Zeit und Ewigkeit

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Nicolas

Mitglied
Ich kann alte Menschen nicht leiden. Wie sie sich todkrank und halbtot an ihr erbärmliches, würdeloses Leben klammern und damit auch an die Jungen, die frei leben wollten und in der Umklammerung der Alten abgehalten werden, etwas zu tun, etwas zu verändern, etwas zu bewegen, für sich und für alle anderen jungen Menschen, die noch voll von Träumen und Begeisterung sind! Wie die Alten mit verfallenem Körper durch die eintönigen Tage wanken und nur noch versuchen, den labilen Zustand aufrecht zu erhalten! Wie sie mit zerfallenem Geist und einer verlorenen Persönlichkeit versuchen, andere Menschen zu beeinflussen, dass diese sich um sie kümmern, dass diese sie beachten! Wie grausam ist es zu betrachten, wie die alten Menschen verzweifelt mit leicht durchschaubarem Bemühen versuchen, die Jungen auf sich aufmerksam zu machen und mit ihnen zu reden! Nichts ist grauenhafter, als den langweiligen Erzählungen eines alten Menschen zu lauschen, der keinen eigenen Lebenssinn hat, keine Pflicht, keinen verpflichtenden Traum, sondern nur das Bestreben, irgendetwas zu tun, um nicht allein zu sein.
In vielen Büchern kommen alte Menschen vor: Sie sind erfurchtgebietende, allwissende Herren oder Frauen, deren Haar in Weisheit ergraut und deren stets \"immer noch blitzende\" Augen hinter der intellektuellen Lesebrille denkerisch hervorspähen. Und wenn sie nicht von diesem Schlag sind, sind sie zerstreute Lebemenschen, die immer für Spaß sorgen und sich mit der jungen Generation verbündet haben. Natürlich gibt es noch mehrere alte Menschen in Erzählungen, aber keiner entspricht der Wahrheit des alten Menschen, dessen Lebensflamme schon lange niedergebrannt ist und nur dadurch erhalten wird, dass die Jungen von ihrer Kerze Wachs abgeben, das der fast erstorbenen Flamme weniger nützt als es der jungen Flamme nützen könnte.
Diese alten Menschen, wie sind sie starrsinnig und widerspenstig gegenüber jeder neuen Meinung! Nur aus Angst, dass ihr bisheriges Leben falsch gewesen sein könnte, verweigern sie sich jeder neuen Lebenseinstellung, jeder neuentdeckten Wahrheit, jeder Veränderung, die von den jungen Menschen in die Welt gebracht wird. Ebenso wie an ihr Leben klammern sie sich an die Tradition, an das Althergebrachte, an die Religion, an die veralteten Werte ihrer Zeit!
Diese Menschen sind schwachsinnig und tot! Ich kann sie nicht leiden, überhaupt nicht. Sie sind die Trägheit, die jede Bewegung zur Wahrheit verhindert, sie sind die Bürde, die den Lauf der Zeit verlangsamt, sie sind nichts Gutes.
Ich bin jung und mein Geist und Verstand stehen in ihrer Blüte, und jedes Mal, wenn sie ihren Zenit erreicht zu haben scheinen, wird dieser kurz darauf durch einen noch höheren Höhepunkt ersetzt. Meine Gedanken und Träume und Gefühle lassen mich oft selbst erschrecken. Mein Leben ist ein ungeheures donnerndes Gewitter, ein hell strahlender Mond, eine sich entfaltende Blumenblüte, eine wild lodernde Flamme.
Vor einiger Zeit fand ich beim Durchstöbern des Dachbodens ein Gemälde. Meine Großmutter hatte mich dazu bewegt, da sie anscheinend nicht zur Ruhe kam, solange sie den Speicher unaufgeräumt wusste. Meine Großmutter ist zweiundsiebzig Jahre alt. Vor drei Jahren hat sie einen Schlaganfall erlitten. Seitdem ist sie halbseitig gelähmt, kann nicht mehr alleine essen und trinken, kann nicht sprechen und es ist immer eine Qual, ihr zuzuhören, wenn sie unter größter Anstrengung auf das dringliche Zureden jemandes anderes zum Beispiel einen Blumentopf mit seinem Namen bezeichnet. Ihr ganzer Körper ist klein und zusammengeschrumpelt, verkümmert: Jede Leiche, die in einem Sarg liegt, ist schöner und lebendiger als sie. Wenn sie lacht, lache ich auch immer mit, um ihr zu zeigen, dass sie im Grunde doch noch ein normaler Mensch geblieben ist, doch innerlich weine ich über das primitive und unlustige Lachen, das sie hervorbringt. – Wie sie vorher gewesen war, weiß ich fast nicht mehr, in meiner Vorstellung war sie schon immer in diesem Rollstuhl gesessen. Einerlei – vor kurzem fand ich beim Durchstöbern des Dachbodens ein Gemälde. Es zeigte ein Mädchen etwa in meinem Alter. Ich schätzte das Herstellungsdatum ungefähr auf den Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts ein, weil es offensichtlich ein Portrait war und der Stil des Gemäldes mich in irgendeiner Art an diese Epoche erinnerte. Vielleicht war es auch aus den Anfängen der zwanziger Jahre, ich bin kein großer Kunstkenner.
