Zwischen Wolkwenkratzer und Klingelbeutel

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Wenn ich ehrlich bin, wäre ich gern bedeutend. Vollkommen bedeutungsvoll - am liebsten.. Und wäre mir dieser Wunsch nicht so ungeheuer peinlich, könnte ich längst eine Berühmtheit sein.
Jedenfalls muss ich mich allmählich beeilen. Immerhin werde ich im nächsten Jahr bereits neundundsechzig, also fast siebzig. Und will ich zu Lebzeiten noch etwas von meiner Bedeutung haben, sollte ich jetzt… Ja, was sollte ich eigentlich.

Meine Großmutter, die gern reich geworden wäre, war sich absolut sicher, ich müsste einst Bankdirektor werden und teure Zigarren rauchen.
Meine Mutter wollte mich lieber als Nichtraucher, traute sich aber nicht einmal bei der Aufführung der Schultheatergruppe in einem Stück gegen Alkohol und Nikotin meinen – zugegeben allzu kurzen - Auftritt zu beklatschen. Ich spielte damals einen Jungen, dem beim heimlichen Rauchen mit Gleichaltrigen schlecht wurde.
Und mein Vater? Der schämte sich sogar, während des Gottesdienstes mit dem Klingelbeutel herumzugehen, da er fürchtete, die geizigen Gemeindemitglieder würden ihm nur kleine und kleinste Münzen hineinwerfen.
Gut, das ist alles ziemlich lang her. Aber ihre Wünsche und Hemmungen wirken halt nach, obwohl die Drei längst starben, ohne sonderlich bekannt geworden zu sein, genau wie mein von mir verehrter Großvater, seines Zeichens Bauschlosser. Er sah mich als berühmten Architekten, der in Amerika die höchsten Wolkenkratzer bauen würde.
Somit ist es kein Wunder, dass ich so hoch hinaus will.
Doch ich habe weder Bauwesen studiert noch kann ich mit Geld gewinnbringend umgehen.
Ich habe mein geregeltes Auskommen, zwei komfortable Renten, die ich nach langer bürokratischen Tätigkeit in städtischen Verwaltungen erwarb. Bis auf ein paar administrative Ungeschicklichkeiten gelang mir während meiner Beruftätigkeit nichts Skandalträchtiges, was annähernd dazu beigetragen hätte, wenigstens berüchtigt zu sein, denn nicht ein einziges Mal hat jemand ernsthaft versucht, mich zu bestechen.
Nun bin ich im Innersten ohnehin kein Bürokrat, sitze allerdings im so genannten Ruhestand immer noch am Schreibtisch und schreibe Geschichten und Gedichte über absonderliche Antihelden und Versager Und ausgerechnet die sollen mich möglichst bald berühmt machen.

Sogar Leser und auch Leserinnen gibt es, die mich und meine Ergüsse loben. Nur leider viel zu wenige.
Das macht dennoch Hoffnung.
Und so nahm ich mir kürzlich vor, nur noch Sätze zu schreiben, die wenigstens klingen, als habe sie einer der ganz großen Schriftsteller verfasst. Geschwollen, zugleich bescheiden intellektuell und irgendwie voll hintergündigstem Humor wie: Unsereins muss ganz einfach an Wiedergeburt glauben, versicherte die Eintagsfliege.

Da mein Leben schon relativ lang anhält, droht mir eher ein langweiliger Tod, wenn ich nicht wenigstens einen spektakulären Selbstmord hinbekomme. Aber wegen der vielen Selbstmordattentäter erregt eine einfachere Selbsttötung kaum noch Aufsehen.
Und da ich eher nicht zu Taten neige, die mir fragwürdiges Ansehen einbringen, bleibt mir eher ein unübersehbarer Erfolg auf gesetzlich einwandfreiem Terrain.
Als Lebensretter könnte ich mir einen unsterblichen Namen machen. Aber dafür müsste ich erst einmal jemanden finden, der sich ausgerechnet von mir retten lassen will.
Als weiser Denker könnte ich mich wahrkich besser präsentieren.
Auch ein guter Ruf entsteht eben nur durch viel Gerede.
Also sollte ich hier ein paar Sprüche anfügen und warten, ob sie für meine Berühmtheit taugen:
Wer glaubt, stets aus der Vergangenheit zu lernen, hat nichts aus der Vergangenheit gelernt.
Oder:
Zu jeder Schreckschraube gehört in der Regel eine passende Mutter.

Oder lieber selbstkritischer:

Wer sich nicht selbst in Frage stellt, verpasst die besten Antworten.

Und jetzt? Jetzt hilft nur noch Warten…
 
K

koollook

Gast
Selbstironisch kommt dein Text daher, mit einem leichten Sehnen versehen.

Ich finde deinen Schreibstil etwas zu langatmig, er fließt zwar und man kann ihn als Leser gut aufnehmen, aber am Ende bleibt ein unrunder Eindruck.

