die Wolfsfrau ( neue Fassung)

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Alina

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Hätte sie doch nur auf ihre Mutter gehört!

Erschöpft ließ sich Katrin in ihren Ledersessel, dessen Lehnen bereits abgewetzt und mit kleinen Löcher übersät waren, fallen. Noch vor wenigen Minuten hatte sie ihre drei Söhne, weil die Zeit schon ziemlich vorangeschritten war und die beiden älteren am nächsten Morgen wieder zur Schule mussten, erneut zur Ruhe ermahnt. Nun wartet sie auf ihren Mann.
,Ob Patrick heute endlich nach Hause kommt? In wenigen Tagen ist Weihnachten und er war schon über zwei Wochen nicht mehr bei uns., dachte sie ein wenig traurig und machte sich an ihre Arbeit.
Im engen Lichtkreis der niedrig hängenden Lampe nahm sie die zerknitterten Shirts ihres Mannes und der Kinder aus einem Korb neben sich, strich sie glatt und legte sie anschließend zusammen. Nur gut, dass der Rest des Zimmers in der Dunkelheit verschwand. So musste sie sich wenigstens nicht dauernd jene billigen, auf dem Flohmarkt erstandenen Möbeln, den hässlichen Bodenbelag aus Kunststoff und die schäbigen Tapeten ansehen.
Schäbig war auch der treffende Ausdruck für beinahe alles hier: Für das Haus, dem man, trotz aller Mühe, die sie sich gegeben hatten, seine Herkunft als Container immer noch deutlich ansah, die Wohnsiedlung, die nur aus solchen „Trails“ bestand und die Nachbarn- ein bunter Haufen von Einwanderern, die es hier her verschlagen hatte, nachdem ihre Träume vom schnellen Reichtum in der Fremde zerplatzt waren.
Katrin legte ein weiteres Shirt zusammen und entdeckte an seinem Ärmel einen Riss.
,Typisch Steve! , dachte sie ein wenig verärgert., Er wird sich wohl nie ändern.,
Seufzend nahm sie ihren Handarbeitskorb vom wackeligen Beistelltisch.
Steve war ihr Ältester und schlug völlig in die Linie seines Vater. Schon jetzt, wo er bald elf Jahre alt wurde, ließ sich erkennen, dass er irgendwann einmal Patricks Größe erreichen würde. Sein Körper schlank und gerade gewachsen, mit schmalen Hüften und langen Beinen streckte sich in letzter Zeit zunehmend in die Höhe. An seinen Oberarmen zeigten sich bereits feste Muskeln. Was Wunder: Egal, welches Wetter herrschte, hangelte sich Steve an der Teppichstange neben dem Eingang hoch und ließ nicht nach, bis er wenigstens ein Dutzend Beugen hinter sich gebracht hatte.
Katrin suchte nach einer Nadel sowie dem zum Shirt farblich passenden Garn, doch ihre Gedanken waren weiter bei den Kindern.
Eddie, ihr zweiter Sohn, dessen achten Geburtstag sie kürzlich gefeiert hatten, und der ebenfalls nur Patricks Gene geerbt zu haben schien, war seinem großen Bruder bedingungslos ergeben. Er eiferte ihm allem nach. Auch sonst waren die beiden fast unzertrennlich, rangelten sich oft mit den anderen Einwandererkindern und kamen nicht selten mit blutenden Nasen oder zerschundenen Knien nach Hause.
Während sie zwischen den Garnrollen kramte, stahl sich ein Lächeln auf ihr Gesicht.
Tommy, ihr jüngster Spross hielt sich mit seinen fünf Jahren von all dem fern. Er unterschied sich grundlegend von den anderen männlichen Mitgliedern seiner Familie. Nicht nur, dass er den hellen Teint seiner Mutter und ihr hellblondes Haar besaß, war er vom Charakter her eher sanft und manchmal fast ein wenig zu still. Weil er, statt mit seinen Brüdern herum zu toben, lieber mit einem Mädchen aus der Nachbarschaft auf dem handtuchgroßem Stück Rasen, der die Trails voneinander trennte, spielte, wurde er von ihnen ständig gehänselt.
Aber nicht allein deswegen nahm sie ihn immer wieder in Schutz. Tommy stand ihr auch naturgemäß am nächsten.
Weil sich die dunklen Farbtöne sehr ähnlich waren und sie nicht aus Versehen eine falsche Garnrolle heraus nehmen wollt, beugte sich Katrin noch weiter vor. Dabei fiel ihr der Pony ihres langen, im Nacken locker zusammen gebundenen Haars tief ins Gesicht. Fast automatisch stülpte sie ihre Unterlippe vor und blies die lästigen Strähnen weg.
,Ich müsste mal wieder zum Frisör gehen!,
Noch während sie es dachte, wurde ihr die Widersinnigkeit dessen bewusst. Schon lange reichte das Geld, welches ihr Mann als Lohn für seine schwere Arbeit im Wald mit nach Hause brachte, nicht mehr für einen solchen Luxus und schnitt sie sich, ebenso wie ihren Kindern, mit einer Haushaltsschere das Haar. Sie hatte es darin sogar zu einer gewissen Kunstfertigkeit gebracht und oft klopften nun die Frauen der Nachbarschaft an ihre Tür.
Patrick sah dies, obwohl sie damit gelegentlich ihr Haushaltsbudget aufbesserte, überhaupt nicht gern. Er mochte es nicht, wenn sie sich zu eng mit den anderen Frauen der Siedlung verband und deren Klatsch über ihre Ehemänner anhörte.
Gleichzeitig darüber empört und belustigt, schüttelte sie ihren Kopf.
,Als ob wir uns so gut untereinander verständigen könnten!,
Die wenigsten beherrschten, wie sie, neben ihrem leidlichen Englisch, auch noch die Landessprache und mischten unter ihre Sätze immer wieder heimatliche Idioms. Ihre Kinder hatten es dagegen leichter. Schon allein durch den Kontakt untereinander und dem Besuch der Schule war es für sie selbstverständlich, gleich mehrsprachig aufzuwachsen.
Beim Einfädeln des dünnen Fadens ins Nadelöhr, kniff Katrin ihre Augen zusammen. In letzter Zeit sah sie nicht mehr so gut. Die anhaltende Dunkelheit des Winters an diesem Ort, weit oben im Norden, forderte langsam von ihr den entsprechenden Tribut. Selbst die langen Tage des Sommers und seine hellen Nächte halfen nicht mehr, wie früher, ihre Sehschärfe wieder her zu stellen. Mit kleinen feinen Stichen den Riss zusammennähend, lächelte sie erneut vor sich hin.
Es war auch im Sommer gewesen, als sie Patrick besuchte, der, nachdem er in seinem Beruf als Forstarbeiter auf dem einheimischen Arbeitsmarkt keine Chancen mehr sah, hier endlich eine Anstellung gefunden hatte. Nach einer sehr kurzen Begrüßung am Flughafen hatte er sie sofort in seinen Jeep gesetzt und fuhr mit ihr an einen dieser malerisch gelegenen Seen, die es in diesem Land zu Hunderten zu geben schien. Auf dem Weg dorthin sprach er wenig, aber er war, bis auf ganz wenige Ausnahmen, noch nie ein Mann großer Worte gewesen. Außerdem hatten sie sehr oft miteinander telefoniert.
Am Ziel angekommen, vergaß sie auch ihre Enttäuschung darüber, dass er mit ihr, statt in der Stadt zu bleiben, hier her gefahren war. Patrick hatte zwar kein Hotelzimmer für sie besorgt, um ihr Wiedersehen nach einem halben Jahr Trennung zu feiern, dafür jedoch einen herrlichen Sandstrand, an dem weit und breit keine andere Menschenseele zu finden war, ausgesucht und im angrenzenden Wald wuchs der Farn kniehoch. Dort nahm er sie dann endlich richtig in den Arm und ehe es sich beide versahen, lagen sie zusammen auf dem Boden und liebten sich, fast unstillbar durstig aufeinander, gleich mehrere Male und ihre Lustschreie hallten durch das Dickicht.
Sehr viel später, sie hatte über seine Zärtlichkeiten und dem ununterbrochenen Sonnenschein die Zeit vergessen, richtete Patrick ihnen mit Iso- Matten und Schlafsäcken einen gemütlicheren Platz her und nutzte die Pausen zwischen ihren weiteren Liebesspielen zum Angeln. Da sie seit einem kleinem Imbiss im Flugzeug nichts mehr gegessen hatte, durchsuchte Katrin bald hungrig den Jeep. Doch außer einem gewaltigen Brotvorrat, über den sie sich ein wenig wunderte und einer Unmenge von Getränken fand sie nichts. Erst am späten Abend, ihre Geduld war, trotz Schwimmens und Sonnenbadens auf eine harte Probe gestellt worden und sie hatte sich an ein paar Scheiben Brot schadlos gehalten, zündete Patrick ein Feuer an, über dem er die wenigen, von ihm geangelten Fische röstete. Nach diesem gemeinsamen, wenn auch kargen Mahl liebten sie sich noch einmal so heftig, dass sie bald völlig erschöpft einschlief.
In einem benachbarten Trail hatte jemand eine CD mit Weihnachtsmelodien aufgelegt, die nun herüberschallten und ihre Erinnerungen unterbrachen.
,Weihnachten und Schnee., Unvermittelt überflutete Katrin eine tiefe Traurigkeit und ihre Augen wurden feucht. ,Wie habe ich mir das zu Hause immer gewünscht, wenn ich mit meiner Mutter in der Heiligen Nacht zur Messe ging.,
Um nicht in Tränen auszubrechen und darüber nachdenken zu müssen, wie sich ihr Leben seit dem verändert hatte, träumte sie sich in jenen Sommer vor über zehn Jahren zurück.
Es musste wohl Mitternacht gewesen sein, als sie damals vom lauten Schrei einer Eule erwachte. Zwar noch benommen, sah sie jedoch sofort, dass der Platz neben ihr leer war. Nur das Feuer glimmte leise vor sich hin. Ihre aufkommende Panik darüber, in dieser Wildnis allein zu sein, unterdrückend, redete sie sich zunächst ein, Patrick wäre etwas beiseite gegangen, um sich zu erleichtern. Aber nachdem sie eine ganze Weile auf ihn gewartet hatte und auf ihr Rufen keine Antwort erhielt, überkam sie die Angst. Bei jedem Rascheln des Laubes und dem Knacken der Zweige im Wald glaubte sie zu hören, wie sich irgendein Tier an sie heranschlich. Spontan fielen ihr jene Geschichten ein, die ihr ihre Großmutter so oft erzählt hatte. Wölfe spielten darin stets eine große Rolle und in diesem Land gab es noch eine Menge davon.
Ärgerlich lutschte Katrin einen Blutstropfen von der Fingerkuppe, in die sie sich gestochen hatte. Sie prüfte, ob etwas davon auf das Shirt gefallen war.
,Ich war nicht nur ärgerlich, sondern stink sauer auf Patrick, weil er mich, obwohl er doch wusste, wie sehr ich mich dort fürchten würde, einfach weg gestohlen hatte., erinnerte sie sich . ,Als er dann endlich wieder auftauchte, ich hatte bereits beschlossen, mit dem Jeep in die Stadt zu fahren und Hilfe zu holen, weil ich glaubte, ihm wäre etwas zugestoßen, sah ich als erstes das angetrocknete Blut an seinen Händen.,
Ihren verletzten Finger abspreizend schnitt sie den Faden ab und steckte die Nadel ins Kissen zurück. Mittlerweile war es draußen so still geworden, dass sie das Auto, welches nun in die Straße, die an ihrem Haus vorbeiführte, einbog, hören konnte.
Vielleicht kam ihr Mann ja doch zu einem Kurzurlaub!
