beginnst du, nirwana?

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HerbertH

Mitglied
Lieber Karl,

nach meinem Empfinden wird dieses Gedicht erst durch diese letzte Strophe stimmig und kann nur dadurch "meine" Botschaft mitteilen.

Nirwana verstehe ich hier als "Auslöschung aller mit der Vorstellung vom Dasein verbundenen Faktoren, wie Ich-Sucht, Gier, Anhaften (Upadana) usw." (vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Nirwana ). Das ist zumindest nicht als witzig intendiert... :)

Ausserdem sollte man die speziellen Natur des "LyrI" berücksichtigen. Ich vermute, dass sich das Gesamtbild erst beim zweiten Lesen voll erschliessen lässt, weil es hintergründig angelegt ist.

Liebe Grüße

Herbert
 

Vera-Lena

Mitglied
Ach, ja, lieber Herbert,

bis dahin ist der Weg so weit, so weit. Aber wenn man ihn nicht beginnt, kann man auch nicht vorankommen.

Ohne Deine Deutung hätte ich den Text allerdings nicht verstanden, obgleich mir der Gedanke aus dem Buddhismus vertraut ist.

Die Sonne ist allerdings das Vorbild. Sie ist dem Göttlichen, dass wir solange wir auf Erden sind nur schwer erkennen können, am allerähnlichsten. Sie erwärmt alles,erleuchtet alles, belebt alles voller Großmut.

Wenn wir ihr nacheifern und ständig geben und geben, soweit wir das schon können, dann wird uns das zwangsläufig auf die Spur in die Glückseligkeit (Im Gegensatz zum Glück, bei dem man weiß, warum man glücklich ist, verhält es sich mit der Glückseligkeit so, dass man nicht weiß, warum man glücklich ist,es ist einfach ein Zustand.)führen, ins Nirwana.

Ich weiß, Du hast das mit der Sonne anders gemeint. Dir verhilft sie in Deinem Text dem Lyri mehr und mehr alles loszulassen, woran es sich unnötigerweise geklammert hatte.

Die Wege sind eben unterschiedlich, aber sie haben dasselbe Ziel.

Als Benedikt XVI. einmal in einem Interview gefragt wurde: "Wieviele Türen zu Gott gibt es?" antwortete er:"So viele, wie es Menschen gibt". Ja, jeder muss seinen eigenen Weg finden, das kann ihm niemand ersparen.

Es gefällt mir sehr gut, wie Du in Deinem Text Dein Thema bearbeitest. Schön, wie das Lyri sich als ein Buch beschreibt.
Die Aufteilung der Strophen gefällt mir. Es ist nur schade, dass es so wenige Hinweise dazu gibt, wa Du eigentlich meinst. Der Text müsste doch auch ohne Erläuterungen verständlich sein, denke ich.

Vielleicht kannst Du den etwas nichtssagenden Titel ändern in einen Titel der einen stärkeren Hinweis gibt. Ich weiß es nicht.

Jedenfalls mag ich diesen Text.

Liebe Grüße
Vera-Lena
 

HerbertH

Mitglied
Liebe Vera-Lena,

letztlich ist die Idee des Textes einfach: Nach dem Winter liegt ein Buch in der Sonne und die Buchstaben verblassen, so wie sich die Menschen die Sonne geniessen und den entspannten Zustand, der die Vorstufe zum Loslassen von allen Alltagssorgen, die Vorstufe zum Nirwana ist. Natürlich bekommt das Gedicht neue Bedeutungsebenen, weil das LyrI das Buch selbst ist, und das Buch und das Wort sind ja auch im meditativen und auch religiösen Umfeld mit speziellen Bedeutungen versehen. Und damit wird auch die Ausgangssituation letztlich überhöht. Und dann wird die Zeit noch als Bezugsebene der Änderungen ins Spiel gebracht, die ja eigentlich der Idee des Nirwana etwas zuwider läuft, ausser, man sieht den Prozess der Annäherung daran im Zusammenhang.

Du hast völlig recht, dass der Titel eine Schwachstelle des Gedichtes ist. Ich habe erst das Gedicht geschrieben und dann nach einem passenden Titel gesucht. Ich werde nachdenken, ob ich noch einen besseren Titel finde.

Auf jeden Fall vielen Dank für den Hinweis und Deine wie so oft wieder auch diesmal sehr zutreffende Interpretation.

Liebe Grüße

Herbert
 

HerbertH

Mitglied
Wie gefiele Euch der Titel "auf dem weg zum nichts"?

Ich bin mir noch nicht ganz sicher, daher würde ich mich über Rückmeldungen freuen.

Danke

Herbert
 

Vera-Lena

Mitglied
Das würde ich nicht nehmen, lieber Herbert.

Wer kennt sich schon aus mit dem Buddhismus, wo das Wort die positivste Bedeutung überhaupt hat.

In unseren Breiten ist das Wort "nichts" immer negativ besetzt.

