Wo sich Igel und Wiesel "Gute Nacht" sagen

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Ende April schon, wo bleiben denn dieses Jahr meine Igel? Da ich im Grünen wohne, fühlen sie sich ausgesprochen wohl hier. Es gibt viel Nahrung und gute Verstecke, in denen sie sich ihre Nester bauen können.

Endlich, heute beginnt die Saison der kleinen Wildtiere. Der erste Igel kommt spät abends auf meine Terrasse getippelt, er schwankt leicht vor Schwäche. Ein halbes Jahr Winterschlaf, ohne inzwischen zu fressen, das hinterlässt Spuren. Er ist jetzt völlig ausgehungert und sein Stachelkleid schlottert ihm am Körper. Ein Drittel ihres Gewichtes verlieren die Igel während der Ruhezeit. Wenn sie dann bei mir vorbei kommen, füttere ich immer 2 – 3 Wochen, bis sie wieder bei Kräften sind. Danach müssen sie selbst sehen, wie sie zurecht kommen. Schnell mixe ich dem Ausgehungerten sein Futter. Als ich den Napf hinstelle, dauert es nur einen Moment, bis er sich auf das leckere Mahl stürzt, die kleinen Vorderfüße gleich mit hinein. Gierig schmatzend leert er das Schüsselchen innerhalb weniger Augenblicke, leckt es sogar ganz sauber aus, dass nicht einmal eine Haferflocke drinnen kleben bleibt.

Inzwischen kenne ich schon die Vorlieben meiner Gäste: Katzenfutter wird mit Kleie oder Haferflocken vermischt. Diese Kombination muss sein, damit die kleinen Gäste keine Verdauungsschwierigkeiten bekommen. Das will ich ja auf keinen Fall. Einige fressen nur den Mix mit Kleie, andere wollen es mit Haferflocken. Also habe ich zwei verschiedenen Essensangebote. Jetzt erscheint der zweite abgemagerte Igel. Er hat den Geruch des Futters wahrgenommen, der noch in der Luft hängt von den Resten, die an dem Igelmäulchen des Artgenossen kleben. Ungeduldig schnauft und pustet er, als wolle er sagen: "Wo ist denn nun mein Futter?" Der andere trottet davon, um sich jetzt seine eigentliche Nahrung (Kerbtiere, Raupen und Käfer ), die sich unter Laub und Steinen befindet, zu suchen. Auch Regenwürmer, die er sich aus dem Rasen herausholt, gehören mit zu seinen Lieblingsspeisen. Schnecken frisst er nur im Notfall, wenn er nichts anderes findet. Ich kann hören, welchen Weg er einschlägt, weil das Laub vom Herbst unter seinen kurzen Beinchen raschelt. Er verharrt, sucht, findet – wenn er Glück hat - und läuft weiter. Das alte Laub lasse ich immer bis zum späten Frühjahr liegen, weil sich darunter für die Igel eine wahre Fundgrube an Futter bietet.

Der zweite Igel nähert sich jetzt dem leeren Futternapf, um wütend mit der Schnauze dagegen zu stoßen. Er schiebt ihn über die Terrasse, was ein äußerst unangenehmes, laut kratzendes Geräusch verursacht. Meine Nachbarn werden begeistert sein, mitten in der Nacht so einen Lärm zu hören. Morgen muss ich ihnen erst einmal Bescheid sagen, dass die Igel-Saison begonnen hat, dann werden sie die nächtliche Ruhestörung sicher in Kauf nehmen. Jetzt kommt mein Kater Lucky, um zu schauen, wer da so einen Radau macht. Der Igel läuft in seine Richtung. Lucky steigt wie selbstverständlich, vorsichtig über ihn hinweg. Es scheint, als würden seine Beine noch länger, damit er ihn nicht berührt. Dass er sehr vorsichtig sein muss, wegen der spitzen Stacheln, kennt er schon aus den Vorjahren.

