Zu sagen, ich sag halt, was ich mir denk, ist ein Oxymoron, denk ich mir halt

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JMW

Mitglied
In der ganzen Geschichte des Menschen ist kein Kapitel
unterrichtender für Herz und Geist als das Anale seiner Verirrungen.

Ein pubertärer Scherz, den wir
sogleich hinter uns lassen.

Denn wir verzweifeln
am Alltag.

Ist nicht die Größe
dieser Tat
zu groß für uns,
fragt Nietzsche
und vergreift sich
in der Präsupposition

Weil:

Ist nicht die Größe
jeder Tat
zu groß
für uns?

Ich mein, irgendwie sowieso?

Warum überhaupt
Dostojewski lesen
zum Beispiel
und Theodizee-Probleme wälzen
warum
mythische Vulven auf Kontoauszüge malen
Konferenzraumtürschnallen ablecken
Pulsuhren haben und Dachterassen und Meinungen
Kirchen eintreten oder aus welchen austreten
und sich die Zehennägel schneiden
wenn doch der erste
Profilneurotiker am Bäckertresen
(7:33, Schurli, alter Casanova, geht was mit die Weiber?)
einen regelmäßig
über drei Vollkornweckerln
verzweifeln lässt?

Wir kasteln uns ein
zwischen Wänden
Menschen
Prinzipien
als der mit Sicherheit
tragischste aller Helden
zwischen unseren Ohren,
das können wir, oh ja,
das können wir gut.

Waschen Unterhosen
lackieren Autos
schlucken Amphetaminderivate in Tablettenform
kennen Lebensabschnittspartner
viel zu schnell
viel zu genau
und halten ihnen
die Haare beim Kotzen
bis sie keine Lebensabschnittspartner mehr sind,
das geht meistens plötzlich

Weil:

Wir sind Opfer von Bildungssystem
und freier Marktwirtschaft!

Sagen halt die, die sich als
Opfer sehen, andere halten
auch einfach die Pappn.

Oder Schneiden sich Gurken aufs Brot.

oder Bewerben sich für Garderobendienste an Theatern
oder finden Benzinpreise zu hoch
oder gehen ein Eis essen
oder stecken sich Dinge in Körperöffnungen
oder werden Schriftsteller
oder werden österreichische Schriftsteller
damit sie zwiezach von schwarzweißen
Buchumschlägen schauen können
als versuchten sie sich zu erinnern,
ob sie Unterwäsche tragen.

Das menschliche Ego ist ein Hund,
und nicht der schönste.

Es braucht Futter, Zuwendung, Bestätigung
und zwar kontinuierlich, von jedem.
Kriegt es das nicht, wird es beißen
oder wenn jeder hinschaut
die Meersau schwängern.

Gib ihm nichts, misstrau ihm,
leg nichts von dir, das wie
ein rohes Ei ist unter den
Vorschlaghammer seiner
Geltungssucht.

Ich kann ja nur raten,
aber wenn ich müsste,
würd ich sagen
besser wären,
kleine Gesten, die Wunder sind weil sie sagen: Da mag dich jemand
besser wären auch,
mindestens 10 Deka mehr Fähigkeit zur Selbstironie pro Nase und
helfen würde
öfter mal ein dezenter Arschtritt für diesen und jenes und diese,
eben zum problemloseren Durchschlafen

oder sowieso
gleich im Bett bleiben
und sich das Bügeleisen
an seine fussballgrossen Lymphknoten
drücken.

Davon hätten alle was:

Der Lymphknoten,
denn der hat nicht fussballgroß zu sein.

Man selbst: eine Runde fühlen.

Und das Bügeleisen, das wird auch mal
wieder in Betrieb genommen,
dafür ist es ja da.
 
D

Denschie

Gast
hi jmw,

schön, dass du wieder da bist!

gestern las ich dein gedicht und fand es "irgendwie
gut", um halt mal zu sagen, was ich dachte, als ich
eine sieben gab. sie diente eher als zeichen: ich habe
gelesen. heute fühle ich mich schon eher in der lage,
einen kommentar dazu abzugeben.
mir fiel es schwer, ein thema herauszulesen. deshalb
auch die bisher eher verhaltene reaktion. ich las und
es war eingängig, witzig stellenweise, aber eben ohne
dass mir ein thema erschien (warum ich eines suchte, ist
vielleicht eine andere frage).

mittlerweile lese ich über die un-möglichkeit des
subjekts, die fehlende fähigkeit, mit "sich selbst identisch
zu sein" (der satz kommt mir bekannt vor - entweder habe
ich ihn schon mal gelesen oder schon mal gedacht, deshalb
die strichelchen) und die absurden, daraus resultierenden,
versuche, diese übereinstimmung zu erreichen.
manches ist amüsant, manches romantisch, manches ekelhaft.
vorstellbar ist alles.

so empfinde ich deine zeilen als anregend, an einigen
stellen etwas blutarm, zu wenig leidenschaftlich, als
dass ich bedingungslos mitfiebern würde. meinem kopf
bekommen sie allerdings ausgezeichnet.

lg, denschie
 

JMW

Mitglied
Hallo Denschie.