Hastig legte sie das Shirt zu den anderen, stand auf und lief auf die Veranda. Dort war es war bitterkalt. Fröstelnd zog sie die dicke Strickjacke vor ihrer Brust zusammen. Nach der letzten Schwangerschaft war sie etwas fülliger geworden. Das hatte jedoch auch sein Gutes. Sie sah bei weitem nicht so abgehärmt wie viele andere Einwandererfrauen aus und wenn sie ihren Einkaufswagen durch die schmalen Gänge des Lebensmitteldiscounters schob, schauten ihr die Männer immer noch hinterher. Auch wenn Patrick nicht viel Worte darum machte, wusste sie, dass er deshalb sogar ein wenig stolz auf sie war.
,Wenn er es ist, werde ich ihm gleich einen Tee kochen und ein kräftiges Abendbrot vorsetzen. Er wird sicher müde und durchgefroren sein.,
Sofort fiel ihr das abgebratene Stück Rehrücken ein, welches sie als Rest vom letzten Mittagessen in ihrer Speisekammer aufbewahrte. Ihr Mann liebte den Wildgeschmack über alles und würde es auch kalt essen.
Inzwischen war das Auto soweit herangekommen, dass sie es erkennen konnte. Enttäuscht, weil es nicht Patrick war, ging sie wieder ins Haus zurück und setzte ihre Arbeit an den Shirts fort.
Wann hatte er eigentlich seine Vorliebe für Wild entdeckt? Lag sie ihm schon immer im Blut und er hatte es nur nicht bemerkt, oder kam sie erst in diesem wilden und teilweise unwirtlichen Land zum Vorschein? Jedenfalls war er damals, bei ihrem gemeinsamen Biwak am See, schon so weit, dafür auf Jagd zu gehen und zu töten. Ohne sich für sein Verschwinden zu entschuldigen, legte er ein Bündel, aus dem ein paar dünne Knochen ragten, neben dem Feuer ab, reinigte sein breites Messer im Gras und ging zum Ufer, um sich zu waschen. Von ihrer Angst und dem Warten völlig zermürbt, hatte sie ihn dabei still beobachtet und das in Fell gehüllte Paket nicht anzurühren gewagt. Zunächst war sie nur darüber froh, dass sich ihre Befürchtungen nicht bewahrheitet hatten. Ungeachtet dessen kam ihr Patrick sehr verändert vor. Sie hatte ihn ganz anders in Erinnerung- zartfühlend mit jeder Kreatur und rücksichtsvoll. Oft war er mit ihr in die heimischen Wälder gegangen, hatte ihr die Pflanzenwelt erklärt und so manches verletzte Jungtier wieder gesund gepflegt. Natürlich sah er ihr den immer noch nicht ganz überstandenen Schrecken an.
„Ein verlassenes Kitz.“, erklärte er ihr deshalb gleich nach seiner Rückkehr und wies völlig nebensächlich auf seine Beute. „Ich habe es nur vor einem jammervollen Tod bewahrt.“.
Es war ihre Schuld, dass sie ihm diese Lüge glaubte, denn heute wusste sie, dass es eine gewesen war. Aber zu jener Zeit war sie so vernarrt in ihn, dass sie ihm alles glaubte.
Als sie ihn dann fragte, was er damit vorhabe, antwortete er: „Essen natürlich oder glaubst du, wir können uns eine Woche nur von Fisch ernähren?“.
Erst da erkannte Katrin, dass er nie beabsichtigt hatte, mit ihr irgendwelche Veranstaltungen zu
besuchen oder sich die berühmten Bauwerke, über die sie vorher so viel gelesen hatte, an zu sehen.
,Und dafür hatte ich extra zwei Koffer gepackt!, dachte sie grimmig. ,Was würde ich heute dafür geben, sie noch einmal zu besitzen.,.
Das meiste nähte sie jetzt selbst auf ihrer klapprigen, alten Nähmaschine, die sich noch mit dem Fußpedal an trieb. Sie hatte sogar gelernt, aus der billigen Wolle, die es im Supermarkt gab, einigermaßen gut aussehenden Pullover und Jacken zu stricken.
Ihre Mundwinkel zogen sich nach unten.
,Immer nur trockenes Brot und leicht gewürztes Wildfleisch! Eine ganze Woche lang haben wir uns dort draußen, von nichts anderem, außer manchmal etwas Fisch, ernährt. Als ich nach drei Tagen erwog, in die Stadt zu fahren und etwas anderes einzukaufen, schleppte er einfach ein Wildkaninchen heran und überredete mich da zu bleiben.,
Patricks Überredungskünste waren legendär. Letztendlich schaffte er es immer, sie davon zu überzeugen, dass das, was er ihr vorschlug, auch für sie das Beste sei.
„Was willst du in der Stadt, wo uns die Natur doch alles gibt, was wir brauchen?“, fragte er sie und fügte verschwörerisch lächelnd an: „Außerdem können wir uns hier wo und wann es uns gefällt lieben, ohne auf andere Rücksicht nehmen zu müssen.“.
Wie er es jedoch anstellte, bei der Jagd so erfolgreich zu sein, blieb für sie stets ein Rätsel. Natürlich hatte sie bereits lange vorher gewusst, dass seine Sinne von einer fast übernatürlich feinen Art waren und er sich, wenn er wollte, lautlos bewegen konnte. Während der gemeinsam verbrachten Wochenenden in ihrer Wohnung, machte er sich oft einen Spaß daraus, sich an sie heranzuschleichen und sie, wenn sie sich erschreckte, von hinten zu umarmen. Aber dass seine Instinkte so stark ausgeprägt waren, dass es dafür reichte, das Wild nur mit einem Messer in der Hand zu erlegen, hätte sie sich damals nicht einmal im Traum vorstellen können. Noch heute fürchtete sie sich manchmal fast vor ihm, wenn er von seiner Jagd zurückkehrte und sofort mit ihr ins Bett wollte. Seine Augen waren dann von einem seltsamen Licht erfüllt und die Liebesspiele zumeist heftig. Vor allem mochte er es, sie vor sich knien zu sehen und von hinten in sie einzudringen. Wenn er dann seinem Höhepunkt entgegenstrebte, zerkratze er ihr oft den Rücken oder biss ihr so fest in den Nacken, dass weh tat. Doch wenn sie anschließend an seiner Brust, die, wie sein ganzer Körper mit einem seidenweichen dunklem Flaum bedeckt war, lag, und dabei seinen leisen Atem und den kräftigen Herzschlag hörte, vergaß sie ihre Angst schnell wieder.
,Er ist ja nicht immer so zu mir und sogar dann wartet er, bis ich wenigsten ein bisschen Lust verspüre.,
Während Katrin ein weiteres Shirt aus dem Wäschekorb nahm, glaubte sie wieder ihre Mutter, die von Anfang an Einwände gegen diese Verbindung hatte, zu hören.
„Dein Patrick ist mir einfach unheimlich. Sein Gesicht und seine unsteten blassblauen Augen, bei denen ich jedes Mal das Gefühl habe, sie würden sich an mir festsaugen. gefallen mir überhaupt nicht.“.
Damals hatte sie darüber nur gelacht, ihr schnippisch geantwortet:„ Du musst ihn ja auch nicht heiraten.“, und in ihren Gesprächen dieses Thema einfach nicht mehr zugelassen. Mit der Zeit ging sie sogar so weit, ihre Mutter nur noch selten anzurufen und noch weniger zu besuchen. Dabei hätte sie Patrick, der in verschiedenen Kinderheimen groß geworden war und nicht wusste, wie es ist, Eltern zu haben, so gern zu einer richtigen Familie verholfen. Sie liebte ihn ja gerade deshalb, weil er eben nicht, wie alle anderen Männer, die sie vor ihm bereits kennen gelernt hatte, war. Schon allein seine ungeheure Körpergröße, Katrin reichte ihm gerade bis zur Brust hinauf, hoben ihn aus der Menge heraus. Dass er sein langes dunkles Haar zu Zöpfen, die ihm über die breiten Schultern hingen, geflochten trug und ein Jagdmesser den Gürtel seiner Jeans zierte, machte ihn in ihren Augen erst recht zu etwas besonderem und erinnerte sie an die indianischen Helden der „Lederstrumpfbände“, die sie als Kind regelrecht verschlungen hatte.
Zudem war er stets zuvorkommen und geduldig mit ihr gewesen und drängte sie auch nicht, schon bald mit ihm zu schlafen. Als sie endlich auch dazu bereit war, richtete er sich ganz nach ihr, drang erst in sie ein, als sie sich ihm öffnete und kam zeitgleich mit ihr zu seinem Höhepunkt. Sie waren schon fast ein Jahr zusammen, als sie wagte, ihn zu fragen, woher er diese Fähigkeit für den richtigen Augenblick nahm.
„Ich verlasse mich eben nicht nur auf das, was ich sehe, sondern vor allem auf mein Gespür.“, antwortete er ihr offen. Irgendwann später meinte er fast nebensächlich: „Du brauchst dich bei mir auch um keine Verhütung sorgen. Ich weiß, wann du deine fruchtbare Zeit hast oder wie, glaubst du, ist es mir gelungen, dass du noch nicht schwanger bist?“.
Ein bitteres Lächeln stahl sich nun auf Katrins Lippen.
,Ja- Patrick wusste alles über mich und meinen Körper. Er und nicht ich , übernahm später auch die Familienplanung.,
Einigermaßen erschrocken zuckte sie zusammen. In welcher Phase ihres Zyklus befand sie sich eigentlich? Ihre Monatsblutungen kamen nicht mehr ganz so regelmäßig.
Doch schnell beruhigte sie sich wieder. Nach Tommys Geburt schien sein Interesse an einem weiteren Kind erloschen zu sein und die Tatsache, dass seit dem bereits fünf Jahre vergangen waren, gab ihr recht. Natürlich schlief er, so oft es sich einrichten ließ, immer noch mit ihr und sie konnte die Gelegenheiten, in denen sie dabei nicht zum Höhepunkt gekommen war, fast an einer Hand abzählen. Letztendlich war es auch dies, womit er sie damals endgültig gewonnen hatte. Nach jener gemeinsamen Woche in der Wildnis war ihm Katrin so verfallen, dass sie nicht einmal die Aussicht, in einem hässlichen Container, den er ihr am Tag ihrer Rückreise zeigte, wohnen zu müssen, davon abhalten konnte, ihm in dieses Land zu folgen.
„Es ist nur eine Übergangslösung.“, versprach er ihr. „Wenn wir nach meinem Urlaub als Ehepaar zurück kommen, besorge ich uns ein richtiges Haus.“.
Obwohl dies der ungewöhnlichste Heiratsantrag war, von dem sie je gehört hatte, glaubte sie Patrick vorbehaltlos. Fast überstürzt bestellte sie das Aufgebot. Noch während der wenigen Wochen bis zur Hochzeit kündigte sie ihre Arbeitsstelle, löste die Wohnung auf und kratzte alle Ersparnisse zusammen. Weder ihre Freundin, noch ihre Mutter konnten sie davon abhalten, ihr Glück in der Fremde zu suchen.
,Und Patrick hielt ja auch sein Wort. Zumindest in der einen Sache. Nach unserer Eheschließung, der eine sehr schlichte Feier folgte, flogen wir sofort wieder hier her.,
Beinahe zärtlich strich Katrin über eins seiner Lieblings- Shirts und ließ es auf ihrem Schoß liegen.
,Endlich zeigte er mir auch die Stadt und schlenderte mit mir durch die Einkaufspassagen. Wir aßen nicht, wir speisten in den besten Restaurants und wenn wir uns abends auf dem schmalen Bett im Wohncontainer geliebt hatten, schmiedeten wir die fantastischsten Pläne. Patrick wollte am liebsten eine Blockhütte am See errichten und mindestens ein halbes Dutzend Kinder um sich haben, während ich, schon allein wegen der Einkaufs- und Schulwege die Randlage der Stadt bevorzugte.,
Nur zögernd legte sie das Shirt zu den anderen.
,Über die Zahl unserer Kinder konnten wir uns allerdings nie einigen. Meist beendete Patrick den Streit zwischen uns damit, dass er einfach ein neues Vorspiel begann.,
Bei diesen Erinnerungen eben noch lächelnd, wurde sie im nächsten Augenblick wieder bitter. Sie nahm sich ein weiteres Shirt, dessen Nähte sich aufzulösen drohten vor und fädelte einen neuen Faden ein.
