Worte IV

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Astrid

Mitglied
Hallo

habe mir dein Gedicht ausgedruckt, lese es wieder und wieder, doch der erste Eindruck wird nicht schwächer, eher stärker - es berührt mich sehr, wirklich sehr. Ich finde, du hast sehr schöne Bilder gefunden. Mir fällt es nicht leicht, zu einem Gedicht etwas zu sagen, ich finde es generell nicht leicht, zu interpretieren, was sich der Autor vielleicht gedacht hat. Also auch auf die Gefahr hin, dass ich nun völlig falsch liege -ich empfinde es als eine große Liebeserklärung für jemanden. Wenn du auch nichts halten kannst und am Ende mit leeren Händen da stehst, wenn du glaubst, du hast dich selbst verloren, ist da jemand, der es dir sagt, für den du gelebt hast, der dich auffängt, wenn du fällst. Und für dieses schon 1 Millionen Mal und mehr beschriebene Thema ist es dir gelungen, ein neues Kleid zu nähen.
Herzliche Grüße
Astrid
 

NewDawnK

Mitglied
Hallo Astrid,

freut mich sehr, dass Dich der Text erreicht hat.
Ohne jedes Feedback würde es uns ganz sicher schwer fallen zu beschreiben, wer wir sind. In diesem Zusammenhang spielen die Worte des LyrDu eine nicht unerhebliche Rolle - im positiven wie im negativen Sinn. Wer oder was bestimmt letzten Endes unser Selbstbild? Das war die Ausgangsfrage, die diesem Gedicht zugrunde liegt.
Die Angst vor dem Nichts-Sein sitzt gewöhnlich so tief, dass daraus bei den meisten Menschen der starke Wunsch resultiert, zumindest in der Liebe zu einem anderen Menschen einen dauerhaft geeigneten Spiegel zu finden. Dass dies in der Realität nicht immer so gelingt, wie man sich das vorstellt, mag daran liegen, dass wir uns selbst und den Anderen seltenst so vielschichtig wahrnehmen/annehmen, wie wir eigentlich sind. Deshalb bleibt zwischenmenschliche Liebe m.E. oft Stückwerk... Du siehst, an dieser Stelle wird's für mich schon eher philosophisch... als Liebeserklärung an das, was uns im Innersten Halt gibt, kann man den Text durchaus sehen.

Vielen Dank für Deinen netten und ausführlichen Kommentar.

Schöne Grüße, NDK
 
H

HFleiss

Gast
Hallo NDK,

ja, mich spricht dieses Gedicht ebenfalls an. Aber anders als Astrid. Ich nehme nämlich in diesem Gedicht etwas wahr, was man im allgemeinen als Anbetung eines Idols bezeichnet, eine sehr merkwürdige Liebeserklärung, typisch männlich. Ich will dir erklären, warum ich das so sehe:

Im ersten Vers ist der Spiegel leer, "die Welt" spielt sich hinter dem Spiegel ab - ich, der Geliebte, habe mir eine heimliche Welt aufgebaut, in deren Geheimnisse ich dich einführe werde. Ich bin ein besonderer Mensch.

Der zweite Vers: Wenn man Worte "ohne Inhalt, dumpf und schwer", spricht, ist es wohl klar, dass dann das Echo nichts anderes wiedergeben kann. Soviel zur Logik.

Der dritte Vers: Hier wird es pathetisch. Geliebte, ich sterbe dir weg, "hohl und ohne jeden Sinn". Wobei nicht sicher ist, worauf sich "hohl und ohne jeden Sinn" bezieht: auf die Zeit, den Rahmen oder das Sterben oder das Ich.

Der vierte Vers: Die Erfüllung - die Geliebte betet ihn an.
Trotz all des vorherigen Blödsinns verzeiht sie ihm, gibt ihm sogar eine Deutung dessen, wer er war und wer er ist - und er ist noch nicht mal böse. Er liebt sie eben wie ein Mann. Und das ist das Realistische an diesem Gedicht, ein Jahrhundertschritt zurück: Es kann einer noch so viel (maskulinen) Blödsinn reden, wenn man liebt, nimmt man alles in Kauf. Das ist die Prämisse dieses Gedichts. Nun bin ich leider kein Mann, sondern eine Frau und muss dir sagen, dass ich mich schon immer über die Schwüre eines Mannes im Bett amüsiert habe. Ich hoffe, ich bin nicht zu emotional an die Deutung deines Gedichts herangegangen.

Gruß
Hanna
 

NewDawnK

Mitglied
Danke, HFleiss, für Deine ausführliche Interpretation!
Spannend, was man in Texte so alles hineinlesen kann, wenn man die düsteren Sichtweisen miteinbezieht.
Vor allem Dein "typisch männlich" gibt mir zu denken.

Schöne Grüße, NDK
 

Vera-Lena

Mitglied
Hallo NDK,

zu dem Imhalt Deines Textes nach meinem ganz persölichen Verständnis:

Würdest Du tatsächlich jemals jemandem begegnen, der weiß, wer Du bist, würde er es Dir nicht sagen, denn das ist ja unsere Aufgabe, dem selbst nachzuspüren.

Alle anderen Menschen können Dir immer nur Splitterchen dessen vorzeigen, was du bist, denn man erkennt im anderen immer nur das, was man in sich selbst auch schon verwirklicht hat.