Die "fehlende Fähigkeit mit sich selbst identisch zu sein" ist allerdings eine spannende Interpretation. Vor allem mit sich selbst im Alltag. Hauptsächlich wollte ich so ein Gefühl des Scheiterns ausdrücken, das mich diesbezüglich oft befällt. Oder überfällt. Meistens verspüre ich dann das überwältigende Bedürfnis, gar nicht erst aus dem Bett aufzustehen. Leider lässt mein Alltag das selten zu, die alte Sauzehe. Er und ich schließen bestenfalls mal sowas wie einen fragilen Waffenstillstand.

Thema gibts nicht wirklich, das stimmt. Höchstens den Versuch eines Blickes auf das Leben aus einer bestimmten Perspektive. Kein Erklärungsnotstand wegen irgendwelcher Bewertungen. Was ich will, sind Meinungen.

Danke für deine sehr interessante.
 

Venus

Mitglied
Ach, du lieber Himmel, was hab ich hier Themen gefunden, über die ich gerne mitschümpfen tät, tät ich dich treffen, irgendwo. Oder auch dort, wo der Hund die Meersau schwängert. Hach! Was bin ich angetan, was freut mich diese herrliche Kunst, dieses grundelnde Gemecker, welches mich passagenweis an meinen geliebten, hochverehrten Robert Schindel erinnert; der auch ewig fremd ist, in sich selbst und doch nirgendwo anders zu Haus sein könnt!

Soziologie könnte ich mir vorstellen, das wäre ein Fach, welches du studieren könntest und wäre es so, dann tät mich deine Magisterarbeit über die Maßen interessieren. Keine Lüge! Ich lüge nie. Nachweisbar.

Es braucht Futter, Zuwendung, Bestätigung
und zwar kontinuierlich, von jedem.
Es, meinetwegen. Du auch.
Von mir aus!
Von mir aus gerne – pfundweis!

Bitte, dürfte ich mir dieses Werk kopieren und unters Kopfkissen legen. Für schlaflose Nächte. Und solche, die eh bloß verschlafen werden –

Herzlich,
angetan,

Gabriele
 

petrasmiles

Mitglied
Ich habe das nicht oft, dass ich einen komplexen Text meine, nicht ganz ausgelotet zu haben und doch davon überzeugt bin, dass jedes Wort wahr ist. Diese springende Vielfalt aller möglichen Aspekte des Seins ohne Gewichtung und ohne Ziel kommt mir so bekannt vor, als gäbe es Momente, in denen ich so denke. Ich wäre aber (glaube ich) nicht in der Lage, dieses Abbild des Denkvorgangs bei der Dokumentation so stehen zu lassen. Ich würde ordnen wollen, ich würde einen Zielpunkt brauchen, und ich würde denken, dass man ihn von mir erwartet.
So gesehen stimmt der Titel für den Autor selbst eigentlich nicht, oder am wenigsten.
Über diesen Text werde ich noch öfter nachdenken (müssen) (wollen). Ich bin beeindruckt.
Darüber hinaus kommt es mir so vor, als könne man diesen Text gar nicht überarbeiten - von außen. Wie soll man dem Autor sagen, dieses Wort passte besser, ein Gedanke sei nicht klar genug herausgearbeitet? Das ist ja eine Situation, als habe der Autor seine Schädeldecke angehoben und Besucher zum Eintreten gebeten. Da muss man hinnehmen, was man vorfindet. Oder würde jemand sagen, dieser rote Sessel da passt ja überhaupt nicht hierher, oder, die Farbe Deiner Gardinen harmoniert nicht mit dem Rest? Das verbietet sich einfach.
Ich bin sehr beeindruckt.

Liebe Grüße
Petra
 
B

bonanza

Gast
was für einen krampf hast du denn da zusammengebaut?
der joint ist zu lang geworden.
erst abgedrehtes kauderwelsch, wo du mit allerlei und
nichts um dich wirfst, und dann noch verdichtete
gesellschaftspolitik/kritik.
vollkommen wirr, irgendwie um eine pointe bemüht.
an der decke hängt der titel wie eine demolierte neonröhre.

bon.
 



 
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