,Obwohl ich als MTA über eine Qualifikation verfügte, die hierzulande sehr begehrt war und es offene Stellen zu Hauf gab, bekam ich keine Arbeit mehr. Dazu noch die ganzen Einwanderungspapiere. Wer da glaubte, das hier wäre das biblische Gelobte Land irrte sich gewaltig. Milch und Honig flossen schon lange nicht mehr überreich und man verhielt sich Einwanderern gegenüber eher skeptisch. Je nach den Schwankungen auf dem Holzmarkt war Patrick manchmal wochenlang weg oder arbeitslos. Meist geschah dies im Sommer. Wenn er genug davon hatte, sinnlos in der Siedlung herum zu hängen, fuhr er an den See.,
Ihre Hände bewegten sich nun fast von allein.
,Nur einmal hat er mich noch dorthin mit genommen. Es war gerade Herbst. Der Ahorn leuchtete so kräftig, dass ich im ersten Moment glaubte, die Berghänge stünden in Flammen. Zwar war Wasser bereits zu kalt zum Baden, aber dafür spiegelte sich der weite Himmel im See und über dem Land lag ein solcher Frieden, dass mir fast die Tränen kamen. Patrick hatte jedoch scheinbar keinen Nerv für diese Schönheit. Statt dessen ist er gleich wieder fort gegangen und kam erst morgens, schwer mit Rotwild beladen, wieder. Fast einen halben Tag hatte er damit zu tun, seine Ausbeute auf der Ladefläche, unter der Plane zu verstecken, während ich seine Sachen wusch und auf den Steinen zum Trocknen ausbreitete. Im Jahr darauf wurde ich mit Steve schwanger.,
Wieder kam ein Fahrzeug die Straße entlang gefahren. Katrin unterbrach aufs Neue ihre Tätigkeit und ging auf die Veranda hinaus. Aber der Jeep fuhr an ihrem Haus vorbei. Zurück gekehrt stellte sie fest, dass die Wäsche im Korb einfach nicht abzunehmen schien. Doch sie wollte noch heute damit fertig werden- sie hatte es sich fest vorgenommen. Vielleicht lag es ja an ihrer Großmutter, die ihr immer erzählt hatte, dass während der Weihnachtszeit Frau Hulda durch die Stuben ging, alles kontrollierte und unordentliche Mädchen bestrafte. Indem Katrin daran dachte, tauchte vor ihrem geistigen Auge das alte Fachwerkhaus auf, welches malerisch am Weiher und in der Nähe eines Waldes stand. Ihre Ferien hatte sie stets dort verbracht und war beinahe untröstlich gewesen, als ihr die Mutter sagte, dass ihre geliebte Großmutter nun für immer von ihnen gegangen war und sie nie wieder dort hin könne.
,Damals war ich gerade mal acht Jahre alt und konnte diese Ungerechtigkeit einfach nicht verstehen. Dabei wäre sie bestimmt auch die einzige gewesen, die mir während der schweren Zeit meiner Schwangerschaften zur Seite gestanden hätte.,
Ein weiteres Mal seufzend versank sie in den bereits eingedrückten Polstern ihres Sessel.
Noch bevor sie sich zu jener Zeit ganz sicher war, ein Kind empfangen zu haben, hatte es nämlich Patrick bereits gemerkt und rührte sie plötzlich nicht mehr an. Nach einigen Wochen zog er sogar ins Wohnzimmer um. Vor allem nachts hallten seine ruhelosen Schritte durch das ganze Haus.
,Ich stand der Situation völlig hilflos gegenüber und wusste mir keinen Rat. Aber deswegen Mutter anzurufen, stand für mich von vornherein außer Frage. Sie hätte mich nur wieder mit Vorwürfen überschüttet und sich erneut darauf berufen, dass sie gewusst habe, was passieren würde. Egal, worüber ich mit ihr sprach, zum Schluss kam sie stets darauf, mir vor zu schlagen, mit Patrick endlich Schluss zu machen und nach Hause zurück zu kommen. Also musste ich ihn selbst fragen.,
Ein weiteres Shirt auf den Stapel legend, stellte Katrin fest, dass nun doch bald der Boden ihres Waschkorbes zu sehen war. Es konnte nicht mehr lange dauern, bis sie fertig war und Patrick war immer noch nicht gekommen. Also wurde es in diesem Jahr nichts mehr mit dem Weihnachtsurlaub. Dabei hatte sie sich so darauf gefreut, mit ihm gemeinsam den Baum zu schmücken und die leuchtenden Augen ihrer Kinder zu sehen, wenn sie ihre, obgleich kleinen Geschenke entdeckten.
Anfangs wich er ihr damals noch aus, doch eines Tages, sie war bereits im fünften Monat, gestand er ihr: „Du riechst und schmeckst plötzlich ganz anders und wenn ich näher an dich heran komme, habe ich stets das Gefühl, mein Kind würde hungrig schmatzen. Wie kann ich da noch mit dir oder in deiner Nähe schlafen?“.
Darüber einigermaßen erstaunt, denn bisher hatte sie geglaubt, es wäre alles in Ordnung, sie verspürte keine Übelkeit, nahm normgerecht zu und besuchte die Beratungen, begann sie sich noch abwechslungsreicher zu ernähren. Doch ihr Mann blieb bei seinem Entschluss.
Sein Liebesverlangen schien dagegen nicht nachzulassen. Manchmal, wenn sie schlaflos in ihrem Bett lag, hörte sie ihn leise stöhnen und vermutete, dass er sich dann selbst befriedigte. Einmal, als es besonders schlimm um ihn zu stehen schien, war sie sogar zu ihm hinübergegangen. Doch er drehte sich von ihr weg und erteilte ihr eine brüske Abfuhr. Von da an unterließ sie es.
Im Spätherbst, kurz vor ihrer Entbindung, war sie beinahe froh darüber, dass er wieder ins Holz musste. Nicht, dass er außer diesem einem Mal etwa unhöflich oder gar grob zu ihr gewesen wäre. Patrick nahm ihr jede schwere Arbeit ab, baute vor die Eingangstür endlich eine Veranda und zog Zwischenwände für das künftige Kinderzimmer ein. Gemeinsam und mit sehr viel Liebe suchten sie die Erstausstattung für das Baby aus und besorgten sich einen Kinderwagen. Erneut flog ein Lächeln über Katrins Gesicht.
,Die Sachen waren von einer solchen Qualität, dass ich sie komplett samt Kinderwagen noch für Eddie und teilweise sogar für Tommy gebrauchen konnte.,
Ungeachtet dessen nahm Patrick sie kaum, und wenn, dann stets widerstrebend, in den Arm, wollte nichts von Herztönen oder Bewegungen hören und küsste sie, je weiter ihre Schwangerschaft voran schritt, gar nicht mehr. Als sie einmal mit ihrem Arzt darüber sprach, beruhigte er sie und erklärte er ihr, dass sie bei ihrem Mann wohl eine tief in ihm liegende Urangst geweckt hätte. Spätestens beim nächsten Kind würde sich das schon geben.
Müde fuhr sich Katrin mit der Hand über ihre Lider. Wie noch hatte er, nachdem er in ihr den Grundstein für Eddy gelegt hatte, ihr ins Ohr geflüstert?
„In deiner Augen dunklem See bin ich so tief ertrunken und erst in deinen Armen wieder aufgewacht, am frühen Morgen hab ich mich bei dir gefunden, nach vielen kleinen Toden einer wundervollen Nacht ...“.
Es war das einzige Mal, dass er so poetisch wurde. Bis dahin hatte sie nicht einmal gewusst, dass er so etwas überhaupt konnte. Doch nun schien es ihr eine Ewigkeit her zu sein.
,Unser Traum vom Haus verflüchtigte sich spätestens in dieser Zeit., erinnerte sie sich. ,Statt besser wurde es nur noch schlimmer. Mit Steve und meiner erneuten Schwangerschaft hatte ich jedoch so viel zu tun, dass ich manchmal ganz froh darüber war, meine Ruhe zu haben. Das einzige, womit mir Patrick ständig auf die Nerven ging, war seine Forderung, mehr von seinem Wild zu essen. Angeblich täte dies dem ungeboren Kind gut und es würde dann ruhiger werden. Einmal hat er mich sogar gezwungen, eine rohe und ganz frische Kaninchenleber, aus der, als ich hineinbiss, das Blut heraus und mir am Kinn herunter lief, zu essen. Auch wenn ich mich dabei fast zu Tode würgte, wartete er so lange, bis ich alles zerkaut und herunter geschluckt hatte. Dafür hätte ich ihn damals umbringen können! ,
Wenn sie daran zurück dachte, wurde ihr heute noch manchmal schlecht- vor allem deshalb, weil er das viele Fleisch, welches er von seinen Beutezügen mitbrachte, in ihrer Speisekammer, wo sich trotz ständigem Putzens, jener strenge Geruch bereits in den besonders abgedichteten Wänden eingenistet hatte, hängen ließ. Daran änderte auch nichts, dass es ihre Haushaltskasse merklich entlastete. Und nicht erst seit jenem Erlebnis fragte sie sich auch, warum sich ihr Mann überhaupt so zielgerichtet um Nachwuchs bemühte, wenn es doch für ihn, neben dem Verzicht auf ein erfülltes Liebesleben, mit so vielen Belastungen verbunden war.
,Vielleicht ließ er deshalb mehr Zeit verstreichen, bevor er mich mit Tommy schwängerte. Bei ihm legte sich seine Zurückhaltung fast gänzlich und ich war darüber unendlich erleichtert.,
Das letzte Shirt lag nun auf ihrem Schoß. War es Zufall, dass es eins von ihm war?
Patrick schlief damals wieder nicht mit ihr, wechselte jedoch auch nicht ins Wohnzimmer hinüber und ließ es sogar zu, dass sie sich an ihn schmiegte. So manches Mal erwachte sie, weil er gerade seine Nase in ihr Haar vergrub oder selbstvergessen ihren Bauch streichelte. Ihr Jüngster wurde auch nicht, wie die beiden anderen vor ihm, in die Dunkelheit, sondern ins Sonnenlicht hinein geboren. Wie hatte sie ihren Mann gebeten, sie ins Krankenhaus zu begleiten und dabei zu sein! Doch dazu war er um keinen Preis der Welt bereit.
,Als er jedoch zum ersten Mal seinen neugeborenen Sohn in den Arm nahm, erlitt ich beinahe einen Schock. Seine Augen leuchteten für den Bruchteil einer Sekunde gefährlich auf und er drückte das Kissen, auf dem Tommy lag so fest an sich, dass ich es ihm entreißen musste, damit er ihn nicht erstickte. Das hatte er bei den anderen beiden nicht getan!,
In Erinnerung an den Schrecken, den ihr Patrick damals bereitete, starrte sie auf das bunte Logo, welches einen Wolf auf einer Felsspitze stehend, zeigte.
,ja, Tommy ist wirklich ganz anders., dachte sie liebevoll. ,Im Gegensatz zu den beiden älteren, deren kleine Körper bereits bei der Geburt mit jenem dunklem Flaum ihres Vaters bedeckt waren, kam er ja auch glatt und rosig zur Welt.,
Nun endlich legte sie auch sein Shirt zu den anderen. In der Folgezeit ließ Katrin ihren Mann nur dann dichter an das Baby heran, wenn es gerade gestillt wurde und nach ihrer Milch roch. Und dieses Mal stillte sie sehr lange. Während Steve und Eddie noch vor der Vollendung ihres ersten Lebensjahres nach fester und vollwertiger Nahrung verlangten, ließ sich ihr Jüngster damit Zeit.
Noch heute aß er lieber Obst, Gemüse und Milchspeisen. Sollten sich Steve und Eddie, wie es immer häufiger geschah, nur weiter um die Jagdbeute ihres Vaters streiten, wenn sie Katrin nach seinem Rezept zubereitet auf den Tisch brachte. Tommy würde sich niemals daran beteiligen und wenn sie ihn noch zehnmal verächtlicher einen „Milchreisbubi“ nannten und seine Portion mit vereinnahmten.
