bist. Gratuliere.


„Eines Morgens, ich erwachte, war mein Leben weg“
Lese ich diese Version laut, dann komme ich mir irgendwie Sprachbehindert vor.
Dann gibt es viele Sprachbehinderte im Literaturzirkus. ;-) Ich finde es immer noch besser und vor allem interessanter als diesen leblosen Beginn (ist eben Ansichtssache):
Als ich eines Morgens aufwachte, fiel mir plötzlich auf, dass mein Leben weg war.

Muss „Rumgemoser“ wirklich dort stehen?
[blue]Nein, Beba, müssen muss es nicht.[/blue] Aber ich finde diesen Ausdruck eben besser und passender als:
nach monatelangem Unzufrieden sein ..... oder so ähnlich.
Netter hättest du nicht antworten können. Aber es gäbe gewiss noch Alternativen zu den Möglichkeiten, die du da so salopp nennst. ;-)


Sorry für meine Anmerkungen. Kommt nicht wieder vor. Versprochen!

Beba
 

Ully

Mitglied
Oh weh Beba,
eigentlich wollte ich lediglich erklären weshalb ich gerade diese Ausdrucksform gewählt habe.
Keineswegs wollte ich so rüberkommen, wie Du es nun empfunden hast.
Und daran können wir beide nun sehen, dass Worte, Ausdrucksformen sehr oft gegenteilig ankommen.
Natürlich hast Du Recht, die Geschmäcker sind sehr unterschiedlich. Aber das kann ja nicht verkehrt sein.

nette Grüße, Ully
 

mitis

Mitglied
hi, ully!
nachdem mir dein gedicht hoffnung recht gut gefallen hat, bin ich nun hier gelandet und habe mit interesse deinen "dialog" mit beba nachgelesen, dessen anmerkungen ich prinzipiell für interessant und fundiert halte.

bei der ersten zeile bin ich nur zum teil seiner meinung:
bei mir kommt die lange erste zeile gut rüber, gerade im kontrast zu den folgenden eher kurz gehaltenen beschreibungen.
allerdings würde ich das "plötzlich" weglassen, weil ich glaube dass es es nicht zum "prozess des aufwachens" passt und andererseits ich anzweifle, ob man "plötzlich" bemerken kann, dass ein ganzes leben weg ist...

zum "stinknormales" stimme ich beba zu - ich würde "ganz normales" oder "ganz gewöhnliches" oder ähnliches schreiben.

das "rumgemoser" finde ich auch nicht so gut. es würde für mich reichen "nach monaten" zu schreiben
aber gestern, nach monaten, usw...
hier würde das "plötzlich" vom anfang gut passen.

lg mitis
 

Ully

Mitglied
Hallo mitis.

Bin heute erst auf Deinen Beitrag gestossen, herzlichen Dank.
Ich werde mir bei Gelegenheit den Text noch einmal genauer ansehen.

GLG Ully
 

Ully

Mitglied
Wo ist mein Leben geblieben?

Als ich eines Morgens aufwachte, fiel mir auf, dass mein Leben weg war.
Es war einfach weg.
Keiner hat es gesehen.
Keiner will es mir zurückgeben -
und niemand versteht, dass es mir fehlt.
Wann und wie ist es mir verloren gegangen?
Habe ich es verschlampt?
Nein! Niemals, es wurde gestohlen.
Aber, wer stiehlt denn ein normales Leben?
Ich will und will es zurück!
Wieder der Freud und dem Leid begegnen.
Über den stolpernden Nachbarn lachen können.
Bitterlich weinen, wenn der Kuchen misslingt.
Stundenlang im Treppenhaus tratschen.
Lieben, wann immer mir danach ist.
Im Gedränge heimlich pupsen.
Den Kellner im Restaurant runtermachen
und dem Chef einen zotigen Witz erzählen.
Aber all das ist verschwunden.
Wer hat es mir bloß genommen?

Ich schrieb eine Suchanzeige, ging zum Fundbüro und zum Trödelmarkt.
Nichts - es blieb verschollen!

Aber gestern, nach Monaten, bin ich plötzlich darüber gestolpert -
Ich hatte es einfach nur verlegt!
 



 
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