Zeiten und Zeugen

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ENachtigall

Mitglied
Zeiten und Zeugen (überarbeitet)

1

Es war schon Halloween auch wenn noch
Keine kleinen Gespenster und Vampire
Süßes oder Saures sammelten

Die Luft, kalt und feucht wie eine riesige Schnecke
Kroch unter die Jacken und über
Ein Paar unbeschuht verschlungene Hände

Wir hielten uns an unserem Weltschmerz fest
Den machte keiner dem anderen madig
So fremd waren wir uns geblieben

Und gingen doch gemeinsam durch Feuer des Eifers
Und Sucht nach Wärme, zusammengetragen mit hungrigen Küssen
Als Nest für deine kleine Seele




2

Einmal schlug unsere Liebe Haken
Ankerte in der Sicherheit einer lang
Ersehnten Festanstellung deines Vaters

Du stürmtest die euphorische Verschlungenheit
Unserer zärtlich gezähmten Glieder
Um einen Hauch von Chance auf Geborenwerden willen

Das wird Charlotte gewesen sein
Murmelte ich auf dem Weg ins Bad
Während dein Vater längst vom Firmenwagen träumte



Zeiten und Zeugen

1

Es war schon Halloween auch wenn noch
Keine kleinen Gespenster und Vampire
Süßes oder Saures sammelten

Die Luft, kalt und feucht wie eine riesige Schnecke
Kroch unter die Jacken und über
Ein Paar unbeschuht verschlungene Hände

Wir hielten uns an unserem Weltschmerz fest
Den machte keiner dem anderen madig
So fremd waren wir uns geblieben

Und gingen doch gemeinsam durch Feuer des Eifers
Und Sucht nach Wärme, zusammengetragen mit hungrigen Küssen
Als Nest für deine kleine Seele




2

Einmal schlug unsere Liebe Haken
Ankerte in der Sicherheit einer lang
Ersehnten Festanstellung deines Vaters

Du stürmtest die euphorische Verschlungenheit
Unserer sehnsuchtsseufzenden Glieder
Um einen Hauch von Chance auf Geborenwerden willen

Das wird Charlotte gewesen sein
Murmelte ich auf dem Weg ins Bad
Während dein Vater längst vom Firmenwagen träumte



© Juli 2007
Elke Nachtigall
 

La Noche

Mitglied
Liebe ENachtigall,

Ich stehe wie gebannt vor deinen Bildern. Einerseits ist es, als wollten sie das Offensichtliche umschiffen oder irgendwie verschleiern, andererseits wird es gerade dadurch wahnsinnig intensiv. Die große Kraft der Gegensätze.

LG,
La Noche
 

ENachtigall

Mitglied
Danke für Deine starken Worte, La Noche. Es sind Erinnerungen, die man/ich vor dem Zerrinnen retten will - und doch sind es nur Spinnweben, die an Gewesenem haftengeblieben sind.

Grüße von Elke
 

Perry

Mitglied
Hallo Elke,
bin deinen Zeitzeugen gerne auf der Spur geblieben. Ich las sie als den Weg zweier Liebenden durch die Wirren des Lebens.
Besonders gut hat mir der jeweilige Schluss gefallen.
Etwas Pathos belastet kam mir dagegen der Ausdruck "sehnsuchtsseufzenden Glieder" vor.
LG
Manfred
 

Rhea_Gift

Mitglied
Schöne Bilder - wie ne Geschichte zu meinem "Das Paar", wie sie sich ausmalen könnte - mit anderem Ausgang wäre allerdings schöner ;)

LG, Rhea
 

ENachtigall

Mitglied
Pathos

@ Perry

Danke, Manfred, fürs Verfolgen der Spur und Kommentieren. Entstanden ist das Ganze durch die Idee, die Lebensspur meiner Kinder zum ersten zarten Aufblitzen zurück zu verfolgen. Bestimmt fragen sie mal: sag mal, Mama, wie war das denn damals mit Papa und dir ... Dann verdrehen sie sicher noch mehr die Augen als Du, bei den Sehnsuchtsseufzenden, aber macht nix! Aus Charlotte ist dann übrigens doch Theo (2) geworden, sehr zum Verdruss von Klara (1), die lieber eine Schwester hätte als nen neunmalklugen kleinen Bruder.