Erschrocken fuhr Katrin aus ihren Gedanken auf. Sie glaubte in der Ferne einen Wolf heulen zu hören. In diesem Jahr war der Winter besonders früh hereingebrochen. Sogar die sonst so scheuen Rentiere suchten inzwischen bei den Trails Schutz vor der Kälte und nicht selten waren am Morgen die Mülltonnen umgeworfen und von herumstreunenden Füchsen und hungrigen Wildschweinen nach etwas Essbarem durchwühlt. Kaum jemand wagte sich des Nachts noch vor die Tür. Besorgt ging sie ins Kinderzimmer. Aber dort war alles ruhig. Nur Steves und Eddies dunkle Schöpfe sowie Tommys helles Haar ragten unter den dicken Bettdecken hervor. Trotzdem prüfte Katrin, ob sie richtig zugedeckt waren, denn der Raum war bereits so stark ausgekühlt, dass sie ihren eigenen Atem sehen konnte. Morgen früh würden die doppelt verglasten, jedoch mittlerweile undicht gewordenen Fenster wieder mit einer feinen Eisschicht überzogen sein. Die Heizung kam einfach nicht mehr gegen diese Minusgrade an, und laufend neues Öl nachzukaufen würde das bereits schon jetzt sehr eng bemessene Haushaltsbudget endgültig sprengen.
,Wenn Mutter wüsste, wie wir hier wohnen, schlüge sie bestimmt die Hände über dem Kopf zusammen!,
Katrin sah sich in dem kleinen Raum um, der von den Betten gänzlich ausgefüllt wurde. Weil sie sich nicht einmal mehr ein Telefon leisten konnten, bestand ihre einzige Verbindung zur Heimat in einem mehr oder weniger sporadischem Briefwechsel mit ihrer Mutter. Manchmal schickte sie ihr auch Familienfotos- natürlich vor einem gefälligeren Hintergrund aufgenommen und gestern war, wie jedes Jahr zu Weinachten ein großes Paket, vollgestopft mit Süßigkeiten und Spielzeug von ihr eingetroffen. Aber das waren nur formale Dinge und hatten mit Liebe zu ihrer Tochter oder den Enkelkindern wenig zu tun.
,Gut, dass sie keine weite Reisen mehr verträgt., Über ihre Feststellung sogar erleichtert atmete Katrin auf. ,Und bis jetzt ist mir auch immer noch eine plausible Ausrede eingefallen, um einen angeblich vorher geplanten Besuch durch uns kurzfristig abzusagen.,
So sehr sie sich auch bemühte, nicht daran zu denken, wie verlassen sie sich trotzdem manchmal fühlte, weil nach und nach alle anderen Brücken zu ihrem ehemaligen zu Hause mittlerweile abgebrochen waren, kam ihr gerade dieses in den Sinn. Dabei hatte sie es doch viel besser erwischt als manch andere Frau in dieser Siedlung – Ihr Mann trank keinen Alkohol, blieb ihr treu und besuchte seine Familie so oft es ihm möglich war. Er hatte sich, wie so viele andere Männer hier, auch noch nie an ihr vergriffen und ihre drei Kinder gediehen prächtig.
Patrick muss schnellstens etwas an den Fenstern ändern und spätestens im nächsten Jahr die Isolierungen erneuern., lenkte sie sich ab. ,So kann es auf keinen Fall weiter gehen!,
Nur würde er dafür überhaupt Zeit finden? Seine Ausflüge wurden, damit ihn die Jäger bei seiner Wilderei, auf die hierzulande ziemlich harte Strafen lagen, nicht ertappten, immer ausgedehnter. Außerdem hatte er angedeutet, demnächst Steve mitzunehmen. Er sollte alles darüber lernen, um für ihn einspringen zu können, falls ihm einmal etwas zustoßen sollte. Gerade für ihn hatte sie sich als Weihnachtsgeschenk etwas besonderes ausgedacht und ihm ein Messer, das dem seines Vaters ähnelte, gekauft. Die Idee dafür war natürlich wieder einmal von Patrick.
So sehr sie sich auch dem Gedanken widersetzte, ihren Sohn in jener Wildnis zu wissen, wo ihm doch nur beigebracht wurde, auf lautlose Art unschuldige Tiere zu erlegen, so sehr hatte ihr Mann immer wieder auf sie eingeredet. Als stärkstes Argument brachte er ihre Sorgen über Steves Aufsässigkeit und seine Wutausbrüche, die sich in letzter Zeit sprunghaft häuften, an. Und irgendwie musste sie ihm recht geben. Als sie ihm letztens eine Ohrfeige verpasste, weil sie sich nicht mehr anders zu helfen wusste, hatte sie ihr Ältester sogar angeknurrt und seine Oberlippe so weit hoch gezogen, dass sie seine kräftigen Eckzähne sehen konnte. In jenem Moment wirkte er beinahe angsteinflößend auf sie und ihr letzter Widerstand brach..
,Vielleicht ist es ja gut, dass er sich nun etwas mehr um seinen Sohn kümmert, nachdem er mir über die ganzen Jahre hinweg allein die Verantwortung aufgebürdet hat. Der Junge muss endlich lernen, seine Gefühle zu beherrschen.,
Leise schloss Katrin die Tür hinter sich und kehrte ins Wohnzimmer zurück. Für heute war ihre Arbeit getan.
In ihre dicke Thermodecke gehüllt und bereits im Hinübergleiten in die Traumwelt, hörte sie nicht den Schnee unter den Reifen knirschen, als Patrick seinen Jeep, dessen Scheinwerfer und Zündung er vorher ausgeschaltet hatte, neben dem Trail ausrollen ließ und abstellte. Unter der zugeknöpften Plane lag seine letzte Ausbeute, genug, um seine Familie für die nächsten Wochen mit Wild zu versorgen.
Aber das hatte Zeit. Zuerst wollte er zu Katrin, die bestimmt, nachdem sie halbe Nacht im Warten auf ihn verbracht hatte, schon schlief. Er war noch immer so fest mit ihr verbunden, dass er spürte, wenn sie an ihn dachte und sich nach ihm sehnte.
Während er beinahe lautlos die wenigen Stufen der Veranda hinaufging, traf ihn das kalte Licht des Vollmondes. Im Nu stellten sich seine Körperhaare auf und änderte sich der Fluss seines Blutes. Heiß strömte es in seinen Unterbauch hinab und ließ ihn unter dem Gefühl des sofortigen Anschwellens seines Gliedes erschauern. Im Wahrnehmen dieser überaus starken körperlichen Reaktionen wurde sich Patrick bewusst, dass in diesen Zeichen eine ihm bisher gänzlich verschlossene Symbolik lag. Unvermittelt begriff er ebenso, dass sich diese Nacht von den anderen unzähligen Nächten, die er bereits erlebt hatte, unterschied. Seine Sinne waren von einer nie zuvor gekannten Schärfe. Schon vor dem Betreten des Hauses hörte er die leisen Atemzüge seiner Familienmitglieder und nahm seine Nase den scharfen Geruch seiner beiden älteren Söhne auf, unter den sich Tommys beinahe störend mischte. Über allem schwebte jedoch Katrins frauliche Wärme.
Ungewohnt hastig legte er im Bad seine Bekleidung ab und betrat bald darauf schattengleich das Schlafzimmer, auf dessen Fußboden der Mondenschein einen hellen Fleck malte. Patrick verharrte nackt, wie er war, für einen Moment in dem intensiven Strahlen, welches seine feinen Härchen an Armen, Beinen und am Leib sofort in flüssiges Silber tauchte und ihn flirrend umspielte. Beinahe instinktiv löste er seine Zöpfe. Das offene, hüftlange Haar fiel glänzend auf seinen breiten Rücken. Stolz erhob sich sein starkes Glied aus der Mitte seines, immer noch geschmeidigen, Körpers.
Katrin, die plötzlich erwacht war, weil sie wohl im Unterbewusstsein seine Nähe wahrgenommen hatte, blickte atemlos und mit weit aufgerissenen Augen zu ihrem Mann hinüber. So hatte sie ihn noch nie zuvor gesehen und auf dem Bild, das sich ihr bot, lag etwas sonderbar Mystisches, das sie in seiner Schönheit tief berührte. Doch schon hatte er ihr leises Ausatmen gehört.
Im Nu war Patrick bei ihr am Bett. Sie setzte sich auf und legte ihre Arme um seinen Hals. Sein Mund suchte den ihren und ihre Lippen vereinigten sich in einem langen Kuss. Schnell schob Katrin die Decke weg und zog ihn zu sich hinunter.
„Ich habe den ganzen Abend gehofft, dass du endlich kommst.“.
„Ich weiß und darum bin ich jetzt hier.“.
Seine Stimme klang ein wenig rau. Das war immer so, wenn er erregt war, heute jedoch wirkte die uralte Magie jenes Augenblickes in ihm weiter nach. Unter dem Streicheln seiner Hände richtete sich Katrins Brustwarzen sofort auf. Flugs hatte er ihr das Nachthemd über den Kopf gestreift und zog nun mit seiner Zungenspitze immer enger werdende Kreise um ihren Bauchnabel. Ströme der Lust durchfluteten sie und ließen ihren Unterleib warm werden. Sie wünschte sich nichts so sehr, als ihren Mann in sich zu spüren. und Selbstvergessen fuhren ihre Hände durch sein Haar. Unerwartet blickte Patrick sie an. Seine Pupillen waren nachtschwarz und derart geweitet, dass sie die gesamte Iris überdeckten. Schon lag er auf Katrin und drang mit einer leichten Drehung in sie ein. Sich auf seine kräftigen Arme abstützend, bewegte er sich so langsam es ihm möglich war. Katrin fühlte, wie er sie mehr und mehr ausfüllte, roch seinen unverwechselbaren Duft nach Tannen, Erde und vertrocknetem Farn und streckte sich ihm entgegen. Immer weiter in jene sanfte, lichterfüllte Dämmerung, die alles Denken auslöscht, eintauchend, vergaß sie ihre Ängste und Sorgen. Patrick war wieder bei ihr und nur das zählte noch. Harmonisch passte sie sich seinen Bewegungen an, die nun immer schneller wurden und spürte ihre eigene Feuchte, die sein Glied mehr und mehr umhüllte.
Patricks Kehle entrang sich ein Stöhnen, Seine Nervenenden waren so empfindlich, dass er die feinsten Bewegungen im Inneren seiner Frau wahrnahm.
Mit einem Mal erkannte er, dass dies vom Anbeginn der Zeit seine einzige Bestimmung und er der Letzte seiner Art, die über Jahrtausende auf dieser Welt gelebt hatte, war.
Und während er Katrin tiefer und tiefer in seinen Wald führte, wo im Schatten uralter Bäume jene verborgenen Blumen, die sich nur wenigen Menschen zeigen, blühten, wusste er, dass sie ihm im kommenden Herbst ein weiteres Kind schenken und damit seine Rasse vor dem Verschwinden bewahren würde.
Ein dumpfes Grollen stieg in ihm hinauf. Indem er in Katrins Hals biss, drängte er es zurück. Lustvoll, in pulsierenden Strömen ergoss sich sein Samen in ihrem aufnahmebereiten Leib.
Katrin, in ihrer Seele getroffen, stieß einen hohen spitzen Schrei aus.
Noch bevor die letzte Welle verebbt war, fühlte sie schon das neue Leben in sich wachsen.
Aber dieses Mal empfand sie keine Freude darüber.

Erneut heulte der ferne Wolf auf der Suche nach einer Partnerin seine Einsamkeit in die frostklirrende Nacht hinaus.

Hätte sie doch nur auf ihre Mutter gehört!
 

Alina

Mitglied
Hätte sie doch nur auf ihre Mutter gehört!