Der Inhalt ist amüsant und gut auf den Punkt gebracht.
 
Hallo koollook,
das mit der Langatmigkeit trifft mich. Ich werde versuchen, dem Text noch ein wenig Tempo zu geben. Das offene Ende ist gewollt...
Herzliche Grüße
Karl
 
Ich wäre gern bedeutend. Und wäre mir dieser Wunsch nicht so ungeheuer peinlich, könnte ich längst eine Berühmtheit sein.
Immerhin werde ich im nächsten Jahr neundundsechzig, also fast siebzig. Und will ich zu Lebzeiten noch was von meiner Bedeutung haben, sollte ich jetzt… Ja, was sollte ich eigentlich?
Meine Großmutter wäre gern reich geworden und war sich absolut sicher, ich müsste Bankdirektor werden und teure Zigarren rauchen.
Meine Mutter wollte mich lieber als Nichtraucher, traute sich aber nicht einmal bei der Aufführung der Schultheatergruppe in einem Stück gegen Alkohol und Nikotin meinen – zugegeben allzu kurzen - Auftritt zu beklatschen. Ich spielte einen Jungen, dem beim heimlichen Rauchen schlecht wurde.
Und mein Vater schämte sich sogar, während des Gottesdienstes mit dem Klingelbeutel herumzugehen, da er fürchtete, die Gemeindemitglieder würden ihm nur kleine und kleinste Münzen hineinwerfen.
Das ist alles ziemlich lang her. Aber ihre Wünsche und Hemmungen wirken nach, obwohl die Drei längst starben, ohne sonderlich bekannt geworden zu sein, genau wie mein von mir verehrter Großvater, seines Zeichens Bauschlosser. Er sah mich als berühmten Architekten, der in Amerika die höchsten Wolkenkratzer bauen würde.
Somit ist es kein Wunder, dass ich hoch hinaus will.
Doch ich studierte weder Bauwesen noch kann ich mit Geld gewinnbringend umgehen. Habe mein geregeltes Auskommen, zwei komfortable Renten, die ich nach langer bürokratischer Tätigkeit in städtischen Verwaltungen erwarb. Bis auf administrative Ungeschicklichkeiten gelang mir während meiner Beruftätigkeit nicht einmal Skandalträchtiges, da nicht ein einziges Mal jemand ernsthaft versuchte, mich zu bestechen.
Bin ohnehin kein überzeugter Bürokrat, sitze allerdings im so genannten Ruhestand immer noch am Schreibtisch und schreibe Geschichten über Antihelden und Versager.
Sogar Leser und auch Leserinnen gibt es, die mich und meine Ergüsse loben. Leider viel zu wenige.
Und so nahm ich mir vor, nur noch bedeutende Sätze zu schreiben, die wenigstens klingen, als habe sie einer der großen Schriftsteller verfasst. Geschwollen, zugleich bescheiden intellektuell und voll hintergündigstem Humor wie: Unsereins muss ganz einfach an Wiedergeburt glauben, versicherte die Eintagsfliege.

Da man bekanntlich stirbt wie man lebte, droht mir ein eher langweiliger Tod, wenn ich nicht wenigstens einen spektakulären Selbstmord hinbekomme. Doch wegen der vielen Selbstmordattentäter erregen einfachere Selbsttötungen kaum noch Aufsehen.
Und da ich nicht zu Taten neige, die mir fragwürdiges Ansehen einbringen, bleiben mir eher Erfolge auf gesetzlich einwandfreiem Terrain.
Als Lebensretter könnte ich mir einen unsterblichen Namen machen. Aber dafür müsste ich erst einmal jemanden finden, der sich ausgerechnet von mir retten lassen will.
Als (alters-)weiser Denker könnte ich mich wahrlich besser präsentieren.
Auch ein guter Ruf entsteht nur durch viel Gerede.
Also werde ich hier ein paar Sprüche anfügen und warten, ob sie dafür taugen, mich ins Gerede zu bringen:
Wer glaubt, stets aus der Vergangenheit zu lernen, hat nichts aus der Vergangenheit gelernt.
Zu jeder Schreckschraube gehört in der Regel eine passende Mutter.

Oder doch lieber selbstkritischer:

Wer sich nicht selbst in Frage stellt, verpasst die besten Antworten.

Ich warte…
 

Carina M.

Mitglied
Liebe Carina,
und was? Darf ich das wissen?
Gruß
Karl
und Dank für die Wertung...
Das war ich nicht, lieber Karl aber was nicht ist, kann ja noch werden. ;)

Der Spruch fiel mir eben spontan ein, als ich deinen humorigen Text gelesen habe. Ja... und was wollte ich denn nur werden...hmm alles Mögliche aber berühmt wollte ich nicht werden.
Das schränkt zu sehr die Freiheit ein.