Nun bereite ich die zweite Portion Futter zu und stelle sie auf den Fußboden. Schnell wie ein Blitz rennt der Igel in Richtung Nahrung, so dass er durch seinen Ansturm mit allen Vieren im Fressen zum Stehen kommt. Es scheint ihm gar nichts auszumachen, das Wichtigste für ihn ist, sich sofort den Magen zu füllen. Jetzt fängt es an zu nieseln, auch das noch. Ich habe jedoch schon vorsorglich den Katzenklodeckel meines Katers parat stehen und stelle ihn über das Futter. Die Idee kam mir im vorigen Jahr, als es nicht wieder aufhören wollte zu regnen. Eine feine Sache ist das, denn so können die kleinen Gäste ihr Futter regengeschützt genießen, vor allem schwimmt das Futter nicht davon. Außerdem zieht es auch nicht so schnell andere hungrige Tiere an. Im letzten Jahr hatte sich allerdings tatsächlich ein Wiesel mit hinzugesellt, um vom Futter zu naschen. Davon war mein Kater jedoch überhaupt nicht begeistert. Die beiden haben sich auch einmal fürchterlich erzürnt, was bleibende Narben am Kopf meines Katers hinterlassen hat. Was Luckys Krallen und Zähne beim Wiesel angerichtet haben, konnte ich nicht in Erfahrung bringen, da es nur noch kam, wenn keiner von uns zu sehen war. Also nehme ich an, dass mein vierbeiniger Hausfreund sich kräftig verteidigt hat. Ich merkte nur immer an den Hinterlassenschaften des Wiesels, dass es wieder zum Fressen gekommen war. Mein Kater wurde durch dieses Erlebnis erst einmal sehr häuslich, bis die Igelsaison beendet war.

Eins ist jedoch sicher, im August diesen Jahres werden hier wieder kleine Minibürsten über den Rasen wetzen.
 
Dies ist ein Tatsachenbericht. Sicher ist es für Kinder auch spannend, etwas über die Fauna zu erfahren. 2009 war der Igel das Wildtier des Jahres. Sie dürfen nur aufgenommen werden, wenn sie verletzt sind oder im Herbst zu wenig Gewicht haben, um den Winter zu überleben. Pro Igel (Internet) hilft telefonisch weiter. Ich habe auf meiner Terrasse sogar schon eine Igelhochzeit erlebt, aber das ist eine andere Geschichte...
 

Fallanda

Mitglied
Hallo Estrella

Ich mag Igel ja auch, aber ich weiß nicht, ob man die unbedingt füttern muss. Ich denke, die kommen schon selber klar und sollten nicht zu sehr an den Menschen gewöhnt sein.

Es sei denn das Tier ist tatsächlich irgendwie krank.
Habe selber mal als Kind einen mit gebrochenen Bein angeschleppt und meine Mutter war echt 'begeistert'. Der Arme war völlig verfloht und die Feuerkäfer, die wir gesammelt haben (hatten halt keine Ahnung) wollte er nicht fressen. Tierarzt hat den dann eingeschläfert.

Du wohnst wahrscheinlich nicht mitten in der Stadt, aber ich persönlich finds immer wieder erschreckend, wenn hier einer auf der Straße klebt. Mir ist lieber, die haben mehr angst vorm Menschen und meiden solche Gegenden.

Als Geschichte wäre es schon süß. Aber als Bericht sehe ich auch solche Begegnungen mit beispielsweise Hauskatzen, in dessen Revier der Igel ja theoretisch eindringt und Futter 'stiehlt', eher kritisch. Siehe Wiesel.

Ich könnte mir vorstellen, dass sich aus deiner Erfahrung eine schöne tierische Geschichte schreiben ließe. Vielleicht aus der Perspektive des Igels. Als Bericht finde ich es bedenklich, muss aber zugeben, dass ich auch nicht wirklich viel Ahnung von Igeln habe...

Viele Grüße
Fallanda
 
Danke Fallanda, fürs Lesen und deinen Kommentar.