Erschöpft ließ sich Katrin in ihren Ledersessel, dessen Lehnen bereits abgewetzt und mit kleinen Löcher übersät waren, fallen. Noch vor wenigen Minuten hatte sie ihre drei Söhne, weil die Zeit schon ziemlich vorangeschritten war und die beiden älteren am nächsten Morgen wieder zur Schule mussten, erneut zur Ruhe ermahnt. Nun wartet sie auf ihren Mann.
,Ob Patrick heute endlich nach Hause kommt? In wenigen Tagen ist Weihnachten und er war schon über zwei Wochen nicht mehr bei uns., dachte sie ein wenig traurig und machte sich an ihre Arbeit.
Im engen Lichtkreis der niedrig hängenden Lampe nahm sie die zerknitterten Shirts ihres Mannes und der Kinder aus einem Korb neben sich, strich sie glatt und legte sie anschließend zusammen. Nur gut, dass der Rest des Zimmers in der Dunkelheit verschwand. So musste sie sich wenigstens nicht dauernd jene billigen, auf dem Flohmarkt erstandenen Möbeln, den hässlichen Bodenbelag aus Kunststoff und die schäbigen Tapeten ansehen.
Schäbig war auch der treffende Ausdruck für beinahe alles hier: Für das Haus, dem man, trotz aller Mühe, die sie sich gegeben hatten, seine Herkunft als Container immer noch deutlich ansah, die Wohnsiedlung, die nur aus solchen „Trails“ bestand und die Nachbarn- ein bunter Haufen von Einwanderern, die es hier her verschlagen hatte, nachdem ihre Träume vom schnellen Reichtum in der Fremde zerplatzt waren.
Katrin legte ein weiteres Shirt zusammen und entdeckte an seinem Ärmel einen Riss.
,Typisch Steve! , dachte sie ein wenig verärgert., Er wird sich wohl nie ändern.,
Seufzend nahm sie ihren Handarbeitskorb vom wackeligen Beistelltisch.
Steve war ihr Ältester und schlug völlig in die Linie seines Vater. Schon jetzt, wo er bald elf Jahre alt wurde, ließ sich erkennen, dass er irgendwann einmal Patricks Größe erreichen würde. Sein Körper schlank und gerade gewachsen, mit schmalen Hüften und langen Beinen streckte sich in letzter Zeit zunehmend in die Höhe. An seinen Oberarmen zeigten sich bereits feste Muskeln. Was Wunder: Egal, welches Wetter herrschte, hangelte sich Steve an der Teppichstange neben dem Eingang hoch und ließ nicht nach, bis er wenigstens ein Dutzend Beugen hinter sich gebracht hatte.
Katrin suchte nach einer Nadel sowie dem zum Shirt farblich passenden Garn, doch ihre Gedanken waren weiter bei den Kindern.
Eddie, ihr zweiter Sohn, dessen achten Geburtstag sie kürzlich gefeiert hatten, und der ebenfalls nur Patricks Gene geerbt zu haben schien, war seinem großen Bruder bedingungslos ergeben. Er eiferte ihm allem nach. Auch sonst waren die beiden fast unzertrennlich, rangelten sich oft mit den anderen Einwandererkindern und kamen nicht selten mit blutenden Nasen oder zerschundenen Knien nach Hause.
Während sie zwischen den Garnrollen kramte, stahl sich ein Lächeln auf ihr Gesicht.
Tommy, ihr jüngster Spross hielt sich mit seinen fünf Jahren von all dem fern. Er unterschied sich grundlegend von den anderen männlichen Mitgliedern seiner Familie. Nicht nur, dass er den hellen Teint seiner Mutter und ihr hellblondes Haar besaß, war er vom Charakter her eher sanft und manchmal fast ein wenig zu still. Weil er, statt mit seinen Brüdern herum zu toben, lieber mit einem Mädchen aus der Nachbarschaft auf dem handtuchgroßem Stück Rasen, der die Trails voneinander trennte, spielte, wurde er von ihnen ständig gehänselt.
Aber nicht allein deswegen nahm sie ihn immer wieder in Schutz. Tommy stand ihr auch naturgemäß am nächsten.
Weil sich die dunklen Farbtöne sehr ähnlich waren und sie nicht aus Versehen eine falsche Garnrolle heraus nehmen wollt, beugte sich Katrin noch weiter vor. Dabei fiel ihr der Pony ihres langen, im Nacken locker zusammen gebundenen Haars tief ins Gesicht. Fast automatisch stülpte sie ihre Unterlippe vor und blies die lästigen Strähnen weg.
,Ich müsste mal wieder zum Frisör gehen!,
Noch während sie es dachte, wurde ihr die Widersinnigkeit dessen bewusst. Schon lange reichte das Geld, welches ihr Mann als Lohn für seine schwere Arbeit im Wald mit nach Hause brachte, nicht mehr für einen solchen Luxus und schnitt sie sich, ebenso wie ihren Kindern, mit einer Haushaltsschere das Haar. Sie hatte es darin sogar zu einer gewissen Kunstfertigkeit gebracht und oft klopften nun die Frauen der Nachbarschaft an ihre Tür.
Patrick sah dies, obwohl sie damit gelegentlich ihr Haushaltsbudget aufbesserte, überhaupt nicht gern. Er mochte es nicht, wenn sie sich zu eng mit den anderen Frauen der Siedlung verband und deren Klatsch über ihre Ehemänner anhörte.
Gleichzeitig darüber empört und belustigt, schüttelte sie ihren Kopf.
,Als ob wir uns so gut untereinander verständigen könnten!,
Die wenigsten beherrschten, wie sie, neben ihrem leidlichen Englisch, auch noch die Landessprache und mischten unter ihre Sätze immer wieder heimatliche Idioms. Ihre Kinder hatten es dagegen leichter. Schon allein durch den Kontakt untereinander und dem Besuch der Schule war es für sie selbstverständlich, gleich mehrsprachig aufzuwachsen.
Beim Einfädeln des dünnen Fadens ins Nadelöhr, kniff Katrin ihre Augen zusammen. In letzter Zeit sah sie nicht mehr so gut. Die anhaltende Dunkelheit des Winters an diesem Ort, weit oben im Norden, forderte langsam von ihr den entsprechenden Tribut. Selbst die langen Tage des Sommers und seine hellen Nächte halfen nicht mehr, wie früher, ihre Sehschärfe wieder her zu stellen. Mit kleinen feinen Stichen den Riss zusammennähend, lächelte sie erneut vor sich hin.
Es war auch im Sommer gewesen, als sie Patrick besuchte, der, nachdem er in seinem Beruf als Forstarbeiter auf dem einheimischen Arbeitsmarkt keine Chancen mehr sah, hier endlich eine Anstellung gefunden hatte. Nach einer sehr kurzen Begrüßung am Flughafen hatte er sie sofort in seinen Jeep gesetzt und fuhr mit ihr an einen dieser malerisch gelegenen Seen, die es in diesem Land zu Hunderten zu geben schien. Auf dem Weg dorthin sprach er wenig, aber er war, bis auf ganz wenige Ausnahmen, noch nie ein Mann großer Worte gewesen. Außerdem hatten sie sehr oft miteinander telefoniert.
Am Ziel angekommen, vergaß sie auch ihre Enttäuschung darüber, dass er mit ihr, statt in der Stadt zu bleiben, hier her gefahren war. Patrick hatte zwar kein Hotelzimmer für sie besorgt, um ihr Wiedersehen nach einem halben Jahr Trennung zu feiern, dafür jedoch einen herrlichen Sandstrand, an dem weit und breit keine andere Menschenseele zu finden war, ausgesucht und im angrenzenden Wald wuchs der Farn kniehoch. Dort nahm er sie dann endlich richtig in den Arm und ehe es sich beide versahen, lagen sie zusammen auf dem Boden und liebten sich, fast unstillbar durstig aufeinander, gleich mehrere Male und ihre Lustschreie hallten durch das Dickicht.
Sehr viel später, sie hatte über seine Zärtlichkeiten und dem ununterbrochenen Sonnenschein die Zeit vergessen, richtete Patrick ihnen mit Iso- Matten und Schlafsäcken einen gemütlicheren Platz her und nutzte die Pausen zwischen ihren weiteren Liebesspielen zum Angeln. Da sie seit einem kleinem Imbiss im Flugzeug nichts mehr gegessen hatte, durchsuchte Katrin bald hungrig den Jeep. Doch außer einem gewaltigen Brotvorrat, über den sie sich ein wenig wunderte und einer Unmenge von Getränken fand sie nichts. Erst am späten Abend, ihre Geduld war, trotz Schwimmens und Sonnenbadens auf eine harte Probe gestellt worden und sie hatte sich an ein paar Scheiben Brot schadlos gehalten, zündete Patrick ein Feuer an, über dem er die wenigen, von ihm geangelten Fische röstete. Nach diesem gemeinsamen, wenn auch kargen Mahl liebten sie sich noch einmal so heftig, dass sie bald völlig erschöpft einschlief.
In einem benachbarten Trail hatte jemand eine CD mit Weihnachtsmelodien aufgelegt, die nun herüberschallten und ihre Erinnerungen unterbrachen.
,Weihnachten und Schnee., Unvermittelt überflutete Katrin eine tiefe Traurigkeit und ihre Augen wurden feucht. ,Wie habe ich mir das zu Hause immer gewünscht, wenn ich mit meiner Mutter in der Heiligen Nacht zur Messe ging.,
Um nicht in Tränen auszubrechen und darüber nachdenken zu müssen, wie sich ihr Leben seit dem verändert hatte, träumte sie sich in jenen Sommer vor über zehn Jahren zurück.
Es musste wohl Mitternacht gewesen sein, als sie damals vom lauten Schrei einer Eule erwachte. Zwar noch benommen, sah sie jedoch sofort, dass der Platz neben ihr leer war. Nur das Feuer glimmte leise vor sich hin. Ihre aufkommende Panik darüber, in dieser Wildnis allein zu sein, unterdrückend, redete sie sich zunächst ein, Patrick wäre etwas beiseite gegangen, um sich zu erleichtern. Aber nachdem sie eine ganze Weile auf ihn gewartet hatte und auf ihr Rufen keine Antwort erhielt, überkam sie die Angst. Bei jedem Rascheln des Laubes und dem Knacken der Zweige im Wald glaubte sie zu hören, wie sich irgendein Tier an sie heranschlich. Spontan fielen ihr jene Geschichten ein, die ihr ihre Großmutter so oft erzählt hatte. Wölfe spielten darin stets eine große Rolle und in diesem Land gab es noch eine Menge davon.
Ärgerlich lutschte Katrin einen Blutstropfen von der Fingerkuppe, in die sie sich gestochen hatte. Sie prüfte, ob etwas davon auf das Shirt gefallen war.
,Ich war nicht nur ärgerlich, sondern stink sauer auf Patrick, weil er mich, obwohl er doch wusste, wie sehr ich mich dort fürchten würde, einfach weg gestohlen hatte., erinnerte sie sich . ,Als er dann endlich wieder auftauchte, ich hatte bereits beschlossen, mit dem Jeep in die Stadt zu fahren und Hilfe zu holen, weil ich glaubte, ihm wäre etwas zugestoßen, sah ich als erstes das angetrocknete Blut an seinen Händen.,
Ihren verletzten Finger abspreizend schnitt sie den Faden ab und steckte die Nadel ins Kissen zurück. Mittlerweile war es draußen so still geworden, dass sie das Auto, welches nun in die Straße, die an ihrem Haus vorbeiführte, einbog, hören konnte.
Vielleicht kam ihr Mann ja doch zu einem Kurzurlaub!
Hastig legte sie das Shirt zu den anderen, stand auf und lief auf die Veranda. Dort war es war bitterkalt. Fröstelnd zog sie die dicke Strickjacke vor ihrer Brust zusammen. Nach der letzten Schwangerschaft war sie etwas fülliger geworden. Das hatte jedoch auch sein Gutes. Sie sah bei weitem nicht so abgehärmt wie viele andere Einwandererfrauen aus und wenn sie ihren Einkaufswagen durch die schmalen Gänge des Lebensmitteldiscounters schob, schauten ihr die Männer immer noch hinterher. Auch wenn Patrick nicht viel Worte darum machte, wusste sie, dass er deshalb sogar ein wenig stolz auf sie war.