Nochen Spruch:

*Es ist nicht wichtig im Leben, ob man berühmt gewesen ist, sondern ob wir jemanden mit unsere Seele berührt haben.*

Derweil liebe Grüße, Carina
 
Liebe Carina,
entschuldige bitte das Missverständnis...
Nee, wirklich berühmt möchte ich schon nicht werden, weil ich dann zu einem öffentlichen Menschen würde. Und die Rolle liegt mir absolut nicht.
Aber als Schreiber würde ich ganz gern nocht ein paar Leute mehr erreichen können, obwohl ich gerade in diesem Jahr ingesamt ganz zufrieden sein kann.
Gruß
Karl
 

Carina M.

Mitglied
Sooooooooooooo... nun isses kein Irrtum mehr.:)

Nee, wirklich berühmt möchte ich schon nicht werden, weil ich dann zu einem öffentlichen Menschen würde. Und die Rolle liegt mir absolut nicht.
Genau so meinte ich das. Ich schrieb in einem Kommentar, ich mag eher die leisen Töne, das trifft wohl auch auf mein Wesen zu.
Ich habe mich schon so oft gefragt, warum mache ich meine Gedanken eigentlich so öffentlich?
Gibt man dabei nicht zu viel von sich selber preis?
Das kann alles sein und es macht auch verletzlich , wenn man nicht gerade ein unsensilbler Mensch ist.
Was ich mir wünsche ist, mit meinen Worten jemandes Seele berühren und ich wünsche mir, dass meine Familie ein bisschen stolz auf mich ist.
Obwohl die ja so gar nichts mit Gedichten, Geschichten und Malerei am Hut haben. Nur meine Enkelin meinte neulich zu mir, die kreative Ader hätte sie bestimmt von mir geerbt. Na, wenn das keine schöne Aussage ist.:)

Manchmal wünschte ich mir einen Drachenpanzer. :)
Herzliche Grüße,
Carina
 
Liebe Carina,
da geht es mir ähnlich wie dir.
Und eine dicke Haut hätte ich manchmal auch ganz gern. Aber eigentlich doch wieder nicht, denn es ist schon gut, empfindlich zu sein und zu deutlich fühlen...
Herzliche Grüße
Karl
 
S

Schriften

Gast
Lieber Karl,

Deine Geschichte gefällt mir richtig gut :). Sie hat von Allem etwas. Sie ist ein bisschen wehmütig, ein bisschen nachdenklich und sehr humorig :). Sie fühlt sich echt an und ich glaube, das ist das Entscheidene, noch dazu sehr lebendig und gut geschrieben. Ich hätte noch gaaaaanz laaaaange weiterlesen können!

Unsereins muss ganz einfach an Wiedergeburt glauben, versicherte die Eintagsfliege.
Den Spruch finde ich am besten *lach*.

Liebe Grüße
Diana
 
P

Pagina

Gast
Dein Text läd mich zum Nachdenken ein.
Mir gefällt,Karl, daß Du authentisch und mit einer Prise Selbstironie und Wehmut über die Bedeutsamkeit deines eigenen Lebens & Wirkens & Schreibens für andere sinnierst.
Was für Dich in Deinem siebzigjährigen Leben wirklich bedeutsam war,suche ich im Text und ich frage mich,warum Du gerne "bedeutender" wärst, als Du es für Dich und andere jetzt bist.
Dein Text regt mich zum eigenen Nachdenken darüber an, warum ich z.B. schreibe. Und ich habe, ehrlich gesagt,einmal nicht darüber nachgedacht. Sondern es einfach getan - weil ich es gerne tue.
Das ist für mich die Kür.
Pflicht hatte ich genug.
Und ich möchte dabei bleiben: das Tun an sich ist für mich in meiner jetzigen Lebensphase bedeutend genug und ein "bedeutend sein für andere" von mir nicht (mehr) angestrebt.
Weil ich mir meine Freiheit im Ausdruck bewahren und nicht (wieder) funktionalisiert werden möchte.
Wenn überhaupt, möchte ich gerne bedeutend für Wesen sein, die ich mit meinem Sein berühre.
Und da ich buddhistisch unterwegs bin, werde ich auch nach meinem Ableben keinen Grabstein haben, sondern nur einen Zettel:"Bin gleich wieder da..."
Schade, ist nicht von mir...(habe ich gestern Abend gehört).
 
Hallo Pagina,
meine Texte nutze ich (icherzählend)immer dazu, ein wenig mit Möglichkeiten zu spielen. Vieles darin ist autobiografisch, aber eben längst nicht alles. Im Grunde denke ich eher so wie du. Allerdings ist das Bedeutend-sein-wollen nicht ohne jede Verführung für mich...
Danke für deinen ehrlichen Kommentar und herzliche Grüße
Karl
 



 
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