dank weniger worte

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Stern

Mitglied
dank weniger worte


wenige worte rinnen
die kehle hinunter und
wärmen die eingeweide

erinnerung taucht auf
aus der vergessenheit
an die oma in ihren
letzten tagen
als sie fließend fremdländisch
sprach in unverständlichen
silben und lachte
in unsummen größer
als immer sonst
wenn sie verhärmt
pudding kochte und plätzchen
backte für eine fremde
enkeltochter

im krankenzimmer
erfüllt von unverständlichen silben
jugendlicher liebe
und gelächter
begleiteten wir uns in
ihren tod
 

ENachtigall

Mitglied
hallo Stern,

mir gefällt die natürliche Leichtigkeit, die hier in Bezug zum Thema vermittelt wird. Sie verleiht eine sehr menschliche Note, die nicht nur in der Erinnerung, sondern auch in der tatsächlichen Sterbebegleitung gut tut.

Grüße von

Elke
 

Zarathustra

Mitglied
Auch ich war dabei beim Tod meiner Alzheimerkranken Mutter.

Fremdländisch, ja ungarisch war ihr Reden und "geistreich" ihr Lachen.

Doch der Tod liebt die Stille...

Sehr gut getroffen; - mit wenigen Worten.

Liebe Grüsse aus München
Hans
 

Stern

Mitglied
Guten Morgen Elke,

schön, dich hier anzutreffen, gibt es doch zumindest eine entfernte Ähnlichkeit zu dem einnehmenden Text von dir, den ich neulich kommentierte. Es fiel mir erst hinterher auf...

Ja, es war eine Zeit mit großer Leichtigkeit und sonderbarerweise auch mit viel Berührung, was es vorher nicht so gab zwischen uns. Dass dies meine letzten Erinnerungen an sie sein würden, war mir allerdings damals nicht klar... - Schön, dass die Leichtigkeit rüberkommt. Mein Gott, was haben wir gelacht!

Danke für deine Rückmeldung und viele Grüße an dich von

Stern *



Lieber Hans,

ich freue mich wirklich, dass ich dich mit diesen Zeilen berühren konnte. Ich war dankbar für den Erinnerungsanstoß -wie schon der Titel sagt- und vielleicht geht es dir auch so.

Ungarisch? Erstaunlich - kam sie dort her? Meine Oma redete Chinesisch oder was weiss ich was und es war so fliessend, als hätte sie ihr Leben lang nichts anderes gesprochen. Allerdings sprach sie dazwischen auch Deutsch - GottseiDank, sonst hätten wir vielleicht nicht ganz soviel miteinander gelacht...

Dreikönigliche Grüße von mir,

Stern *
 

Zarathustra

Mitglied
@natalie

Hallo Natalie,

nein, meine Mutter kam nicht aus Ungarn.. sie kam aus Oberbayern. Aber meine Kinder sagten immer.. sie redet ungarisch.

Alzheimer Demenz hat ihr die Sprache genommen und das Mitteilen. Aber sicherlich war die Wprde bis zum Letzten Tag gegeben.

Nichts find ich interessanter als die Auseinandersetzung mit dem Tod.
Dir ist es wirklich gut gelungen.
Wenn du interesse hast, kannst du meine Geschichte ja auch mal lesen, ... du findest sie da:

http://www.leselupe.de/lw/showthread.php?threadid=64155

Schönen Feiertag noch
Hans
 

Inu

Mitglied
Hallo Natalie

Dein Gedicht gefällt mir gut. Nur dieser eine Satz bleibt mir ein Rätsel

wenige worte rinnen
die kehle hinunter und
wärmen die eingeweide
Normalerweise rinnen Worte aus der Kehle heraus
oder
sie gehen durch die Gehörgänge ins Herz, in die Seele, ins Gemüt ... aber Worte, die durch die Kehle hinunterfahren und die Eingeweide wärmen ... für mich ist das irgendwie zu weit hergeholt und kein stimmiges Bild.

Alles andere aber ist sehr atmosphärisch. Besonders der Schluss

im krankenzimmer
erfüllt von unverständlichen silben
jugendlicher liebe
und gelächter
begleiteten wir uns in
ihren tod
finde ich sehr originell und gut beobachtet.

Liebe Grüße
Inu
 

Stern

Mitglied
Liebe Inu,

hmm, jaaa, die Worte, die die Kehle hinunterrinnen... Ich kann sie nicht vehement verteidigen, aber es fühlte sich so an. Es fühlte sich an wie ein Nippen an einem guten Tropfen, die Worte rannen zwar natürlich nicht die Speiseröhre hinunter, aber sie breiteten sich warm in mir aus und setzten diese Erinnerung frei. So in etwa. Ich habe tatsächlich erwogen, den Weg der Worte medizinisch gesehen wirklichkeitsgetreuer zu beschreiben, aber dieses Bild traf mein Gefühl eindeutig am besten. Wird es dir dadurch nachvollziehbarer? Ich wollte nicht zuviel erklären und gleichzeitig diesen Auslöser, dem ja auch nicht umsonst die Überschrift gilt, nicht ganz aussen vor lassen.

Fragend grüßt

Natalie
 

Inu

Mitglied
Ja ich glaube Dir dieses Gefühl, obwohl ich es nicht so ganz nachvollziehen kann. Aber es ist ok.

Liebe Grüße
Inu
 

Stern

Mitglied
Hallo Inu,

ja, es geht glaub durch, auch wenn es -mir verständlicherweise- beim einen oder der anderen einen kleinen Holperer auslöst. Es steht vielleicht auch etwas dahinter, wofür mir genauere Worte noch fehlen.

Ich danke dir für deine Rückmeldung! Das freut mich immer sehr.

Liebe Grüße,

Natalie
 

namaqool

Mitglied
stern,

ich kann es gut nachvollziehen, wie worte die kehle herunterrinnen und die eingeweide wärmen. es kann ein sehr schönes gefühl sein. der darm ist übrigens voll von unzähligen nervenzellen, deswegen spricht man auch von "the brain of the gut" in diesem zusammenhang. also auch medizinisch nicht wirklichkeitsfremd. lass den anfang wie er ist, er gefällt mir sehr.

grüsse, namaqool.
 

Stern

Mitglied
hallo namaqool,

gut, dass es nachvollziehbar ist und dir gefällt. Ich denke mir, dass nicht mit jedem Bild jeder erreichbar ist. Mir geht es auch öfter mal so, dass ich Bilder nicht stimmig finde, die andere geradezu zu begeistern scheinen. Und umgekehrt, dass ich Bilder gelungen finde, die anderen daneben erscheinen. Es ist für den Autor manchmal schwierig auszuloten, wann das Bild wirklich unpassend ist. - Das hier mag ich jedenfalls sehr gern und werde es ohne vielstimmigen Protest nicht ändern.

Danke für die Zustimmung.

Stern *
 

ENachtigall

Mitglied
vielleicht....

liegt es daran, dass Großmütter oft so eine liebevolle Art haben, uns zu "füttern" - eben auch mit Worten.

Gruß

Elke
 

Stern

Mitglied
Liebe Elke,

ooch, hmm, nöö, nicht in diesem Fall. Leider, denn ich wäre für das eine oder andere wärmende Wort sicher empfänglich gewesen. Dieser Krankenhausaufenthalt und die nur kurzzeitige Verwirrung nach einer Vollnarkose haben Seiten meiner Oma ans Tageslicht gebracht, die vorher völlig ungelebt waren. Jedenfalls in meiner Gegenwart.

Die Wärme, die die Erinnerung auslöste, kam von anderer Seite.

Lieben Gruß dir,

Natalie
 



 
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