,Wenn er es ist, werde ich ihm gleich einen Tee kochen und ein kräftiges Abendbrot vorsetzen. Er wird sicher müde und durchgefroren sein.,
Sofort fiel ihr das abgebratene Stück Rehrücken ein, welches sie als Rest vom letzten Mittagessen in ihrer Speisekammer aufbewahrte. Ihr Mann liebte den Wildgeschmack über alles und würde es auch kalt essen.
Inzwischen war das Auto soweit herangekommen, dass sie es erkennen konnte. Enttäuscht, weil es nicht Patrick war, ging sie wieder ins Haus zurück und setzte ihre Arbeit an den Shirts fort.
Wann hatte er eigentlich seine Vorliebe für Wild entdeckt? Lag sie ihm schon immer im Blut und er hatte es nur nicht bemerkt, oder kam sie erst in diesem wilden und teilweise unwirtlichen Land zum Vorschein? Jedenfalls war er damals, bei ihrem gemeinsamen Biwak am See, schon so weit, dafür auf Jagd zu gehen und zu töten. Ohne sich für sein Verschwinden zu entschuldigen, legte er ein Bündel, aus dem ein paar dünne Knochen ragten, neben dem Feuer ab, reinigte sein breites Messer im Gras und ging zum Ufer, um sich zu waschen. Von ihrer Angst und dem Warten völlig zermürbt, hatte sie ihn dabei still beobachtet und das in Fell gehüllte Paket nicht anzurühren gewagt. Zunächst war sie nur darüber froh, dass sich ihre Befürchtungen nicht bewahrheitet hatten. Ungeachtet dessen kam ihr Patrick sehr verändert vor. Sie hatte ihn ganz anders in Erinnerung- zartfühlend mit jeder Kreatur und rücksichtsvoll. Oft war er mit ihr in die heimischen Wälder gegangen, hatte ihr die Pflanzenwelt erklärt und so manches verletzte Jungtier wieder gesund gepflegt. Natürlich sah er ihr den immer noch nicht ganz überstandenen Schrecken an.
„Ein verlassenes Kitz.“, erklärte er ihr deshalb gleich nach seiner Rückkehr und wies völlig nebensächlich auf seine Beute. „Ich habe es nur vor einem jammervollen Tod bewahrt.“.
Es war ihre Schuld, dass sie ihm diese Lüge glaubte, denn heute wusste sie, dass es eine gewesen war. Aber zu jener Zeit war sie so vernarrt in ihn, dass sie ihm alles glaubte.
Als sie ihn dann fragte, was er damit vorhabe, antwortete er: „Essen natürlich oder glaubst du, wir können uns eine Woche nur von Fisch ernähren?“.
Erst da erkannte Katrin, dass er nie beabsichtigt hatte, mit ihr irgendwelche Veranstaltungen zu
besuchen oder sich die berühmten Bauwerke, über die sie vorher so viel gelesen hatte, an zu sehen.
,Und dafür hatte ich extra zwei Koffer gepackt!, dachte sie grimmig. ,Was würde ich heute dafür geben, sie noch einmal zu besitzen.,.
Das meiste nähte sie jetzt selbst auf ihrer klapprigen, alten Nähmaschine, die sich noch mit dem Fußpedal an trieb. Sie hatte sogar gelernt, aus der billigen Wolle, die es im Supermarkt gab, einigermaßen gut aussehenden Pullover und Jacken zu stricken.
Ihre Mundwinkel zogen sich nach unten.
,Immer nur trockenes Brot und leicht gewürztes Wildfleisch! Eine ganze Woche lang haben wir uns dort draußen, von nichts anderem, außer manchmal etwas Fisch, ernährt. Als ich nach drei Tagen erwog, in die Stadt zu fahren und etwas anderes einzukaufen, schleppte er einfach ein Wildkaninchen heran und überredete mich da zu bleiben.,
Patricks Überredungskünste waren legendär. Letztendlich schaffte er es immer, sie davon zu überzeugen, dass das, was er ihr vorschlug, auch für sie das Beste sei.
„Was willst du in der Stadt, wo uns die Natur doch alles gibt, was wir brauchen?“, fragte er sie und fügte verschwörerisch lächelnd an: „Außerdem können wir uns hier wo und wann es uns gefällt lieben, ohne auf andere Rücksicht nehmen zu müssen.“.
Wie er es jedoch anstellte, bei der Jagd so erfolgreich zu sein, blieb für sie stets ein Rätsel. Natürlich hatte sie bereits lange vorher gewusst, dass seine Sinne von einer fast übernatürlich feinen Art waren und er sich, wenn er wollte, lautlos bewegen konnte. Während der gemeinsam verbrachten Wochenenden in ihrer Wohnung, machte er sich oft einen Spaß daraus, sich an sie heranzuschleichen und sie, wenn sie sich erschreckte, von hinten zu umarmen. Aber dass seine Instinkte so stark ausgeprägt waren, dass es dafür reichte, das Wild nur mit einem Messer in der Hand zu erlegen, hätte sie sich damals nicht einmal im Traum vorstellen können. Noch heute fürchtete sie sich manchmal fast vor ihm, wenn er von seiner Jagd zurückkehrte und sofort mit ihr ins Bett wollte. Seine Augen waren dann von einem seltsamen Licht erfüllt und die Liebesspiele zumeist heftig. Vor allem mochte er es, sie vor sich knien zu sehen und von hinten in sie einzudringen. Wenn er dann seinem Höhepunkt entgegenstrebte, zerkratze er ihr oft den Rücken oder biss ihr so fest in den Nacken, dass weh tat. Doch wenn sie anschließend an seiner Brust, die, wie sein ganzer Körper mit einem seidenweichen dunklem Flaum bedeckt war, lag, und dabei seinen leisen Atem und den kräftigen Herzschlag hörte, vergaß sie ihre Angst schnell wieder.
,Er ist ja nicht immer so zu mir und sogar dann wartet er, bis ich wenigsten ein bisschen Lust verspüre.,
Während Katrin ein weiteres Shirt aus dem Wäschekorb nahm, glaubte sie wieder ihre Mutter, die von Anfang an Einwände gegen diese Verbindung hatte, zu hören.
„Dein Patrick ist mir einfach unheimlich. Sein Gesicht und seine unsteten blassblauen Augen, bei denen ich jedes Mal das Gefühl habe, sie würden sich an mir festsaugen. gefallen mir überhaupt nicht.“.
Damals hatte sie darüber nur gelacht, ihr schnippisch geantwortet:„ Du musst ihn ja auch nicht heiraten.“, und in ihren Gesprächen dieses Thema einfach nicht mehr zugelassen. Mit der Zeit ging sie sogar so weit, ihre Mutter nur noch selten anzurufen und noch weniger zu besuchen. Dabei hätte sie Patrick, der in verschiedenen Kinderheimen groß geworden war und nicht wusste, wie es ist, Eltern zu haben, so gern zu einer richtigen Familie verholfen. Sie liebte ihn ja gerade deshalb, weil er eben nicht, wie alle anderen Männer, die sie vor ihm bereits kennen gelernt hatte, war. Schon allein seine ungeheure Körpergröße, Katrin reichte ihm gerade bis zur Brust hinauf, hoben ihn aus der Menge heraus. Dass er sein langes dunkles Haar zu Zöpfen, die ihm über die breiten Schultern hingen, geflochten trug und ein Jagdmesser den Gürtel seiner Jeans zierte, machte ihn in ihren Augen erst recht zu etwas besonderem und erinnerte sie an die indianischen Helden der „Lederstrumpfbände“, die sie als Kind regelrecht verschlungen hatte.
Zudem war er stets zuvorkommen und geduldig mit ihr gewesen und drängte sie auch nicht, schon bald mit ihm zu schlafen. Als sie endlich auch dazu bereit war, richtete er sich ganz nach ihr, drang erst in sie ein, als sie sich ihm öffnete und kam zeitgleich mit ihr zu seinem Höhepunkt. Sie waren schon fast ein Jahr zusammen, als sie wagte, ihn zu fragen, woher er diese Fähigkeit für den richtigen Augenblick nahm.
„Ich verlasse mich eben nicht nur auf das, was ich sehe, sondern vor allem auf mein Gespür.“, antwortete er ihr offen. Irgendwann später meinte er fast nebensächlich: „Du brauchst dich bei mir auch um keine Verhütung sorgen. Ich weiß, wann du deine fruchtbare Zeit hast oder wie, glaubst du, ist es mir gelungen, dass du noch nicht schwanger bist?“.
Ein bitteres Lächeln stahl sich nun auf Katrins Lippen.
,Ja- Patrick wusste alles über mich und meinen Körper. Er und nicht ich , übernahm später auch die Familienplanung.,
Einigermaßen erschrocken zuckte sie zusammen. In welcher Phase ihres Zyklus befand sie sich eigentlich? Ihre Monatsblutungen kamen nicht mehr ganz so regelmäßig.
Doch schnell beruhigte sie sich wieder. Nach Tommys Geburt schien sein Interesse an einem weiteren Kind erloschen zu sein und die Tatsache, dass seit dem bereits fünf Jahre vergangen waren, gab ihr recht. Natürlich schlief er, so oft es sich einrichten ließ, immer noch mit ihr und sie konnte die Gelegenheiten, in denen sie dabei nicht zum Höhepunkt gekommen war, fast an einer Hand abzählen. Letztendlich war es auch dies, womit er sie damals endgültig gewonnen hatte. Nach jener gemeinsamen Woche in der Wildnis war ihm Katrin so verfallen, dass sie nicht einmal die Aussicht, in einem hässlichen Container, den er ihr am Tag ihrer Rückreise zeigte, wohnen zu müssen, davon abhalten konnte, ihm in dieses Land zu folgen.
„Es ist nur eine Übergangslösung.“, versprach er ihr. „Wenn wir nach meinem Urlaub als Ehepaar zurück kommen, besorge ich uns ein richtiges Haus.“.
Obwohl dies der ungewöhnlichste Heiratsantrag war, von dem sie je gehört hatte, glaubte sie Patrick vorbehaltlos. Fast überstürzt bestellte sie das Aufgebot. Noch während der wenigen Wochen bis zur Hochzeit kündigte sie ihre Arbeitsstelle, löste die Wohnung auf und kratzte alle Ersparnisse zusammen. Weder ihre Freundin, noch ihre Mutter konnten sie davon abhalten, ihr Glück in der Fremde zu suchen.
,Und Patrick hielt ja auch sein Wort. Zumindest in der einen Sache. Nach unserer Eheschließung, der eine sehr schlichte Feier folgte, flogen wir sofort wieder hier her.,
Beinahe zärtlich strich Katrin über eins seiner Lieblings- Shirts und ließ es auf ihrem Schoß liegen.
,Endlich zeigte er mir auch die Stadt und schlenderte mit mir durch die Einkaufspassagen. Wir aßen nicht, wir speisten in den besten Restaurants und wenn wir uns abends auf dem schmalen Bett im Wohncontainer geliebt hatten, schmiedeten wir die fantastischsten Pläne. Patrick wollte am liebsten eine Blockhütte am See errichten und mindestens ein halbes Dutzend Kinder um sich haben, während ich, schon allein wegen der Einkaufs- und Schulwege die Randlage der Stadt bevorzugte.,
Nur zögernd legte sie das Shirt zu den anderen.
,Über die Zahl unserer Kinder konnten wir uns allerdings nie einigen. Meist beendete Patrick den Streit zwischen uns damit, dass er einfach ein neues Vorspiel begann.,
Bei diesen Erinnerungen eben noch lächelnd, wurde sie im nächsten Augenblick wieder bitter. Sie nahm sich ein weiteres Shirt, dessen Nähte sich aufzulösen drohten vor und fädelte einen neuen Faden ein.
