Zoff im Doppelpack

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Lambertus

Mitglied
...oder „tu nichts Gutes, so widerfährt Dir nichts Böses“
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Nach dem dritten Klingeln öffnete ich mürrisch und hemmungslos gähnend die Haustür. Luise stand vor mir, und mein Mund klappte zu.

“Kurt, so geht’s nicht weiter! Du musst mit Peter reden!” keuchte sie mir entgegen. Es roch süßlich nach Eierlikör. Luise trank gern zum Kaffee ein Gläschen Eierlikör, zum Kummer schon mal ein paar mehr. Heute war’s wohl eher der Kummer.

Ich sah sie pflichtgemäß betroffen an. “Bist Du in Deinem Cabrio mit offenem Verdeck durch die Waschanlage gefahren...?” - sagte ich natürlich nicht, obwohl sie wirklich so aussah.

“Du musst mit Peter reden! - Es muss etwas geschehen!” - Sie huschte an mir vorbei ins Haus und schnurstracks ins Wohnzimmer, fiel ins Sofa und zündete sich in atemberaubender Hetze eine Zigarette an. “Wir müssen darüber reden. Und zwar jetzt”, hustete sie in eine blaue Dunstwolke hinein.

Es war ohnehin heute nicht ganz mein Tag, nach Sollen und Müssen stand mir jedenfalls absolut nicht der Sinn. Noch aber besänftigten mich erfolgreich meine Friedensengelchen. “Worüber soll ich denn mit Peter reden?” fragte ich harmlos. “Etwa wieder wegen...”

“Ja sicher!”, unterbrach sie mich, “das kocht immer wieder hoch. Und Peter tut nichts, nichts, aber auch gar nichts! - Wie immer. Es kotzt mich langsam an!”

“Und was unternimmst Du...?” - Das sollte eine ehrlich gemeinte Frage werden, doch irgendwie hatte ich damit bei Luise auf einen blank liegenden Nerv getreten.

“Ich...? - Wie kommst Du denn darauf!? - Was soll ich denn da tun?“ ereiferte sie sich und redete und redete und geilte dabei immer wieder nach meiner Zustimmung. Da sie diese aber wohl nicht in ausreichendem Maße fand, fügte sie schließlich den mörderischen Satz an: “Ach, du weißt ja auch nicht, was in einer Frau vorgeht! Wie alle Männer.” Und quetschte ihre Kippe in den Ascher.

Sooo...! Das langte jetzt! - Ich habe diesen Vorwurf - oder was es immer sonst sein mag - mindestens zwanzig Mal in meinem Leben gehört, bin danach oft brav in mich gegangen, um zu erforschen, wo denn bloß dieses Manko bei mir liegen könnte, ohne je fündig zu werden.... Was ist das große Geheimnis im Innern einer Frau, das kein Mann verstehen kann? - Ein marterndes Rätsel, - bis mir irgendwann auffiel, dass dieser Ausspruch nur in einer ganz bestimmten Situation ertönt, nämlich dann, wenn bei einem Streitgespräch eine Frau argumentativ ins Hintertreffen gerät. Dann aber - kurz vor ihrem totalen Abrutschen - dann - peng! - dieser Satz, dieser finale Rettungsschuss! - Adam ist baff, verteidigt sich röchelnd immer tiefer ins Verderben, bis er resignierend aufgibt. Und Eva triumphiert! - Nein, Schluss damit!!

“Was erwartest Du von Peter? ” wollte ich wissen. “Hast Du ihn mal gebeten...”

“Wa-a-a-s? - Gebeten...?!” unterbrach sie mich, “er muss sich ändern, - anders geht‘s nicht.”

Irgendwie missfiel mir dieses Palaver; es machte mich aber nicht etwa wütend, - nein schlimmer: es brachte mich in ärgerliche Vortrags-Laune. Wie zum Einstieg sagte ich: “Ich will nicht wissen, was jetzt zwischen Euch los ist, weil es völlig egal ist. - Bei Euch ist nämlich jedes Thema für einen dicken Krach gut genug. Und warum? - Weil Ihr nicht vernünftig miteinander reden könnt!” -

“Ohohoho...! Wir reden ständig miteinander.”

“Ja. Aber wie...?! “ Ich hatte oft Debatten zwischen Luise und Peter mitbekommen. Sie beginnen mit einer Nichtigkeit, die erst mal durch gegenseitige Angriffe gehörig aufgebauscht wird. Ist das Thema durch, wird der Themenkreis willkürlich bis zur Absurdität erweitert. Einer von beiden weiß jedoch immer zu vermelden, was das eine mit dem anderen zu tun hat. Vor allem weiß aber jeder von beiden, was der andere zu tun und zu lassen hätte, sollte wieder eitel Sonnenschein herrschen. Es fliegen dabei keine unschuldigen Gegenstände durch den Raum, - nein, es fliegen anfangs nur Worte, später nur noch Wörter.

