Worte

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Tezetto

Mitglied
An diesem einen Tag starb mein altes Leben.

Noch bevor du die Tür ganz geöffnet hattest, konnte ich sehen, was du dachtest. Jeder Dendrit, der bei dem Licht deiner Erscheinung begann, sein Feuer über Myriaden von Axonen zu vernetzen, liess mich erkennen. Ich konnte deine Gefühle in meine Gedanken eintauchen sehen.

Dein Wille, das Erschaudern meines Körpers.

Doch du warst taub mich zu hören, zu blind, mich zu erkennen, unfähig zu tasten.

Ich suchte nach Wörtern. Einer Stimme, die mich in deine Nähe bringen konnte. Meine Gedanken rannten das Alphabet auf und ab, wirr, so wirr, was ich ineinander stapelte.

Die Tage wanderten durch einen Sumpf. Planlos stolperte ich hinter dir her. Versuchte, jedem Abdruck deiner Füsse eine Bedeutung zu geben. Sah im Staub, der sich von deinen Kleidern löste ein Orakel. Erkannte Dinge, Ungeschehenes in diesen Mikrowolken, Schuppen, Flusen, Staub, in diesem Nichts.

Wenn du den Mund öffnest, nur um keinen Ton über deine Zunge kommen zu lassen, warum konnte dann nicht wenigstens ein flüchtiger Gedanke meine Lippen streifen? Ein Wort, ein einziges Wort nur gegen die Welt.

Doch endlos langes Schweigen, dein Kopf mir zugeneigt, das Feuer in deinen Augen in meine Seele gebrannt. In der lärmenden Stille dieser Welt verbeugst du dich und gehst. Du hast mich nicht einmal gesehen, wie sollte ich da erwarten, das du mich erkennst?

Wie ein Zelt aus Eis um dich herum die Kälte, frierende Netze in die Menge geworfen, du greifst deine Beute. Und bist noch erstaunt über den Fang.

Blick auf zu dir, rede und rede mich um den Verstand. Wellen aus Wörtern, Sätzen, loser Grammatik schlagen ein in dein unendlich tiefes Blau. Und wühlen nichts auf, prallen gegen deine Dünen, vertrocknen im Sand deiner Küste.

Etwas in mir bricht auf, in meinen Adern beginnen Gefühle zu kochen, brodeln Hormone, verdampfen Endorphine. Dein Blick auf mir, gross, dunkel, tief und wild. Einsam bin ich mit dir. Und Einsamkeit werden wir ernten.

Alles zieht an mir vorbei, mein ganzes Leben zeitgerafft.

Ich sehe, dass du denkst.
Ich denke, was du fühlst.
Ich fühle, was du willst.
Aber ich hör dich nicht.
Ich hör nicht auf.

Bitte gib mir nur ein Wort.

(Der Text ist ein kleines Experiment, inspiriert ist er von dem Song NUR EIN WORT von WIR SIND HELDEN)
 
B

bonanza

Gast
bei deinem text dachte ich an die apalliker, die wir
ab und zu pflegen. oder an demente im letzten stadium.
ich könnte mir vorstellen, dass dein text die gefühle
von angehörigen bzw. partnern dieser kranken treffend
beschreibt. das ist meine assoziation beim lesen.
es könnte auch eine mißglückte lovestory sein.
die ohnmacht ist spürbar. aber die hoffnung noch nicht
gestorben.
gib mir ein zeichen, dass du mich siehst, erkennst.
laß mich nicht allein mit meinen gedanken.

bon.

(deine inspirationsquelle, welche du am ende angibst,
ist mir unbekannt.)
 

Tezetto

Mitglied
Originaltext

Hallo Bonanza,

hier ist der Originaltext von WIR SIND HELDEN - NUR EIN WORT, dann lässt sich meine Interpretation vielleicht besser erschliessen.

Ich sehe, dass du denkst
Ich denke dass du fühlst
Ich fühle dass du willst
aber ich hör dich nicht ich

hab mir ein Wörterbuch geliehen
dir A bis Z ins Ohr geschrieen
Ich stapel tausend wirre Worte auf
die dich am Ärmel ziehen

Und wo du hingehen willst
Ich häng an deinen Beinen
Wenn du schon auf den Mund fallen musst
Warum dann nicht auf meinen

Oh bitte gib mir nur ein Wort
Bitte gib mir nur ein Oh
Bitte gib mir nur ein
Bitte bitte gib mir nur ein Wort

Es ist verrückt wie schön du schweigst
Wie du dein hübsches Köpfchen neigst
Und so der ganzen lauten Welt und mir
die kalte Schulter zeigst

Dein Schweigen ist dein Zelt
Du stellst es mitten in die Welt

Spannst die Schnüre und staunst stumm wenn
Nachts ein Mädchen drüber fällt

Zu deinen Füssen red ich mich
um Kopf und Kragen
Ich will in deine tiefen Wasser
Große Wellen schlagen

Oh bitte gib mir nur ein Wort

In meinem Blut werfen
die Endorphine Blasen
Wenn hinter deinen stillen
Hasenaugen die Gedanken rasen

M: J. Holofernes, J.-M. Tourette, P. Roy, M. Tavassol
T: J. Holofernes
©Wir sind Helden
 

Tezetto

Mitglied
Hallo Bonanza,

läuft im Radio eigentlich rauf und runter (okay, wenn man wie ich nur Einslive hört ;-)

Gruss
Torsten
 



 
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