Jedenfalls stellte das Portrait ein junges Mädchen dar. Sie hatte den Kopf viertels zur Seite gedreht und ein wenig nach unten geneigt. Dadurch blickten ihre Augen etwas von unten und von der Seite aus dem Ölgemälde heraus, so verführerisch nebenbei, und so lässig! Die rot glänzenden Haare waren kompliziert nach hinten aufgesteckt, so dass seitlich ihr liebreizender Nacken zur Geltung kam. Es gibt nur wenige Mädchen, die den gewissen – Adel in sich haben. Wenn sie die Haare aus ihrem Nacken bringen, kommt dieser noch mehr zur Geltung und alles an ihnen erscheint so wunderbar graziös, edel, so auf zärtliche Weise anmutig. Das Gemälde perfektionierte dieses Ideal oder besser: ließ es in mir erst entstehen. Auch die zierliche kleine Nase, die verführerisch halboffenen Lippen und die sanften grünen Augen unterstrichen nur diese einzigartige Anmut. Besonders die grünen Augen und die roten Haare, dann die bezaubernd frechen Sommersprossen auf dem zierlichen, nach innen gebogenen Näschen: Vollkommene Anmut! Und erst dieser Blick! Man muss sich das einmal vorstellen!
Ich hatte mich auf den ersten Blick in diesen Kopf verliebt, unsterblich verliebt, wie man sich nur in seiner Jugend verlieben kann. Zuerst wollte ich das schöne Gemälde im Wohnzimmer aufhängen, aber ich nahm es nach reiflicher Überlegung in mein eigenes Zimmer, weil ich wollte, dass es mir gehörte und ich allein darüber urteilen wollte. Ich wollte nicht, dass irgendwer das Gemälde mit \"schön\" oder \"gelungen\" oder ähnlich unwürdigen Bezeichnungen verunglimpfen könne. Ich wollte sie allein für mich haben und ich denke, das kann man gut verstehen, wenn man mich etwas versteht. Ich stellte es in meinem Bücherregal ganz nach hinten, hinter die zehn Bände des Lexikons. Immer, wenn ich es betrachten wollte, schob ich die Lexika zur Seite und konnte es so ungestört studieren, während ansonsten niemand es zu Gesicht bekam.
Ich schrieb viele Gedichte über dieses schöne Mädchen. Ich glaube, es stimmt, dass die Liebe zu einer Person mit der Entfernung von ihr zunimmt - so bleibt sie immer ein Rätsel und Mysterium. Das Mädchen und der Schöpfer des Gemäldes waren für mich das größte Mysterium meiner ganzen bisherigen Jugend. Ich ließ das Mädchen in tausend Geschichten spielen und war stets unzufrieden, dass ich sie mit meinen Schilderungen nicht in ihrer ganzen Schönheit aufleben lassen konnte. Ihr Blick gab mir Hoffnung und Zuversicht, sie war für mich eine ganze Welt. Und je länger ich es betrachtete, desto unsterblicher verliebte ich mich in das alte Gemälde.
Einige Jahre später saß ich in der Nacht vor meinem Schreibtisch und schrieb einen kleinen Gedanken über Schönheit nieder. Nach einiger Zeit schob ich die Lexika zur Seite um das Bild noch einmal zu betrachten. Da klopfte es plötzlich unvermutet an meine Tür und ungefragt kam meine Großmutter auf ihrem Rollstuhl hereingerollt. Sie sah jetzt noch viel älter aus als damals, als ich sie geschildert hatte. In ihren Augen war überhaupt nichts, sie waren nur noch grau und müde und träge. Sofort hasste ich sie wieder, weil sie mich unterbrochen hatte, weil sie die Trägheit darstellte, die meinen Weg zur Wahrheit und meinem Weg an sich im Wege stand. Sie gab mir mit unbeholfenen und angestrengten Worten zu verstehen, dass ich ihr die Medizin machen solle, was ich an diesem Abend vergessen hatte. Ich hasste es, sie mit dieser scheußlichen Medizin zu füttern, die sie am Leben hielt! Am liebsten hätte ich sie aus dem Zimmer geschoben oder wäre selbst irgendwo anders hingegangen.
Doch schließlich ging ich natürlich doch in die Küche und holte diese Medizin und bereitete mich darauf vor, sie selbst füttern zu müssen – wie ich es hasste, sie zu füttern, die nicht einmal gefüttert werden konnte, ohne zu sabbern. So kam ich nun mit der Medizin in der Hand ins Zimmer zurück. Doch da: Meine Großmutter saß vornübergebeugt in ihrem Rollstuhl und hatte die nichtgelähmte Hand schwach erhoben: Sie deutete auf das Gemälde, das sie offenbar bemerkt hatte. Minutenlang versuchte sie, mir mit Worten etwas mitzuteilen, doch – wie nicht selten – brachte sie nichts heraus und stockte nur von einem Versuch zum nächsten. Irgendwie schaffte sie es, mir verständlich zu machen, dass ich mir die Rückseite des Gemäldes ansehen solle. Also holte ich es – obwohl es mir zuwider war – aus dem Rahmen und sah mir die Rückseite an. Darauf stand: \"Selbstbildnis\", dann ein Komma und dann eine schwungvolle, lebendige Signatur, die ich erst Tage später als die meiner Großmutter identifizierte.

