Zentriert

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Pommel

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Es ist die Geschichte einer jungen Frau, eines Mädchens. Die Geschichte der jungen Frau zieht die Worte an. Magnetisch bildet sie einen gravimetrischen Pol, um den sich Schlaufen drehen. Um die Trabanten wandern, in nur vager Hoffnung, einen Sonnenlicht durchfluteten Blick erhaschen zu können auf die schüchterne, verborgene Gestalt in halbdunkler Mitte.
Manche beschreiben sie als einen Traum. Manche träumen ihre Gestalt. Manche verbitten sich diesen Traum und schwelgen trotzdem in schwachen Augenblicken romantisch, bittersüß, seufzend ? ach!
Dort hat sie viele Namen, doch vor allem: dort tanzt sie. Sie tanzt lächerliche Kinderringelreihen, endlose Pirouetten und Polonaisen ohne Partner, bei denen jeder Betrachter die Lücke füllen möchte, eine endlose Reise nach Jerusalem beginnen, allein und ohne freie Plätze, um sich zu verlieren. Doch sie tanzt seltsam keusch verspielt zu schrägen Dissonanzen, die die Träumer nicht mehr hören. Zu stummen Rhythmen, deren Takt ihr Publikum atmet und zerschlägt.

Und er lächelt, als er sie betrachtet. Er kann lächeln, denn seine Stimme ist es, die in aufsteigenden Kadenzen immer höher und lauter einem Nirvana entgegen schreit, bis Bleischrot in letzter Verzweiflung und Gedankenlosigkeit die verbleibenden Ideengriffe vor dem Absturz ins leere Nichts verstreut, über die Wand verteilt und tüchtig in einem Streuungsexperiment zersiebt.
Jetzt lesen sie alle davon ab, um Phrasen zu berechnen, um Frequenzen in Schlägen pro Minute zu ermitteln und um ihn in kreideverstaubten Büchern festzulegen, auf deren Einband nur neben dem Autoren steht: "So war er und nicht anders!"
Nur darum konnte er traurig lächeln, wenn es nicht auch nur eine Geschichte war, die manche erzählen, weil sie ihn auch lächelnd wissen wollen.

Und sie lächelt. Doch gar nicht elfenhaft. Ist ihr Drehen auch nur ein Spiel, eine makabere Satire auf Zuckerfeen und Puppenkleider, Tanztheater aus Schadenfreude. Und in unsichtbaren Netzen schleudert sie ihre Freier, festgenagelt an ihrem Platz im Mobile, um eine Achse, die allein ihren Namen tragen darf. Eine Achse, auf der sie zu drehen verdammt, atlantisch festgeschweißt in dem wirren Spiel um sie herum, in dem sie lächeln muss. Ein Spiel, das als Wahrheit auch ihr selbst so viel lieber, so viel mehr erwünschte Lüge wäre. Doch ist es allein ihre Lüge, die verlogene Geschichte mit ihr im Mittelpunkt, das wie eine Sonne gierig alle Planeten um sich kreisen lässt, bis sie aufbläht und einen nach dem anderen verschlingt, bis sie platzt und explodiert und ihr Drehen und Leuchten mit einem allerletzten Knall zerbirst wie Bleischrot an Ziegelwänden.

Denn wenn sie loslassen könnte, wäre ihre Geschichte...
...aufgelöst.
 
eigentlich ist es nicht die geschichte eines mädchens - es ist die geschichte von uns allen.

ich kann zwar einigen deiner herangezogenen vergleiche nicht ganz folgen, aber ich habe es so verstanden, dass es um bilder geht, die man von sich selbst hat (in diesem fall die beiden, um die es geht), bilder, die man nach außen lebt und bilder, die sich menschen vom einem machen. bilder von der eigenen person, die so wohl niemals wahrheit sein können.

wenn ich es also richtig verstanden habe, so finde ich, hast du es geschafft, dieses thema mit ganz subtilen bildern zu beschreiben. dafür wertete ich eine 8.

es war ein außerordentliches vergnügen für mich, deinen text zu lesen.

ich möchte mehr davon.
 



 
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