,Obwohl ich als MTA über eine Qualifikation verfügte, die hierzulande sehr begehrt war und es offene Stellen zu Hauf gab, bekam ich keine Arbeit mehr. Dazu noch die ganzen Einwanderungspapiere. Wer da glaubte, das hier wäre das biblische Gelobte Land irrte sich gewaltig. Milch und Honig flossen schon lange nicht mehr überreich und man verhielt sich Einwanderern gegenüber eher skeptisch. Je nach den Schwankungen auf dem Holzmarkt war Patrick manchmal wochenlang weg oder arbeitslos. Meist geschah dies im Sommer. Wenn er genug davon hatte, sinnlos in der Siedlung herum zu hängen, fuhr er an den See.,
Ihre Hände bewegten sich nun fast von allein.
,Nur einmal hat er mich noch dorthin mit genommen. Es war gerade Herbst. Der Ahorn leuchtete so kräftig, dass ich im ersten Moment glaubte, die Berghänge stünden in Flammen. Zwar war Wasser bereits zu kalt zum Baden, aber dafür spiegelte sich der weite Himmel im See und über dem Land lag ein solcher Frieden, dass mir fast die Tränen kamen. Patrick hatte jedoch scheinbar keinen Nerv für diese Schönheit. Statt dessen ist er gleich wieder fort gegangen und kam erst morgens, schwer mit Rotwild beladen, wieder. Fast einen halben Tag hatte er damit zu tun, seine Ausbeute auf der Ladefläche, unter der Plane zu verstecken, während ich seine Sachen wusch und auf den Steinen zum Trocknen ausbreitete. Im Jahr darauf wurde ich mit Steve schwanger.,
Wieder kam ein Fahrzeug die Straße entlang gefahren. Katrin unterbrach aufs Neue ihre Tätigkeit und ging auf die Veranda hinaus. Aber der Jeep fuhr an ihrem Haus vorbei. Zurück gekehrt stellte sie fest, dass die Wäsche im Korb einfach nicht abzunehmen schien. Doch sie wollte noch heute damit fertig werden- sie hatte es sich fest vorgenommen. Vielleicht lag es ja an ihrer Großmutter, die ihr immer erzählt hatte, dass während der Weihnachtszeit Frau Hulda durch die Stuben ging, alles kontrollierte und unordentliche Mädchen bestrafte. Indem Katrin daran dachte, tauchte vor ihrem geistigen Auge das alte Fachwerkhaus auf, welches malerisch am Weiher und in der Nähe eines Waldes stand. Ihre Ferien hatte sie stets dort verbracht und war beinahe untröstlich gewesen, als ihr die Mutter sagte, dass ihre geliebte Großmutter nun für immer von ihnen gegangen war und sie nie wieder dort hin könne.
,Damals war ich gerade mal acht Jahre alt und konnte diese Ungerechtigkeit einfach nicht verstehen. Dabei wäre sie bestimmt auch die einzige gewesen, die mir während der schweren Zeit meiner Schwangerschaften zur Seite gestanden hätte.,
Ein weiteres Mal seufzend versank sie in den bereits eingedrückten Polstern ihres Sessel.
Noch bevor sie sich zu jener Zeit ganz sicher war, ein Kind empfangen zu haben, hatte es nämlich Patrick bereits gemerkt und rührte sie plötzlich nicht mehr an. Nach einigen Wochen zog er sogar ins Wohnzimmer um. Vor allem nachts hallten seine ruhelosen Schritte durch das ganze Haus.
,Ich stand der Situation völlig hilflos gegenüber und wusste mir keinen Rat. Aber deswegen Mutter anzurufen, stand für mich von vornherein außer Frage. Sie hätte mich nur wieder mit Vorwürfen überschüttet und sich erneut darauf berufen, dass sie gewusst habe, was passieren würde. Egal, worüber ich mit ihr sprach, zum Schluss kam sie stets darauf, mir vor zu schlagen, mit Patrick endlich Schluss zu machen und nach Hause zurück zu kommen. Also musste ich ihn selbst fragen.,
Ein weiteres Shirt auf den Stapel legend, stellte Katrin fest, dass nun doch bald der Boden ihres Waschkorbes zu sehen war. Es konnte nicht mehr lange dauern, bis sie fertig war und Patrick war immer noch nicht gekommen. Also wurde es in diesem Jahr nichts mehr mit dem Weihnachtsurlaub. Dabei hatte sie sich so darauf gefreut, mit ihm gemeinsam den Baum zu schmücken und die leuchtenden Augen ihrer Kinder zu sehen, wenn sie ihre, obgleich kleinen Geschenke entdeckten.
Anfangs wich er ihr damals noch aus, doch eines Tages, sie war bereits im fünften Monat, gestand er ihr: „Du riechst und schmeckst plötzlich ganz anders und wenn ich näher an dich heran komme, habe ich stets das Gefühl, mein Kind würde hungrig schmatzen. Wie kann ich da noch mit dir oder in deiner Nähe schlafen?“.
Darüber einigermaßen erstaunt, denn bisher hatte sie geglaubt, es wäre alles in Ordnung, sie verspürte keine Übelkeit, nahm normgerecht zu und besuchte die Beratungen, begann sie sich noch abwechslungsreicher zu ernähren. Doch ihr Mann blieb bei seinem Entschluss.
Sein Liebesverlangen schien dagegen nicht nachzulassen. Manchmal, wenn sie schlaflos in ihrem Bett lag, hörte sie ihn leise stöhnen und vermutete, dass er sich dann selbst befriedigte. Einmal, als es besonders schlimm um ihn zu stehen schien, war sie sogar zu ihm hinübergegangen. Doch er drehte sich von ihr weg und erteilte ihr eine brüske Abfuhr. Von da an unterließ sie es.
Im Spätherbst, kurz vor ihrer Entbindung, war sie beinahe froh darüber, dass er wieder ins Holz musste. Nicht, dass er außer diesem einem Mal etwa unhöflich oder gar grob zu ihr gewesen wäre. Patrick nahm ihr jede schwere Arbeit ab, baute vor die Eingangstür endlich eine Veranda und zog Zwischenwände für das künftige Kinderzimmer ein. Gemeinsam und mit sehr viel Liebe suchten sie die Erstausstattung für das Baby aus und besorgten sich einen Kinderwagen. Erneut flog ein Lächeln über Katrins Gesicht.
,Die Sachen waren von einer solchen Qualität, dass ich sie komplett samt Kinderwagen noch für Eddie und teilweise sogar für Tommy gebrauchen konnte.,
Ungeachtet dessen nahm Patrick sie kaum, und wenn, dann stets widerstrebend, in den Arm, wollte nichts von Herztönen oder Bewegungen hören und küsste sie, je weiter ihre Schwangerschaft voran schritt, gar nicht mehr. Als sie einmal mit ihrem Arzt darüber sprach, beruhigte er sie und erklärte er ihr, dass sie bei ihrem Mann wohl eine tief in ihm liegende Urangst geweckt hätte. Spätestens beim nächsten Kind würde sich das schon geben.
Müde fuhr sich Katrin mit der Hand über ihre Lider. Wie noch hatte er, nachdem er in ihr den Grundstein für Eddy gelegt hatte, ihr ins Ohr geflüstert?
„In deiner Augen dunklem See bin ich so tief ertrunken und erst in deinen Armen wieder aufgewacht, am frühen Morgen hab ich mich bei dir gefunden, nach vielen kleinen Toden einer wundervollen Nacht ...“.
Es war das einzige Mal, dass er so poetisch wurde. Bis dahin hatte sie nicht einmal gewusst, dass er so etwas überhaupt konnte. Doch nun schien es ihr eine Ewigkeit her zu sein.
,Unser Traum vom Haus verflüchtigte sich spätestens in dieser Zeit., erinnerte sie sich. ,Statt besser wurde es nur noch schlimmer. Mit Steve und meiner erneuten Schwangerschaft hatte ich jedoch so viel zu tun, dass ich manchmal ganz froh darüber war, meine Ruhe zu haben. Das einzige, womit mir Patrick ständig auf die Nerven ging, war seine Forderung, mehr von seinem Wild zu essen. Angeblich täte dies dem ungeboren Kind gut und es würde dann ruhiger werden. Einmal hat er mich sogar gezwungen, eine rohe und ganz frische Kaninchenleber, aus der, als ich hineinbiss, das Blut heraus und mir am Kinn herunter lief, zu essen. Auch wenn ich mich dabei fast zu Tode würgte, wartete er so lange, bis ich alles zerkaut und herunter geschluckt hatte. Dafür hätte ich ihn damals umbringen können! ,
Wenn sie daran zurück dachte, wurde ihr heute noch manchmal schlecht- vor allem deshalb, weil er das viele Fleisch, welches er von seinen Beutezügen mitbrachte, in ihrer Speisekammer, wo sich trotz ständigem Putzens, jener strenge Geruch bereits in den besonders abgedichteten Wänden eingenistet hatte, hängen ließ. Daran änderte auch nichts, dass es ihre Haushaltskasse merklich entlastete. Und nicht erst seit jenem Erlebnis fragte sie sich auch, warum sich ihr Mann überhaupt so zielgerichtet um Nachwuchs bemühte, wenn es doch für ihn, neben dem Verzicht auf ein erfülltes Liebesleben, mit so vielen Belastungen verbunden war.
,Vielleicht ließ er deshalb mehr Zeit verstreichen, bevor er mich mit Tommy schwängerte. Bei ihm legte sich seine Zurückhaltung fast gänzlich und ich war darüber unendlich erleichtert.,
Das letzte Shirt lag nun auf ihrem Schoß. War es Zufall, dass es eins von ihm war?
Patrick schlief damals wieder nicht mit ihr, wechselte jedoch auch nicht ins Wohnzimmer hinüber und ließ es sogar zu, dass sie sich an ihn schmiegte. So manches Mal erwachte sie, weil er gerade seine Nase in ihr Haar vergrub oder selbstvergessen ihren Bauch streichelte. Ihr Jüngster wurde auch nicht, wie die beiden anderen vor ihm, in die Dunkelheit, sondern ins Sonnenlicht hinein geboren. Wie hatte sie ihren Mann gebeten, sie ins Krankenhaus zu begleiten und dabei zu sein! Doch dazu war er um keinen Preis der Welt bereit.
,Als er jedoch zum ersten Mal seinen neugeborenen Sohn in den Arm nahm, erlitt ich beinahe einen Schock. Seine Augen leuchteten für den Bruchteil einer Sekunde gefährlich auf und er drückte das Kissen, auf dem Tommy lag so fest an sich, dass ich es ihm entreißen musste, damit er ihn nicht erstickte. Das hatte er bei den anderen beiden nicht getan!,
In Erinnerung an den Schrecken, den ihr Patrick damals bereitete, starrte sie auf das bunte Logo, welches einen Wolf auf einer Felsspitze stehend, zeigte.
,ja, Tommy ist wirklich ganz anders., dachte sie liebevoll. ,Im Gegensatz zu den beiden älteren, deren kleine Körper bereits bei der Geburt mit jenem dunklem Flaum ihres Vaters bedeckt waren, kam er ja auch glatt und rosig zur Welt.,
Nun endlich legte sie auch sein Shirt zu den anderen. In der Folgezeit ließ Katrin ihren Mann nur dann dichter an das Baby heran, wenn es gerade gestillt wurde und nach ihrer Milch roch. Und dieses Mal stillte sie sehr lange. Während Steve und Eddie noch vor der Vollendung ihres ersten Lebensjahres nach fester und vollwertiger Nahrung verlangten, ließ sich ihr Jüngster damit Zeit.
Noch heute aß er lieber Obst, Gemüse und Milchspeisen. Sollten sich Steve und Eddie, wie es immer häufiger geschah, nur weiter um die Jagdbeute ihres Vaters streiten, wenn sie Katrin nach seinem Rezept zubereitet auf den Tisch brachte. Tommy würde sich niemals daran beteiligen und wenn sie ihn noch zehnmal verächtlicher einen „Milchreisbubi“ nannten und seine Portion mit vereinnahmten.