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Ich bitte, die Verallgemeinerungen in Bezug auf die Alten Menschen zu verzeihen. Schließlich ist der Ich-Erzähler auch keine wirklich einsichtige Person.
Was eine Sache betrifft, bin ich mir sehr im Unklaren: Kann es sein, dass man schon lange vor dem Ende dasselbe erraten kann?
 

GabiSils

Mitglied
Lieber Nicolas,

ja, man sieht das Ende bereits beim Fund des Gemäldes kommen.

Das Thema ist brisant, und du kannst auch schreiben. Dennoch kann ich mich für diese Erzählung nicht so recht erwärmen; einmal tatsächlich wegen der Vorhersehbarkeit, denn ich finde, das macht eine der "Ätsch"- Stories daraus, wie ich sie nenne. Dein Thema hat das nicht verdient.
Zum Anderen ist der Anfang sehr weitschweifig geraten. Innere Monologe sind immer heikel. Mehr zeigen, weniger erklären wäre hier besser.

Kannst du das Ganze mit mehr Handlung versehen, möglicherweise auch Dialog? Der Protagonist könnte mit einem Freund reden und seine Ansichten zum Besten geben (aber gestrafft, bitte! So meint man ja, du schreibst einen Essay).

Ich würde mich freuen, wenn du die Geschichte umarbeitest, sie könnte gut werden.

Gruß,
Gabi
 
S

Stoffel

Gast
Hallo,

mir hat die Idee sehr gut, zum grössten Teil auch die Ausführung, gut gefallen.
Irgendwie n echter Hammer.
Denn im Grunde ist das Mädchen..ja eine der Menschen, nämlich ein alter Mensch, die der Prot fast schon hasst.
Echt heftig, ich mag solch Ausgänge.

Überarbeiten wäre gut, denn diese Geschichte kann dadurch wirklich klasse werden.
Nur so ein paar spontane Gedanken intergriert...von mir. Nichts fertiges, soll nur anregen:)

lG
Stoffel

Ich kann alte Menschen nicht leiden. Wie sie sich todkrank und halbtot an ihr erbärmliches, würdeloses Leben klammern.UnsJungen, die frei leben wollen, noch voller Träume und Begeisterung sind, mit ihren Umklammerungen scheinen davon abzuhalten, etwas zu tun, zu verändern, zu bewegen.
Ich kann es nicht leiden, wiedie Alten mit verfallenem Körper durch ihre eintönigen Tage wanken und ständig versuchen, den labilen Zustand aufrecht zu erhalten , ihre Mitmenschen beeinflussen, sich um sie zu kümmern, sie zu beachten.

