die Verwechslung

Paul

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Die Verwechslung

Nachts hatte der Sturm getobt. Hatte sämtlichen Geister der Unterwelt aufgewirbelt, alles was nicht niet- und nagelfest war, war zum Spielball des Windes geworden. Regen peitschte ohn´ Unterlaß auf Blechdächer, die pfützenbeklecksten Straßen, die schlecht abgedichteten Fenster.
Jetzt, am Tage, war die Temperatur wieder in sibirischer Manier auf -20° abgefallen, die Wege waren zu eisigen Rutschbahnen geworden und die Bürger staksten einher, als wäre über Nacht eine Parkinson-Epidemie ausgebrochen, nur ja nicht "Pardautz" und auf den Hosenboden... .
Auch Fjodor-Iwanowitsch war dergestalt unterwegs, schlitterte auf dem Trottoir so vor sich hin von der Absicht geschwängert, noch etwas Wodka käuflich zu erwerben. Die Neujahrstage standen bevor, das mußte schließlich ordentlich begossen werden.
Fjodor-Iwanowitsch war von großem Wuchs, hatte Arme so dick und rund wie einer der unzähligen Birken seiner Heimat und auf einem beinahe Zweizentnerrumpf steckte ein Kopf, der einer indischen Buddha-Büste alle Ehre gemacht hätte, die Backen hingen wie Lefzen eines Bernhardiners herunter, die Ohren taten es ihnen gleich, zwei kleine Äuglein waren in dieser Masse kaum zu erkennen, nur die riesige, rote Kartoffelnase sprang einem ins Auge, die wie ein Fliegenpilz aus modrigem Waldboden ragte. Der fleischige Mund war hinter einem beachtlich zerzausten Seehundschnautzbart versteckt, in dem man bei genauerem Hinsehen noch Essensreste entdecken konnte. Essen, das war eine von Fjodors Lieblings-, Lebens- und Leibesbeschäftigungen , zum dem auch Teil seines Berufes, seines Zeichens war er nämlich Fleischer.
Fjodor hatte sein eigenes kleines Geschäft am Majakowski-Platz Nr.17. Seit Wohnraum knapp geworden war, aß und schlief er auch dort und führte so das gemütlich-behagliches Dasein eines Oblomow.
Aus diesem Laden war er nun also auch heute früh, von einem schrillen "Klingeling-Klingeling" begleitet, herausgestürmt, sehr in Eile hatte er seine warme Mütze auf sein Prachthaupt gestülpt und rutschte nun in Richtung Kiosk, um sich seinen wohlverdienten und heißersehnten Stolitschnaja zu ergattern.
Zunächst war unser Held damit beschäftigt, auf den tückisch glitzernden Weg zu achten, doch schon nach wenigen Metern gewahrte er in seinem Rücken, der dem eines Bullen ziemlich nahe kann, ein ständiges Kichern und Keckern, auch fiel ihm auf, daß einige Passanten stehen blieben, ihm verdutzt hinterherschauten und zuweilen mit ihren behandschuhten Finger auf ihn zeigten.
Was war nur los? In seinem Pelz sah er doch aus wie alle anderen auch. Hm. Und doch, je weiter er ging, desto auffälliger wurde das Gebähren seiner Mitbürger, schon hatte sich ein ganzer Pulk von Menschen gebildet, die ihm schnatternd, gackernd folgten, als sei er der Neujahrsmann persönlich!
Schon wollte sich Fjodor einen der besonders Aufsässigen vorknöpfen, doch die Kälte gemahnte ihn zur Eile, zu Hause wartete sein warmer Laden, Ochsenfleisch wollte er sich heute kochen, eine leckere Suppe schlürfen und dazu, wie es eben Sitte, hie und da an seinem Wodkafläschchen nippen. Also weiter, weiter, keine Zeit verlieren und schon stand er vor dem Kiosk in der Schlange. So wie er sich auch wunderte, daß sich selbige bei seinem Eintreffen in Luft und Wohlgefallen auf löste, so war es ihm auch ganz recht, hielt er so doch um so schneller in seinen beachtlichen Pratzen, wonach es ihn gar so begehrte... .
Auf seinem Rückweg, spielten sich wieder die gleichen wunderlichen Begebenheiten und Szenen wie auf dem Hinweg ab, doch Fjodor hatte jetzt nur noch eines im Sinn, hetzte so gut das unter diesen erschwerten Bedingungen überhaupt ging in Richtung seines Domizils und "Klingeling-Klingeling" wehte ihm schon wieder der Duft seiner geliebten Wurst- und Fleischwaren entgegen. Gerade wollte er seine Mütze in die Ecke pfeffern, als er jählings innehielt - was war das? Was er da von seinem Haupte riß war nicht seine flauschige Mütze, nein, was er da in den Händen hielt war eine große, dunkelrote, saftige LEBER!
Da ging ihm ein Licht auf , das komische Verhalten der Leute auf der Straße, das seltsame Platschen der Mütze bei jedem Schritt - das war es gewesen! Hatte er doch vorhin in der Hektik, statt nach seiner Mütze auf dem Haken zu greifen knapp daneben...
 
Hallo Paul,

das ist wirklich eine nette Geschichte. Besonders gelungen finde ich die Vergleiche wie... hatte Arme so dick und rund wie einer der unzähligen Birken seiner Heimat...usw. Schön!

LG
Walter
 



 
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