Ich habe eng mit der Igelstation und der Pro Igel e.V. zusammengearbeitet. Es fanden sich hier Igel im November ein mit einem Gewicht von 250 g. Sie hätten bereits 600 g für den Winterschlaf auf die Waage bringen müssen. Also, ihr sicheres Todesurteil. Mit fachlicher Unterstützung konnten wir ihr Leben retten. Es wäre zu umständlich, jetzt hier den ganzen Ablauf zu schildern. Tierarzt, wegen Entwurmung und Parasitenbekämpfung, Überwinterung in einer Igelstation, etc. Es wird sicher keinem Igel schaden, wenn er nach 6 Monaten Winterschlaf für kurze Zeit etwas zusätzliche Nahrung bekommt. Die Fachleute wissen sicher, wovon sie reden - hoffe ich mal. :)

Danke noch mal,
und lieben Gruß, Estrella
 

Fallanda

Mitglied
Hallo Estrella,

dass man einem Igel Ende des Jahres helfen kann, wenn er vor Wintereinbruch zu mager ist, wollte ich auch nicht anzweifeln.

Ich hatte gerade auch noch mal im Internet geguckt und auch nix dagegen gefunden, dass man sie im Frühjahr nicht füttern darf.

Hatte nur gedacht, dass es vielleicht nicht so günstig ist, sie zu sehr an den Menschen und 'leichtes' Futter zu gewöhnen. Aber offensichtlich ist das nicht so tragisch.

Von daher, nimms mir nicht so krumm, dass ich das nach dem ersten Lesen so kritisch gesehen haben. War ja nicht bös gemeint und ich lern auch gerne dazu :)

Viele Grüße
Fallanda
 

Josi

Mitglied
Hallo Estrella,

dein Igelbericht hat mir gut gefallen, er ist sehr flüssig geschrieben und ich konnte dazulernen.
Ich mag auch die Bürsten auf 4 Beinen so besonders gern. Ihre Knopfaugen und überhaupt ihre süßen Gesichter.
Du hast dir eine nette Wohngegend ausgesucht und ich bin froh über jeden Igel der lebt und die Natur bevölkert.

Ganz liebe Grüße
von Josi
 
Ach, das ist ja lieb von dir. Dein Interesse für die kleinen pieksigen Gesellen spricht doch für dich.

Hier wurde eine 50 Jahre alte Zuckerhutfichte abgeholzt, und das im Januar. Dort drunten hatten jahrelang etliche Igel ihr Winterquartier. Da dieses innerhalb von zwei Tagen geschah - es wurde oben angefangen- konnten die Igel flüchten. Sie brauchen 12 Stunden, um aus ihrem Schlaf zu erwachen, weil die Atmung auf ein Minimum runtergefahren wird. Nur fanden sie im Januar in der Kälte und dem Schnee kein Laub, um sich neue winterfeste Nester zu bauen. Also, sind von den 10 Igeln im letzten Herbst, diese zwei geblieben. Mein Trost, im Schlaf haben sie den Übergang nicht gemerkt...
 
Danke Josi,

unsere Kommentare eben haben sich gekreuzt. :)

Es freut mich, dass du meine Geschichte gern gelesen hast. Lernen ist immer gut. :)

Lieben Gruß,
Estrella
 

Fallanda

Mitglied
Deine Anmerkung gerade erst gesehen:

Ich weiß ja nicht, ob du inner Stadt oder auf dem Land wohnst.
Hier in Köln gibt es massig Füchse. Ich glaub vor einigen Jahren gab es mal einen Bericht, dass es knapp 2000 sind. Frag mich, wo die alle wohnen. Klar gibt es überall irgendwie Grünflächen, aber trotzdem krass.
Hab schon erlebt, dass so ein Fuchs direkt durch eine Menschenansammlung gelaufen ist. Hat auch niemanden etwas getan, aber schon nicht mehr so ganz normal. Zumindest entspricht das nicht meiner als Kind gelernten Vorstellung von 'Wildtieren'. *g*
 
Füchse in der Stadt, das ist schon erschreckend. Den Tieren wird ja auch nach und nach die Natur genommen. Wo sollen sie letzt endlich noch hin. Überall wird immer mehr zubetoniert. Hier kämpfen wir auch um jede Grünfläche. Ich kämpfe mit - Bürgerinitiative. Von nichts kommt nichts. Also, hier gehört ein Fuchs hin, hier darf er sich wohl fühlen. Letzt habe ich das Reh morgens um 6 Uhr an dem kleinen Fluß gesehen, hab mich wie ein Schneekönig gefreut. Schwäne gibt es hier auch und Kanadagänse. Na ja, noch vieles mehr - ich wohne eben in einem Paradies. :)
 