Wie sie mit zerfallenem Geist und einer verlorenen Persönlichkeit versuchen, verzweifelt, mit leicht durchschaubarem Bemühen, die Jungen auf sich aufmerksam zu machen und mit ihnen zu reden.

Nichts ist grauenhafter, als den langweiligen Erzählungen eines alten Menschen zu lauschen, der keinen eigenen Lebenssinn hat, keine Pflicht, keine Träume mehr hat und alles nur, um nicht allein zu sein.

In vielen Büchern kommen alte Menschen vor: Sie sind erfurchtgebietende, allwissende Herren oder Frauen, deren Haar in Weisheit ergraut und deren stets \"immer noch blitzende\" Augen hinter der intellektuellen Lesebrille denkerisch hervorspähen. Und wenn sie nicht von diesem Schlag sind, sind sie zerstreute Lebemenschen, die immer für Spaß sorgen und sich mit der jungen Generation verbündet haben. oder sie sind die, dich am wenigsten leiden kann. Die, die auf ihren Tod nur warten.
Natürlich gibt es noch mehrere alte Menschen in Erzählungen, aber keiner entspricht der Wahrheit des alten Menschen, dessen Lebensflamme schon lange niedergebrannt ist und nur dadurch erhalten wird, dass die Jungen von ihrer Kerze Wachs abgeben, das der fast erstorbenen Flamme weniger nützt als es der jungen Flamme nützen könnte.
Diese alten Menschen, wie sind sie starrsinnig und widerspenstig gegenüber jeder neuen Meinung. Ist es gar dieAngst, ihr bisheriges Leben könntefalsch gewesen sein? So
verweigern sie sich jeder neuen Lebenseinstellung, jeder neuentdeckten Wahrheit, jeder Veränderung, die von den jungen Menschen in die Welt gebracht wird. Ebenso wie an ihr Leben klammern sie sich an die Tradition, an das Althergebrachte, an die Religion, an die veralteten Werte ihrer Zeit!
Diese Menschen sind schwachsinnig und doch jetzt schontot! Ich kann sie nicht leiden, überhaupt nicht. Sie sind die Trägheit, die jede Bewegung zur Wahrheit verhindert, sie sind die Bürde, die den Lauf der Zeit verlangsamt, sie sind nichts Gutes.
Ich bin jung und mein Geist und Verstand stehen in ihrer Blüte, und jedes Mal, wenn sie ihren Zenit erreicht zu haben scheinen, wird dieser kurz darauf durch einen noch höheren Höhepunkt ersetzt. Meine Gedanken und Träume und Gefühle lassen mich oft selbst erschrecken. Mein Leben ist ein ungeheures donnerndes Gewitter, ein hell strahlender Mond, eine sich entfaltende Blumenblüte, eine wild lodernde Flamme.
Heute/Dann...fand ich beim Durchstöbern des Dachbodens ein Gemälde. Meine Großmutter hatte einen Schlaganfall erlitten, ist seit dem halbseitig gelähmt, kann nicht mehr alleine essen und trinken und es ist eine Qual für mich zuzuhören, wenn sie angestrengt versucht zu erzählen.

Ihr ganzer Körper ist klein und zusammengeschrumpelt, verkümmert: Jede Leiche, die in einem Sarg liegt, ist schöner und lebendiger als sie. Wenn sie lacht, lache ich auch immer mit, um ihr zu zeigen, dass sie im Grunde doch noch ein normaler Mensch geblieben ist, doch innerlich weine ich über das primitive und unlustige Lachen, das sie hervorbringt. - Wie sie vorher gewesen war, weiß ich fast nicht mehr, in meiner Erinnerungist sie schon immer in diesem Rollstuhl gesessen.

Das Gemälde zeigte ein junges Mädchen in meinem Alter. Es war, laut Datierung/Signierung (nicht Herstellungsdatum, ist ja keine Dose Ravioli:)) Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts entstanden sein

Ihr Kopf war leicht zur Seite gedreht und ihr Blick nach unten gerichtet

Die rot glänzenden Haare waren kompliziert nach hinten aufgesteckt, so dass seitlich ihr liebreizender Nacken zur Geltung kam. Sie schien graziös, das was ich anmutig nennen würde und wirkte auf wundersame Weise, ein wenig verführerisch auf mich. Auch schien sie einen gewissen adligen Touch zu haben. Sie war ein Mädchen, wie ich es nie kennengelernt habe.