Wenn Du nun meinst, Dich auf so angenehme Weise in den Worten eines Menschen gespiegelt zu fühlen, dann gönne ich Dir diese Illusion von Herzen! Schließlich braucht man ja auch mal eine Erholungspause. So also verstehe ich Deine Zeilen.

Liebe Grüße von Vera-Lena
 

NewDawnK

Mitglied
Danke Vera-Lena,

so ungefähr war's ursprünglich auch gedacht.
Wer im eigenen menschlichen Bewusstwerdungs-Prozess voranschreitet, macht sich immer weniger Bilder, weder von sich selbst noch von Anderen. Entsprechend wird er/sie die Bilder, die er/sie trotz allem im Kopf hat, auch nicht dazu benutzen, einen Menschen beschreiben zu wollen... das schließt selbstverständlich jedes "Du" in jedem Gedicht auf dieser Welt mit ein.

Schöne Grüße, NDK
 
H

HFleiss

Gast
Lieber NDK, wenn du dich ein bisschen mehr mit (nicht nur) neuerer Lyrik beschäftigt hättest, würdest du erstaunt feststellen, dass die meiste Lyrik eben nicht so jubeloptimistisch (ich nenn es mal so, aber ich kenne nur dieses eine Gedicht von dir, und das ist ausgerechnet ein Liebesgedicht. Ich mag im übrigen Liebesgedichte sehr) ist wie deine, sondern immer Themen behandelt, an denen sie sich reibt, mal humoristisch, mal tiefernst. Es fällt mir nun mal schwer, die menschliche Entfremdung optimistisch anzugehen, als wenn: Na wird schon wern mit Beern. Schaun mer mal, und im übrigen ist das Leben schön, wer wird sich denn mit den Abgründen beschäftigen.

Aber zu deinem Gedicht: Es war nicht so schwer, genau das herauszulesen, was ich dir geschrieben habe. Und dass ich auf "maskulin" anspiele, hat einen Grund, vielleicht findest du ihn selbst? Damit du aber nicht denkst, dass ich dein Gedicht grundschlecht finde: Nein, mir gefällt schon die "Melodie" der Verse. Was mir nicht gefällt, ist dein Herangehen an den Inhalt (Schau mir in die Augen, Kleines) und das habe ich dir geschrieben. Und das ist nun mal mein ganz persönlicher Eindruck von deinem Gedicht.

Gruß
Hanna
 
Hallo NewDawnK,
ich empfinde den Text im weitesten Sinne als religiös, spirituell, aber mach was,ich weiß nicht so genau warum!
Meiner Meinung nach deutet die letzte Strophe darauf hin, ein Anderer kann nicht wissen, wer man war UND wer man ist. Nur man selber könnte es wissen oder Gott. (Jetzt wirds schwierig :) sorry! )
Herzlichen Gruß von Amaretta
 

NewDawnK

Mitglied
Hallo AmarettazuBlaue,

ganz richtig. LyrDu kann nicht von dieser Welt sein.
Wer weiß, wie schwer es ist, sich selbst in allen Facetten seiner Persönlichkeit zu erkennen, wäre dumm, dieses Erkennen von einem anderen Menschen zu erwarten.
Trotzdem gibt es in der Liebe die Gewissheit/den Glauben/die Illusion, dass das Ich letzten Endes in seinem ganzen Wesen erkannt und angenommen wird. Da scheint etwas über den logischen Verstand hinauszureichen, das man mit Worten und Bildern nicht erfassen kann. Solche Lücken im Verstehen machen sich religiöse oder spirituelle Führer gerne für ihre eigenen Zwecke zunutze - leider.
Vielen Dank für Deinen Kommentar!

Schöne Grüße, NDK
 
M

Melusine

Gast
Hallo NDK,
meistens lese ich deine Gedichte still im Hintergrund und sage nichts dazu, weil mir nichts dazu einfällt, aber ich lese sie fast alle. Dein Stil ist nicht ganz mein Geschmack (ich glaube das weißt du), aber in meiner laienhaften Sicht erscheint es mir so als würden deine Texte immer besser. Dieses Gedicht finde ich wieder mal sehr gut gelungen, sowohl inhaltlich wie formal.

Hannas Fleiß beim Entdecken maskuliner Züge kann ich ehrlich gesagt nicht nachvollziehen. Ich hatte noch bei keinem deiner Texte den Eindruck, dass er "typisch männlich" sei. Im Gegenteil finde ich mich bisweilen durchaus selbst darin wieder. Insbesondere empfinde ich die Spiegelung des eigenen Ichs in den Augen des Gegenübers, dieses "Sich nur im anderen Sehen", eigentlich als eher weibliches "Problem" (falls es denn ein Problem ist).

Nebenbei bemerkt ist das wohl wieder mal ein typisches Beispiel für die (m. E. grundsätzlich und immer!) unangebrachte Gleichsetzung von Autor und "lyrischem Ich".

Formal finde ich dieses dein Gedicht als eine interessante Variante von "eigentlich gereimt"... du tatest dennoch wohl gut daran es unter "Ungereimtes" einzustellen, weil es ja keinem klassischen Reimschema entspricht.

Langer Rede kurzer Sinn: Ich mag es.

Mel
 



 
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