Fallanda

Mitglied
Dann bist du wirklich zu beneiden. Ich bin ursprünglich gar kein Stadtkind und muss auch langsam mal wieder raus. Rehe gibts dann hier auch nur hinter Gittern.
Ich finde es auch schade, dass Tiere immer weiter in ihrem Lebensraum zurückgedrängt werden, aber umso besser zu wissen, dass es auch Initiativen gibt, die sich bei solchen Angelegenheiten einsetzen.
Immerhin gibt es hier in zahlreichen Grünflächen mächtig viele Hasen. Hat auch was. :)
 
Ja, schau mal, Hasen hab ich hier noch nie gesehen. Das ist merkwürdig. Doch, an der Autobahn, auf einer Grünfläche hoppeln etliche herum. Länger nicht gesehen, weil ich kein Auto mehr habe. Mit dem Fahrrad will ich lieber nicht auf die Autobahn. Hihi... :)

Noch mal zu den Igeln. Ich wurde im März gefragt, ob ich meine Unterlagen zur Verfügung stellen würde. Es stand eine Projektwoche in der Schule an. Die Kinder wollten sich auch Igel anschauen, ob ich wüsste, wo man das könnte. Ich gab den Tipp, sich mit einer Igelstation in Verbindung zu setzen.
Fallanda, kannst du dir vorstellen, wie ich mich freute, dass den Kindern in der Schule diese Tiere nähergebracht werden sollten? Das ist auch der Grund, dass ich diese Geschichte hier einstellte.

Ich habe noch mal gegoogelt:

Igel sind dämmerungs- und nachtaktive insekten-fressende Winterschläfer. [blue]Sie gehören erdgeschichtlich zu den ältesten noch existierenden Säugetierformen. Ihre Vorfahren lebten schon vor etwa 65 Millionen Jahren[/blue], ihr jetzigen Aussehen besitzen die Stacheltiere seit circa 15 Millionen Jahren.

Ist das nicht faszinierend? Müssten das nicht unsere Kinder wissen?

Lieben sonntäglichen Gruß,
Estrella
 

Fallanda

Mitglied
Klar sollten so etwas Kinder wissen. Mit dem Hintergrund dürfte es auch wirklich spannend für sie sein.
Wenn die Kinder in der Projektwoche so begeistert waren, dann ist das wirklich schön.

Ich denke, dass alle Kinder schon offen für solche Themen sind, sie werden in ihrer Umwelt eben nur immer weniger damit konfrontiert. Hauptsächlich in der Stadt.

Ich glaub auch, dass über eben solche Projekte und engagierte Menschen auch einiges getan werden kann, um Kindern Flora und Fauna näher zu bringen.
Leider ist es mancherorts noch zu wenig.
 
Ich denke, dass alle Kinder schon offen für solche Themen sind, sie werden in ihrer Umwelt eben nur immer weniger damit konfrontiert. Hauptsächlich in der Stadt.
Ja, Fallanda, hier liegt das Problem. Wenn jedoch in der Schule diese Themen Flora und Fauna praktiziert werden, ist es doch schon die halbe Miete. :)

Lieben Gruß,
Estrella
 

Fallanda

Mitglied
Es ist ein Anfang. :)

Man muss wohl auch unterscheiden wie das vermittelt wird.
Im 'trockenen' Unterricht wird das weniger Interesse auf sich ziehen als in Projekten oder im Einsatz der beispielsweise Eltern nach dem Unterricht.

Ich will auch gar nicht so ein schreckliches Bild der heranwachsenden Generation ziehen, dass alle Hoffnung schon verloren ist. *g* Das wäre Blödsinn.