@ Rhea

Ich habe überall nach Deinem Gedicht "Das Paar" gesucht, weil ich es gerne in dem Zusammenhang gelesen hätte. Leider finde ich es nicht. Hast Du mal nen Link dazu?

Ich grüße Euch herzlich

Elke
 

Carlo Ihde

Mitglied
Die "sehnsuchtssäufzenden Glieder" stoßen mir auch ein bisschen auf. Das klingt so nach Romantik, Novalis, oder von Arnim, immer ein bisschen grundlos tiefsinnig, ein bisschen erweiterte Wirklichkeit die aus den normalen Armen und Beinen seufzende Glieder macht, die wiederum soviel Eigenleben und Verstand haben, dass sie die Probleme des Kopfes und der Seele erahnen. Nicht aber die Glieder sind es, sondern die Seele. Ich finde hingegen deine restliche Ausdrucksweise keineswegs so müßig wie die teils zuckersüßen teils tiefschwarzen Wege der Romantiker. Tatsächlich empfinde ich Novalis als Maskenträger, das Kind aus gutem Hause und mit keinem Grund der Klage. Dein Text hingegen ist gefeit ( bis auf besagte Glieder) vor der schweren Prätention eines weltabgeneigten Romantiker-Hedonisten-Gedöns. Er wirkt frisch, intelligent, die Metaphern haben Hand und Fuß ( sogar die besagten Glieder...hihi) und sie erscheinen ehrlich. Moderne Romantik also? Nein. Besser. Oder?
 

Carlo Ihde

Mitglied
Ich meinte natürlich "s[blue]eu[/blue]fzen"...


Kurz noch ein Gedanke: warum Halloween? Lässt zwar ein schönes Bild eines fröhlichen Herbstfestes entstehen. Aber automatisch stelle ich auch immer die Verbindung mit Gruselfilmen her, mit Massenmordern, willkürlichem Gemetzel, Halloween 1 bis 5, Halloween 20 Jahre danach etc.? Und warum dieses Angloamerikanische Kommerzzeugs? Klar, das ist die Welt da draußen. Aber nicht die deine, die du danach beschreibst, die kleine Welt mit den trotzdem ganz großen Dramen. Ich glaube zu wissen (hoffentlich), dass du dich mit dem Halloween eigentlich auch schwer tust.
 

ENachtigall

Mitglied
Kommentare

@ Milko

Danke für Deine anerkennenden Worte!

@ Carlo (und ebenso noch einmal an Perry)

Auch Dir zunächst ein herzliches Danke für den Kommentar. Wenn (mit Dir) nun immerhin schon zwei Kommentatoren Kritik am gleichen Punkt des Textes ansetzend üben, kann man bereits von einer kritischen Masse sprechen. Nun liegt es mir fern, eine solche zu ignorieren und ich überdenke ernsthaft, mit der besagten Formulierung der "sehnsuchtsseufzenden Glieder" nicht doch einer möglicherweise romantizistischen Verklärung erlegen zu sein...die nicht das transportiert, woran mir gelegen war: ein kurzes zur-Ruhe-Kommen hervorzuheben, das sich gleichzeitig physikalischer Natur in postkoitaler Entspannung und familiensoziologisch im Prozess des "Zukunftspläne-Schmiedens" spiegelt. Sozusagen die Zeit nach dem ambivalenten Abstrampeln :) mit Händen und Füßen (daher zwangsläufig die Glieder).

Würde nun meine neue Formulierung "zärtlich gezähmt" dem ganzen besser gerecht werden? Zumindest schüttelt es selbstbewußt jeden Romantikvorwurf ab wie einen Schneeschauer im April. Und an alle Ratlosen den Tip: gezähmt = sich vertraut machen. Passt. Punkt. Und schön gegrüßt. Ob´s auch gefällt sei in diesen virtuellen Raum gestellt ...

Elke.

P.S. Halloween, weil es das Datum markiert. Kein Horror, kein Kommerz, kein Kino. Nur der letzte Tag jenseits von November. Oder diesseits. Je nach dem.
 



 
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