Wie wäre es, wenn Du "beginnst du, nirwana?" als Titel nimmst. Dann könnte alles andere stehen bleiben. Das Gedicht beginnt dann mit "nach dem winter". Dann hättest Du schon gleich am Anfang durch den Titel den Hinweis gegeben, worum es geht. Dass die letzten Zeilen sozusagen als das Ergebnis des Verblassens da stehen müssen, finde ich nicht unbedingt zwingend. Wahrscheinlich siehst Du aber gerade diesen Punkt anders.

Liebe Grüße
Vera-Lena
 
H

Heidrun D.

Gast
Lieber Herbert,

hoffentlich trägst du mir es nicht nach, aber ich stimme Karl Feldkamp voll & ganz bei. - Zwar befinden wir uns wieder einmal in einer allgemeinen platzverhirschten Hochbewertungsphase (warum auch immer :D ), aber an diesem Gedicht gibt es schon noch ein wenig zu feilen, finde ich. Mein Vorschlag dazu:
nach dem winter

blättere ich mich auf
recke meine seiten
in den wind

spüre [strike]ich[/strike]
wie der märz [blue]mir[/blue] buchstaben bleicht

bis meine wörter immer
blassere spuren
in die [strike]zeit[/strike] stunden ziehen
:cool:
Heidrun

Sprachlich ansonsten sehr gelungen. :)
 

HerbertH

Mitglied
Hallo Ihr Lieben,

zunächst mal tausend Dank für die Vorschläge und Anregungen. Die Sonne möchte ich allerdings nicht durch den März ersetzen. Für mich als Naturwissenschaftler ist der physikalische Vorgang eben auch wichtig. Auch ist der Dreiklang "meine seiten - meine buchstaben - meine wörter" für mich wichtig, um dem Leser zu verdeutlichen, dass das LyrI hier ein Buch ist (zumindest vordergründig).

Derzeit schwebt mir als Titel "kurz vor dem ziel" vor. Die letzte Strophe
könnte ich mir auch als

wann beginnst Du endlich
nirwana?


vorstellen. Aber das werde ich noch einmal überschlafen.

Liebe Grüße

Herbert
 
Lieber Herbert,
ich bin kein Experte im ''Kritiküben'', habe auch oft Schwierigkeiten abstrakte Gedicht zu verstehen, doch nach mehrmaligem Lesen bin ich von deinem Gedicht sehr fasziniert. Hoffentlich streichst du den letzten Vers nicht.
Ich bin sehr erstaunt, dass jemand das Wort ''witzig'' gebrauchte.
Eine Note gebe ich aber erst dann, wenn ich merke, dass du das Gedicht nicht amputierst.

Liebe Grüße
von Marie-Luise
 
Lieber Herbert,
damit kein falscher Eindruck entsteht: Mit dem "witzig" wollte ich dein Gedicht keinesfalls abwerten. Aber ich empfinde den religiösen "touch" am Ende als zu aufgesetzt. Dein Text bewegt sich doch (mit straken Bildern) auf dem Weg ins Nichts. Warum muss dann am Ende noch so ein religiöses Bekenntnis stehen? Das macht auf mich (wie ich jetzt weiß - von dir ungewollt) einen ironischen Eindruck.
Herzliche Grüße
Karl
 

HerbertH

Mitglied
Lieber Karl,

für mich ist Nirwana _auch_ ein religiöser Begriff, aber nicht nur. Intuitiv deute ich ihn als "das ultimative Abschalten", etwas von dem ich in der Sonne träumte.

Liebe Grüße

Herbert
 

HerbertH

Mitglied
Liebe Mary,

danke für Deinen Kommentar, der mich bestärkt, die letzte Strophe zu belassen, vielleicht sogar ungeändert.

Liebe Grüße

Herbert
 
Hallo Herbert,
ich melde mich noch einmal. Daran kannst du erkennen, dass die Faszination für dein Gedicht anhält.
Mir gefällt es wie es da steht, jedoch finde ich Vera -Lenas Vorschlag auch gut, nämlich als Titel ''beginnst du, nirwana'' zu nehmen.
Nach dem Winter klingt m.E.als Titel zu prosaisch.

Gruß
Marie-Luise
 

HerbertH

Mitglied
beginnst du, nirwana?

nach dem winter

blättere ich mich auf
recke meine seiten
in den wind

spüre ich
wie die sonne meine
buchstaben bleicht

bis meine wörter immer
blassere spuren
in die zeit ziehen
 

HerbertH

Mitglied
Hallo Ihr Lieben,

ich bin dem Vorschlag gefolgt.

Danke noch mal für all die Tips und guten Ratschläge. Die jetzige Version finde ich mindestens ebenso gut wie ursprüngliche :)

Jetzt bleibt nur noch, den Titel des Threads ändern zu lassen.

lG

Herbert
 

Vera-Lena

Mitglied
Jaaaaaaaaaaa, das ist es, lieber Herbert!

Wie bin ich froh, dass ich Dir schon anfangs 9 Punkte gegeben habe, denn ich wusste, Du kriegst das hin. :)

hocherfreute Grüße
Vera-Lena
 



 
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