Aber wenn man manchmal sieht wie respektlos kleinere Kinder schon und Jungenliche mit Tieren und ihrer Umwelt umgehen oder Kuh nicht von Pferd unterscheiden können, dann wird mir wirklich übel.
Umso schöner, wenn man auch mal vom Gegenteil überzeugt wird.
Und das kommt dann auch schon mal öfter vor. :)

Liebe Grüße
Fallanda
 

HelenaSofie

Mitglied
Hallo Estrella,

mehrmals habe ich deinen interessanten Text gelesen. Du weißt, dass Igel auch zu meinen Lieblingstieren gehören. Vor Jahren habe ich einen kleinen im November im Schnee tippeln gesehen und ihn mit nach Hause genommen. Etwa ein halbes Jahr hat er in unserer Küche zugebracht und wurde mit frischem Fleisch gefüttert. An einem schönen Frühlingstag setzte ich ihn in der Dämmerung auf die Wiese. Er rannte sofort ohne sich umzusehen zu den Hecken. Irgendwie war ich ein bisschen enttäuscht. Hätte er nicht wenigstens einmal sich umdrehen können?
Igelfreunde wissen soviel Interessantes über Igel und möchten es auch gerne mitteilen. Ich sehe bei deinem Text auch einen gewissen Zwiespalt zwischen Sachtext und Kindergeschichte, was einen gewissen Wechsel im Erzählstil bedingt. Den Satz "Ein Drittel ihres Gewichtes verlieren die Igel..." zähle ich neben weiteren Sätzen zu einer reinen Information.
Du könntest dieses Sachwissen doch auch auf diesen bestimmten Igel beziehen und nur von ihm erzählen z.B.: Zwei bis drei Wochen werde ich dich... Dann musst du...
Ich überlege gerade, ob ich dir das hier schicken soll. Es ist eine subjektive Meinung und auf keinen eine besserwisserische, das weißt du aber sicher.

Liebe Grüße
HelenaSofie
 
Liebe HelenaSophie,

ich verstehe deine Enttäuschung: hätte er sich nicht wenigstens einmal umdrehen können? Du hast ihm monatelang Zuneigung gegeben, die hat er dankbar mitgenommen. :)

Du hast völlig recht mit deiner Meinung. Ich schwankte immer hin und her beim Schreiben, überlegte: das muss doch nun wirklich mit hinein als Info. Gute Tipps von dir, mal sehen, ob ich da noch einmal beigehe. Vielen Dank für deine Gedanken. :)

Lieben Gruß,
Estrella
 
Ende April schon, wo bleiben denn dieses Jahr meine Igel? Da ich im Grünen wohne, fühlen sie sich ausgesprochen wohl hier. Es gibt viel Nahrung und gute Verstecke, in denen sie sich ihre Nester bauen können.

Endlich, heute beginnt die Saison der kleinen Wildtiere. Der erste Igel kommt spät abends auf meine Terrasse getippelt, er schwankt leicht vor Schwäche. Ein halbes Jahr Winterschlaf, ohne inzwischen zu fressen, das hinterlässt Spuren. Er ist jetzt völlig ausgehungert und sein Stachelkleid schlottert ihm am Körper. „Na, wie geht’s dir, du kleines Stacheltier? Zwei bis drei Wochen werde ich dich erst einmal aufpäppeln, damit du wieder zu Kräften kommst. Aber länger nicht, also futtere dir schnell das Drittel deines Gewichtes an, welches du während dieser langen Ruhezeit verloren hast. Danach musst du dich dann wieder selbst verpflegen.“

Schnell mixe ich dem geschwächten Tier sein Futter. Als ich den Napf hinstelle, dauert es nur einen Moment, bis er sich auf das leckere Mahl stürzt, die kleinen Vorderfüße gleich mit hinein. Gierig schmatzend leert er das Schüsselchen innerhalb weniger Augenblicke, leckt es sogar ganz sauber aus, dass nicht einmal eine Haferflocke drinnen kleben bleibt. „Ach, dann habe ich ja richtig angemischt. Du bist also derjenige, der lieber das Katzenfutter mit Haferflocken mag? Dann ist es der andere, der die Kleie mit dem Feuchtfutter liebt. Wo hast du den denn gelassen? Habt ihr getrennt den Winter verbracht?“