Erschrocken fuhr Katrin aus ihren Gedanken auf. Sie glaubte in der Ferne einen Wolf heulen zu hören. In diesem Jahr war der Winter besonders früh hereingebrochen. Sogar die sonst so scheuen Rentiere suchten inzwischen bei den Trails Schutz vor der Kälte und nicht selten waren am Morgen die Mülltonnen umgeworfen und von herumstreunenden Füchsen und hungrigen Wildschweinen nach etwas Essbarem durchwühlt. Kaum jemand wagte sich des Nachts noch vor die Tür. Besorgt ging sie ins Kinderzimmer. Aber dort war alles ruhig. Nur Steves und Eddies dunkle Schöpfe sowie Tommys helles Haar ragten unter den dicken Bettdecken hervor. Trotzdem prüfte Katrin, ob sie richtig zugedeckt waren, denn der Raum war bereits so stark ausgekühlt, dass sie ihren eigenen Atem sehen konnte. Morgen früh würden die doppelt verglasten, jedoch mittlerweile undicht gewordenen Fenster wieder mit einer feinen Eisschicht überzogen sein. Die Heizung kam einfach nicht mehr gegen diese Minusgrade an, und laufend neues Öl nachzukaufen würde das bereits schon jetzt sehr eng bemessene Haushaltsbudget endgültig sprengen.
,Wenn Mutter wüsste, wie wir hier wohnen, schlüge sie bestimmt die Hände über dem Kopf zusammen!,
Katrin sah sich in dem kleinen Raum um, der von den Betten gänzlich ausgefüllt wurde. Weil sie sich nicht einmal mehr ein Telefon leisten konnten, bestand ihre einzige Verbindung zur Heimat in einem mehr oder weniger sporadischem Briefwechsel mit ihrer Mutter. Manchmal schickte sie ihr auch Familienfotos- natürlich vor einem gefälligeren Hintergrund aufgenommen und gestern war, wie jedes Jahr zu Weinachten ein großes Paket, vollgestopft mit Süßigkeiten und Spielzeug von ihr eingetroffen. Aber das waren nur formale Dinge und hatten mit Liebe zu ihrer Tochter oder den Enkelkindern wenig zu tun.
,Gut, dass sie keine weite Reisen mehr verträgt., Über ihre Feststellung sogar erleichtert atmete Katrin auf. ,Und bis jetzt ist mir auch immer noch eine plausible Ausrede eingefallen, um einen angeblich vorher geplanten Besuch durch uns kurzfristig abzusagen.,
So sehr sie sich auch bemühte, nicht daran zu denken, wie verlassen sie sich trotzdem manchmal fühlte, weil nach und nach alle anderen Brücken zu ihrem ehemaligen zu Hause mittlerweile abgebrochen waren, kam ihr gerade dieses in den Sinn. Dabei hatte sie es doch viel besser erwischt als manch andere Frau in dieser Siedlung – Ihr Mann trank keinen Alkohol, blieb ihr treu und besuchte seine Familie so oft es ihm möglich war. Er hatte sich, wie so viele andere Männer hier, auch noch nie an ihr vergriffen und ihre drei Kinder gediehen prächtig.
Patrick muss schnellstens etwas an den Fenstern ändern und spätestens im nächsten Jahr die Isolierungen erneuern., lenkte sie sich ab. ,So kann es auf keinen Fall weiter gehen!,
Nur würde er dafür überhaupt Zeit finden? Seine Ausflüge wurden, damit ihn die Jäger bei seiner Wilderei, auf die hierzulande ziemlich harte Strafen lagen, nicht ertappten, immer ausgedehnter. Außerdem hatte er angedeutet, demnächst Steve mitzunehmen. Er sollte alles darüber lernen, um für ihn einspringen zu können, falls ihm einmal etwas zustoßen sollte. Gerade für ihn hatte sie sich als Weihnachtsgeschenk etwas besonderes ausgedacht und ihm ein Messer, das dem seines Vaters ähnelte, gekauft. Die Idee dafür war natürlich wieder einmal von Patrick.
So sehr sie sich auch dem Gedanken widersetzte, ihren Sohn in jener Wildnis zu wissen, wo ihm doch nur beigebracht wurde, auf lautlose Art unschuldige Tiere zu erlegen, so sehr hatte ihr Mann immer wieder auf sie eingeredet. Als stärkstes Argument brachte er ihre Sorgen über Steves Aufsässigkeit und seine Wutausbrüche, die sich in letzter Zeit sprunghaft häuften, an. Und irgendwie musste sie ihm recht geben. Als sie ihm letztens eine Ohrfeige verpasste, weil sie sich nicht mehr anders zu helfen wusste, hatte sie ihr Ältester sogar angeknurrt und seine Oberlippe so weit hoch gezogen, dass sie seine kräftigen Eckzähne sehen konnte. In jenem Moment wirkte er beinahe angsteinflößend auf sie und ihr letzter Widerstand brach..
,Vielleicht ist es ja gut, dass er sich nun etwas mehr um seinen Sohn kümmert, nachdem er mir über die ganzen Jahre hinweg allein die Verantwortung aufgebürdet hat. Der Junge muss endlich lernen, seine Gefühle zu beherrschen.,
Leise schloss Katrin die Tür hinter sich und kehrte ins Wohnzimmer zurück. Für heute war ihre Arbeit getan.
In ihre dicke Thermodecke gehüllt und bereits im Hinübergleiten in die Traumwelt, hörte sie nicht den Schnee unter den Reifen knirschen, als Patrick seinen Jeep, dessen Scheinwerfer und Zündung er vorher ausgeschaltet hatte, neben dem Trail ausrollen ließ und abstellte. Unter der zugeknöpften Plane lag seine letzte Ausbeute, genug, um seine Familie für die nächsten Wochen mit Wild zu versorgen.
Aber das hatte Zeit. Zuerst wollte er zu Katrin, die bestimmt, nachdem sie halbe Nacht im Warten auf ihn verbracht hatte, schon schlief. Er war noch immer so fest mit ihr verbunden, dass er spürte, wenn sie an ihn dachte und sich nach ihm sehnte.
Während er beinahe lautlos die wenigen Stufen der Veranda hinaufging, traf ihn das kalte Licht des Vollmondes. Im Nu stellten sich seine Körperhaare auf und änderte sich der Fluss seines Blutes. Heiß strömte es in seinen Unterbauch hinab und ließ ihn unter dem Gefühl des sofortigen Anschwellens seines Gliedes erschauern. Im Wahrnehmen dieser überaus starken körperlichen Reaktionen wurde sich Patrick bewusst, dass in diesen Zeichen eine ihm bisher gänzlich verschlossene Symbolik lag. Unvermittelt begriff er ebenso, dass sich diese Nacht von den anderen unzähligen Nächten, die er bereits erlebt hatte, unterschied. Seine Sinne waren von einer nie zuvor gekannten Schärfe. Schon vor dem Betreten des Hauses hörte er die leisen Atemzüge seiner Familienmitglieder und nahm seine Nase den scharfen Geruch seiner beiden älteren Söhne auf, unter den sich Tommys beinahe störend mischte. Über allem schwebte jedoch Katrins frauliche Wärme.
Ungewohnt hastig legte er im Bad seine Bekleidung ab und betrat bald darauf schattengleich das Schlafzimmer, auf dessen Fußboden der Mondenschein einen hellen Fleck malte. Patrick verharrte nackt, wie er war, für einen Moment in dem intensiven Strahlen, welches seine feinen Härchen an Armen, Beinen und am Leib sofort in flüssiges Silber tauchte und ihn flirrend umspielte. Beinahe instinktiv löste er seine Zöpfe. Das offene, hüftlange Haar fiel glänzend auf seinen breiten Rücken. Stolz erhob sich sein starkes Glied aus der Mitte seines, immer noch geschmeidigen, Körpers.
Katrin, die plötzlich erwacht war, weil sie wohl im Unterbewusstsein seine Nähe wahrgenommen hatte, blickte atemlos und mit weit aufgerissenen Augen zu ihrem Mann hinüber. So hatte sie ihn noch nie zuvor gesehen und auf dem Bild, das sich ihr bot, lag etwas sonderbar Mystisches, das sie in seiner Schönheit tief berührte. Doch schon hatte er ihr leises Ausatmen gehört.
Im Nu war Patrick bei ihr am Bett. Sie setzte sich auf und legte ihre Arme um seinen Hals. Sein Mund suchte den ihren und ihre Lippen vereinigten sich in einem langen Kuss. Schnell schob Katrin die Decke weg und zog ihn zu sich hinunter.
„Ich habe den ganzen Abend gehofft, dass du endlich kommst.“.
„Ich weiß und darum bin ich jetzt hier.“.
Seine Stimme klang ein wenig rau. Das war immer so, wenn er erregt war, heute jedoch wirkte die uralte Magie jenes Augenblickes in ihm weiter nach. Unter dem Streicheln seiner Hände richtete sich Katrins Brustwarzen sofort auf. Flugs hatte er ihr das Nachthemd über den Kopf gestreift und zog nun mit seiner Zungenspitze immer enger werdende Kreise um ihren Bauchnabel. Ströme der Lust durchfluteten sie und ließen ihren Unterleib warm werden. Sie wünschte sich nichts so sehr, als ihren Mann in sich zu spüren. und Selbstvergessen fuhren ihre Hände durch sein Haar. Unerwartet blickte Patrick sie an. Seine Pupillen waren nachtschwarz und derart geweitet, dass sie die gesamte Iris überdeckten. Schon lag er auf Katrin und drang mit einer leichten Drehung in sie ein. Sich auf seine kräftigen Arme abstützend, bewegte er sich so langsam es ihm möglich war. Katrin fühlte, wie er sie mehr und mehr ausfüllte, roch seinen unverwechselbaren Duft nach Tannen, Erde und vertrocknetem Farn und streckte sich ihm entgegen. Immer weiter in jene sanfte, lichterfüllte Dämmerung, die alles Denken auslöscht, eintauchend, vergaß sie ihre Ängste und Sorgen. Patrick war wieder bei ihr und nur das zählte noch. Harmonisch passte sie sich seinen Bewegungen an, die nun immer schneller wurden und spürte ihre eigene Feuchte, die sein Glied mehr und mehr umhüllte.
Patricks Kehle entrang sich ein Stöhnen, Seine Nervenenden waren so empfindlich, dass er die feinsten Bewegungen im Inneren seiner Frau wahrnahm.
Mit einem Mal erkannte er, dass dies vom Anbeginn der Zeit seine einzige Bestimmung und er der Letzte seiner Art, die über Jahrtausende auf dieser Welt gelebt hatte, war.
Und während er Katrin tiefer und tiefer in seinen Wald führte, wo im Schatten uralter Bäume jene verborgenen Blumen, die sich nur wenigen Menschen zeigen, blühten, wusste er, dass sie ihm im kommenden Herbst ein weiteres Kind schenken und damit seine Rasse vor dem Verschwinden bewahren würde.
Ein dumpfes Grollen stieg in ihm hinauf. Indem er in Katrins Hals biss, drängte er es zurück. Lustvoll, in pulsierenden Strömen ergoss sich sein Samen in ihrem aufnahmebereiten Leib.
Katrin, in ihrer Seele getroffen, stieß einen hohen spitzen Schrei aus.
Noch bevor die letzte Welle verebbt war, fühlte sie schon das neue Leben in sich wachsen.
Aber dieses Mal empfand sie keine Freude darüber.

Erneut heulte der ferne Wolf auf der Suche nach einer Partnerin seine Einsamkeit in die frostklirrende Nacht hinaus.

Hätte sie doch nur auf ihre Mutter gehört!
 

Alina

Mitglied
Wolfsfrau

Danke für das Lob.Freue mich, dass mein Beitrag nach so langer Zeit, in der ich mich aus privaten Gründen ein wenig zurücknehmen musste, doch noch Aufmerksamkeit gefunden hat.
Es gibt ein paar Stellen, die ich überarbeiten muss. Gerade deshalb wäre ich sehr froh, wenn ich dabei von den Leselupenmitgliedern durch eine offene Meinung und ehrliche Kritik unterstützt würde.
lG
 



 
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