Auch die zierliche kleine Nase, die verführerisch halboffenen Lippen und die sanften grünen Augen unterstrichen nur diese einzigartige Anmut. Besonders die grünen Augen und die roten Haare, dann die bezaubernd frechen Sommersprossen auf dem zierlichen, nach innen gebogenen Näschen: Vollkommene Anmut! Und erst dieser Blick! Man muss sich das einmal vorstellen!
Ich hatte mich auf den ersten Blick in diesen Kopf verliebt, unsterblich verliebt, wie man sich nur in seiner Jugend verlieben kann. Zuerst wollte ich das schöne Gemälde im Wohnzimmer aufhängen, aber ich nahm es nach reiflicher Überlegung in mein eigenes Zimmer, weil ich wollte, dass es mir gehörte und ich allein darüber urteilen wollte. Ich wollte nicht, dass irgendwer das Gemälde mit

Ich wollte sie allein für mich haben und ich wollte sie jeden Morgen, wenn ich erwachte, bei mir haben/sie sehen
ich denke, das kann man gut verstehen, wenn man mich etwas versteht. Ich stellte es in meinem Bücherregal ganz nach hinten, hinter die zehn Bände des Lexikons. Immer, wenn ich es betrachten wollte, schob ich die Lexika zur Seite und konnte es so ungestört studieren, während ansonsten niemand es zu Gesicht bekam.
Ich schrieb viele Gedichte über dieses schöne Mädchen. Ich glaube, es stimmt, dass die Liebe zu einer Person mit der Entfernung von ihr zunimmt - so bleibt sie immer ein Rätsel und Mysterium. Das Mädchen und der Schöpfer des Gemäldes waren für mich das größte Mysterium meiner ganzen bisherigen Jugend. Ich ließ das Mädchen in tausend Geschichten spielen und war stets unzufrieden, dass ich sie mit meinen Schilderungen nicht in ihrer ganzen Schönheit aufleben lassen konnte. Ihr Blick gab mir Hoffnung und Zuversicht, sie war für mich eine ganze Welt. Und je länger ich es betrachtete, desto unsterblicher verliebte ich mich in das alte Gemälde.
(aber doch in das Mädcvhen, mehr und mehr?)

Einige Jahre später saß ich in der Nacht vor meinem Schreibtisch und schrieb einen kleinen Gedanken über Schönheit nieder. Nach einiger Zeit schob ich die Lexika zur Seite um das Bild noch einmal zu betrachten. Da klopfte es plötzlich unvermutet an meine Tür und ungefragt kam meine Großmutter in ihrem Rollstuhl hereingerollt. Sie sah jetzt noch viel älter aus als damals, als ich sie geschildert hatte. In ihren Augen war überhaupt nichts, sie waren nur noch grau und müde und träge. Sofort hasste ich sie wieder, weil sie mich unterbrochen hatte, weil sie die Trägheit darstellte, die meinen Weg zur Wahrheit und meinem Weg an sich im Wege stand. Sie gab mir mit unbeholfenen und angestrengten Worten zu verstehen, dass ich ihr die Medizin machen solle, was ich an diesem Abend vergessen hatte. Ich hasste es, sie mit dieser scheußlichen Medizin zu füttern, die sie am Leben hielt! Am liebsten hätte ich sie aus dem Zimmer geschoben oder wäre selbst irgendwo anders hingegangen.
Doch schließlich ging ich natürlich doch in die Küche und holte diese Medizin und bereitete mich darauf vor, sie selbst füttern zu müssen - wie ich es hasste, sie zu füttern, die nicht einmal gefüttert werden konnte, ohne zu sabbern. So kam ich nun mit der Medizin in der Hand ins Zimmer zurück. Doch da: Meine Großmutter saß vornübergebeugt in ihrem Rollstuhl und hatte die nichtgelähmte Hand schwach erhoben: Sie deutete auf das Gemälde, das sie offenbar freudigbemerkt hatte. Minutenlang versuchte sie, mir mit Worten etwas mitzuteilen, doch - wie nicht selten - brachte sie nichts heraus und stockte nur von einem Versuch zum nächsten. Irgendwie schaffte sie es, mir verständlich zu machen, dass ich mir die Rückseite des Gemäldes ansehen solle. Also holte ich es - obwohl es mir zuwider war - aus dem Rahmen und sah mir die Rückseite an. Darauf stand: \"Selbstbildnis\", dann ein Komma und dann eine schwungvolle, lebendige Signatur, die ich erst Tage später als die meiner Großmutter identifizierte.
 