Da! Jetzt erscheint auch schon der zweite Igel. Er hat den Geruch des Futters wahrgenommen, der noch in der Luft hängt von den Resten, die an dem Igelmäulchen des Artgenossen kleben. Ungeduldig schnauft und pustet er, als wolle er sagen: "Wo ist denn nun mein Futter?" „Kleiner, du willst dann sicher Kleie in deinem Futter haben, oder? Du weißt ja, Katzenfutter allein gibt Bauchschmerzen. Das wollen wir doch nicht riskieren? Schau mal, dein Kollege trottet schon davon. Ich kann hören, welchen Weg er einschlägt, weil das liegengebliebene Laub vom Herbst unter seinen kurzen Beinchen raschelt. Gut, dass ich es immer liegen lasse bis zum späten Frühjahr, weil es für euch eine wahre Fundgrube an Futter bietet.“

Der erste Igel denkt: „Mal sehen, was ich hier so finde. Oh, Raupen und Käfer haben sich unter Laub und Steinen versteckt. Die werde ich mir jetzt noch in mein Bäuchlein tun. Regenwürmer aus dem Rasen herausholen, dass kann ich ja auch morgen noch machen. Die esse ich auch gern. Aber die Nacktschnecken, bäh, die fresse ich nur im Notfall.“

Der zweite Igel nähert sich jetzt dem leeren Futternapf, um wütend mit der Schnauze dagegen zu stoßen. Er schiebt ihn über die Terrasse, was ein äußerst unangenehmes, laut kratzendes Geräusch verursacht. Ich nehme den Napf hoch, der Igel rollt sich vor Schreck zu einer Kugel zusammen. Meine Nachbarn werden begeistert sein, mitten in der Nacht so einen Lärm zu hören. Morgen muss ich ihnen erst einmal Bescheid sagen, dass die Igel-Saison begonnen hat, dann werden sie die nächtliche Ruhestörung sicher in Kauf nehmen. Jetzt kommt mein Kater Lucky, um zu schauen, wer da so einen Radau macht. Der Igel läuft in seine Richtung. Lucky steigt wie selbstverständlich, vorsichtig über ihn hinweg. Es scheint, als würden seine Beine noch länger, damit er ihn nicht berührt. Dass er sehr vorsichtig sein muss, wegen der spitzen Stacheln, kennt er schon aus den Vorjahren. Die Igel fürchten sich nicht vor ihm, weil sie wissen, dass er ihnen nichts antun kann.

Nun bereite ich die zweite Portion Futter zu und stelle sie auf den Fußboden. Schnell wie ein Blitz rennt der Igel in Richtung Nahrung, so dass er durch seinen Ansturm mit allen Vieren im Fressen zum Stehen kommt. Es scheint ihm gar nichts auszumachen, das Wichtigste für ihn ist, sich sofort den Magen zu füllen. Jetzt fängt es an zu nieseln, auch das noch. Ich habe jedoch schon vorsorglich den Katzenklodeckel meines Katers parat stehen und stelle ihn über das Futter. Die Idee kam mir im vorigen Jahr, als es nicht wieder aufhören wollte zu regnen. Eine feine Sache ist das, denn so können die kleinen Gäste ihr Futter regengeschützt genießen, vor allem schwimmt das Futter nicht davon. Außerdem zieht es auch nicht so schnell andere hungrige Tiere an. Im letzten Jahr hatte sich allerdings tatsächlich ein Wiesel mit hinzugesellt, um vom Futter zu naschen. Davon war mein Kater jedoch überhaupt nicht begeistert. Die beiden haben sich auch einmal fürchterlich erzürnt, was bleibende Narben am Kopf meines Katers hinterlassen hat. Was Luckys Krallen und Zähne beim Wiesel angerichtet haben, konnte ich nicht in Erfahrung bringen, da es nur noch kam, wenn keiner von uns zu sehen war. Also nehme ich an, dass mein vierbeiniger Hausfreund sich kräftig verteidigt hat. Ich merkte nur immer an den Hinterlassenschaften des Wiesels, dass es wieder zum Fressen gekommen war. Mein Kater wurde durch dieses Erlebnis erst einmal sehr häuslich, bis die Igelsaison beendet war.

Eins ist jedoch sicher, im August diesen Jahres werden hier wieder kleine Minibürsten über den Rasen wetzen.
 



 
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