Unbewusst artete meine Antwort quasi in einem Vortrag aus, doch Luise hörte ungewöhnlich aufmerksam zu. Verdächtig, unheimlich... - Ich zählte ihr in wahlloser Reihenfolge alle Kommunikations-Sünden auf, die mir gerade in den Sinn kamen und empfahl jeweils eine bessere Alternative für einen Satzbeginn, wie zum Beispiel:
‘Du musst doch einsehen, dass...’ - besser: ‘Bitte bedenke auch, dass...’
‘Nun tu doch nicht so als ob...” - besser: ‘Bitte überlege mal, ob nicht...’
‘Du solltest dir mal angewöhnen...” - besser: ‘Wäre es nicht hilfreich, wenn...’
‘Alles einzig und allein deine Schuld...’ - besser: ‘Wie lösen wir das Problem?”
‘Das darfst du nicht...” - besser: ‘Bitte vermeide ...’
‘Von allein kämst du nie auf die Idee...” - besser: ‘Wäre das nicht auch für dich eine Überlegung wert...’
‘Ich habe dir schon hundert Mal gesagt...’ - besser: ‘Auch wenn ich mich wiederhole...’
‘Du hast mich falsch verstanden.’ - besser: ‘Da habe ich mich wohl falsch ausgedrückt.’
‘Hör mir endlich zu!’ - besser: ‘Interessiert es dich, wie ich darüber denke...?’
‘Das kümmert dich doch ‘n Dreck!’ - besser: ‘Was bedeutet dir eigentlich...?’
‘Du weißt überhaupt nicht, was du willst!’ - besser: ‘Bitte erkläre mir mal...’
‘Ich werde überhaupt nicht gefragt!’ - besser: ‘Wollen wir das nicht gemeinsam...’
‘Das geht dich überhaupt nichts an!’ - besser: ‘Was interessiert dich daran so sehr?’
‘Das sieht dir wieder mal ähnlich!’ - besser: ‘Kann ich dir helfen, damit...’
‘Du solltest dir mal ein Beispiel nehmen an...’ - besser: ‘Was hälst du davon, wie...’
‘Da habe ich auch ein Wörtchen mitzureden!’ - besser: “Meine Ansicht dazu ist...”
‘Das kannst du überhaupt nicht beurteilen’ - besser: ‘Was macht dich so sicher?’
‘Davon hast du null Ahnung.’ (keine Alternative. Streichen, weil es meist ohnehin nicht stimmt)
‘Und überhaupt...!!!” - (keine Alternative. Bitte ganz streichen, da überflüssig)
Mit diesen und anderen Beispielen empfahl ich Luise, weniger aggressiv und dafür sachlicher zu diskutieren; es wäre dem gegenseitigen Verstehen dienlich. Außerdem bat ich sie, mit eingeschobenen Begriffen wie “schon wieder mal” , “immer dasselbe” , “ich kenne das ja” und ähnlichem sparsamer umzugehen, sie also nicht noch obendrein als Aggressions-Verstärker zu gebrauchen.

Als Luise ging, schien sie erleichtert; sie dankte mir sogar. Es sei für sie ein wertvolles Gespräch gewesen. Luise hat ein phänomenales Gedächtnis für alles, was sie behalten möchte. Daran musste ich plötzlich denken, als beim Abschied ihre Augen so merkwürdig blitzten. Sollte ich tatsächlich bei ihr etwas bewirkt haben? - Eine neue, sanftere Luise...?

Ehe ich dazu kam, mich in Selbstgefälligkeit zu suhlen, meldete sich aus der Magengrube ganz unten links eine säuerlich klingende innere Stimme: “Junge,” mahnte sie, “Junge, bleib’ sitzen; der Film ist noch nicht zu Ende...”

Wie wahr... - Am Abend läutete das Telefon. Ich nahm den Hörer ab und nannte arglos und brav wie immer meinen Namen. Peter war am Apparat. Durch die Art, wie er die Begrüßungsformel halb gurgelnd, halb würgend verschluckte, wurde die innere säuerliche Stimme wieder geweckt. “Siehste - siehste - siehste”, klang es in mir geradezu fatalistisch, “das Finale naht...”

“Was – ist – denn – in - dich - gefahren, meine Luise derart penetrant gegen mich aufzuhetzen!” donnerte Peter los. Ich musste den Hörer einen halben Meter vom Ohr entfernt halten. “Ausgerechnet ich, ich soll mein Kommunikations-Verhalten ändern!? Hach, lächerlich!!! - Das - ist - doch - wohl - die - Höhe!! - Ich habe erstklassige Verkäuferschulungen mitgemacht und jede Menge über Kommunikation gelernt! Ich brauche dazu keine Belehrungen, - weder von Luise noch von dir! - Luise hätte sowas nötig, der hättest du das eintrichtern sollen!! - Ich rede, wie mir der Schnabel gewachsen ist und bin damit bisher bestens gefahren, jawoll! - Mich verstehen immer alle, - da müsst ihr beiden mir keine Vorschriften machen! - Und aggressiv ich bin sowieso nie! Niemals! - Aus Prinzip nicht - nie! - Ich frage mich wirklich: was - soll - der - ganze - Quatsch...!! - Und überhaupt... - Überhaupt ist doch das ganze...”

“Gute Nacht, Peter”, sagte ich müde. Wieder grunzte die säuerliche Stimme in mir. Wahrscheinlich wollte sie mir voller Häme erzählen, dass kluge Worte über Kommunikations-Pflege doch nur etwas für die anderen sind. Sie auf sich selber anwenden, - na Gott bewahre! - Und die neue, sanfte Luise...? - Das war wohl nur ein Wort mit “x”, nämlich nix.

Wie sagten die alten Römer: In vino veritas (Im Wein liegt Wahrheit...) - Vielleicht waren sie uns ja in Sachen Kommunikation auch ein wenig voraus, wer weiß...? –
Jedenfalls entkorkte ich wenig später eine gute Flasche Rioja Reserva.

Drei Tage später hatten wir uns alle wieder miteinander versöhnt; es war und blieb alles beim Alten...
 



 
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