Nicolas

Mitglied
Danke euch beiden!

Lieber Stoffel,

ich werde mir deine Vorschläge durchschauen und eventuell einbauen (falls sie in meine Vorstellung eines guten Schreibstils passen).

Liebe Gabi,

die weitgehende Weitschweifigkeit liegt wohl daran, dass ich die Geschichte nicht als Geschichte konzipiert hatte, sondern einfach aus dem spontanen (und recht provokativen) Anfangsgedanken eine ganze Geschichte gesponnen habe. Die ganzen Gedanken gehören in ihrem ganzen Umfang vermutlich nicht in eine Kurzgeschichte, weil sie meist nur Redundanzen sind.
Vielleicht wäre es besser, die ganze Handlung umzustrukturieren: Beispielsweise, dass man mit der Beerdigung der Großmutter beginnt (während der man durch das Verhalten der Hauptperson auf dessen Haltung gegenüber älteren Menschen aufmerksam wird). Danach durchsucht die Person das Erbe und findet ein Bild von ihr. Dadurch ist der Effekt aber längst nicht so drastisch, wie er hätte sein können.
Allgemein glaube ich, dass man diese Geschichte mit ihrem Inhalt nicht in einer Kurzgeschichte gut zusammenfassen kann. Ich glaube, sie eignet sich mehr als Episode in einem Roman oder einer Nouvelle, weil in diesem Fall die Vorhersehbarkeit durch die Komplexität sehr gering wird.
Ich werde mir den Ratschlag "mehr zeigen, weniger erklären" zum Herzen nehmen. (ich glaube, er ist gut)

Nicolas
 
S

Stoffel

Gast
Hallo Nicolas,

sehe gerade, dass ich irgendwo vergessen habe das "b" zu schliessen und alles ist am Ende fett geschrieben, sorry.

Ja, fein. Vielleicht ist ja was dabei:)

lG
Frau Stoffel
 
Hi Nicolas !
Ja , das Ende ist vorausschaubar ! Die Verallgemeinerung von alten Menschen als starrsinnige , nicht lebensfähige oder lebenswerte Geschöpfe widert mich zutiefst an. Bedenk ,mit deiner Einstellung wirste später auch so enden *g* , denn mit Sicherheit steckt in deinem Text ein Fünkchen Wahrheit über deine Auffassung von alten Menschen.
Werd lieber Autor von Kitschromanen ;) , würd dir besser stehen ! So wie du in langen schwülstigen Ausschweifungen über deine Liebe zu dem "jungen Mädchen" berichtet hast *g* ;)


Viele Grüße
Perlentaucherin
 
G

Gerrie

Gast
Ursprünglich veröffentlicht von Perlentaucherin
Hi Nicolas !
Ja , das Ende ist vorausschaubar ! Die Verallgemeinerung von alten Menschen als starrsinnige , nicht lebensfähige oder lebenswerte Geschöpfe widert mich zutiefst an. Bedenk ,mit deiner Einstellung wirste später auch so enden *g* , denn mit Sicherheit steckt in deinem Text ein Fünkchen Wahrheit über deine Auffassung von alten Menschen.
Werd lieber Autor von Kitschromanen ;) , würd dir besser stehen ! So wie du in langen schwülstigen Ausschweifungen über deine Liebe zu dem "jungen Mädchen" berichtet hast *g* ;)


Viele Grüße
Perlentaucherin
Hallo Nicolas, herzlichen Glückwunsch. Du schreibst stilistisch sehr schön, es ist ein Genuss, es so zu lesen. Gerade in dieser diametralen Bildbeschreibung erhält deine Geschichte etwas sehr Kraftvolles, Unerhörtes, Unverschämtes, was aufhorchen läßt. Der aufmerksame Leser erkennt aber auch hinter den Zeilen deine persönliche Angst vor Alter und Tod, eine ganz natürliche Haltung, insbesondere in deiner Jugend. Das Leben, der Jugendwahn und die Erkenntnis des Sterbens. Weiter so! LG Gerrie
 



 
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