die zerplatzte Seifenblase

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Hagen

Mitglied
die zerplatzte Seifenblase

Vielen Dank für die Zusendung des Exposés und Ihres Manuskriptes.
Leider müssen wir Ihnen mitteilen, dass wir keine Möglichkeit sehen, Ihr Manuskript zu veröffentlichen. Bitte haben Sie dafür Verständnis.
Wir bedanken uns sehr herzlich für das Manuskriptangebot und Ihr Vertrauen in unseren Verlag, und wünschen Ihnen noch viel Erfolg für Ihre Arbeit.
Möglicherweise kann Ihnen auch eine Literaturagentur, die beispielsweise im Autorenjahrbuch aufgeführt ist, weiterhelfen.

Mit freundlichen Grüßen……………


Wieder eine Absage. Dabei hatte ich Herzblut und Begeisterung, ekstatisches Hochgefühl und tiefste Melancholie in den Roman gelegt, alles nach den Regelungen des Monomythos aufgebaut.
Und wieder eine profane Ablehnung.
Ich machte meinen Outlook-Express zu. Lange mochte die Absage drin gelegen haben, denn jetzt stand der Vollmond bereits am nachtblauen Himmel.
Schlafen kann ich bei Vollmond sowieso nicht, und nach diesem Schicksalsschlag schon gar nicht.
Möglicherweise hatte die Kneipe, mit den schönen Oldies in der Jucke-Box, unten im Dorf noch offen.
Hoffentlich würde ich mich nicht wieder betrinken, trotzdem zog ich meine Marlon Brando Lederjacke an und war damit auf ‚Krawall gebürstet‘.
Niemand hätte mir jetzt zu nahe kommen dürfen.
Niemand!
Raus an die frische Luft, aber ich nahm sie nicht war, die würzige, abgasfreie Luft in den menschenleeren Straßen.
Vielleicht war es doch schon zu spät für ein paar große Biere, aber noch nicht für den anderen einsamen Mann auf dem Balkon. Gewandet in Frack und Zylinder rezitierte er ‚Hochliteratur‘.
„Im Fenster jenes alt verblichnen Gartensaals
Die Harfe, die, vom leisen Windhauch angeregt,
Lang ausgezogne Töne traurig wechseln lässt…“
Sonst ja, aber jetzt habe ich keinen Sinn dafür, keinen Sinn für erhabene Dichtung. Ungleich dem anderen Man, der bei halb geöffnetem Fenster bei einem halbvollen Glas Rotwein an seinem Computer sitzt und Lyrisches schreibt.
Ich bleibe einen Moment stehen, kann aber nicht erkennen, was er schreibt, sein Gesicht ist jedoch verzückt.
Oder macht er nur die Abrechnung für sein Geschäft?
Oder er ist freischaffender Lektor und hat ein Manuskript, was ihn fesselt?
Warum nicht meins?
Verdammt!
Ich gehe weiter, die Kneipe ist nicht mehr weit und drinnen ist noch Licht an.
Ich trete ein, setze mich an die Theke, schlage den Kragen meiner Marlon Brando Lederjacke hoch und bestelle ein Bier, ein recht schönes großes, mit einem Häublein Schaum oben drauf.
Wer alleine an der Theke sitzt, ist stets der Loser, nur Loser sitzen alleine an der Theke.
Der ungeile Wirt verzieht keine Miene und stellt das Glas unter den Zapfhahn.
Ich zünde mir eine Zigarette an.
„Hier ist Rauchverbot!“
„Welches Rauchverbot?“
Die Luft knistert.
Ich balle die Fäuste.
„Na, gut. Aber nur weil gerade keine anderen Gäste da sind.“
Ich entspanne mich.
Der Wirt zapft weiter.
Die Zeit tropft dahin, ich wartete auf den Schwächeren, gelehnt an meinen innerlichen Hader.
Weil der Schwächere nicht kommt ist mir nach Trashmusik, richtig schöner Trashmusik.
Bloß nichts Anspruchsvolles. Nicht in der Literatur, wie ich es versucht habe, nicht in der Musik.
Und in der Ecke steht die Jucke-Box mit den schönen Oldies, eine echte Rock-Ola Capri II! 49 years old and still going strong.
Fast ehrfürchtig drücke ich „Surfin' Bird, the Bird is the Word!“
Bis die Nadel in der Rille sitzt ist mein Bier fertig. Ich nehme einen großen Schluck.
„A-well-a everybody's heard about the bird.
Bird, bird, bird, b-bird's the word.“
Rein kommt Horst.
Horst ist schwächer als ich.
„A-well-a bird, bird, bird, b-bird's the word.
A-well-a bird, bird, bird, b-bird's the word.“
Es wird ein leichtes Spiel werden, und ich bin meinen Frust los.
„A-well-a bird, bird, b-bird's the word.
A-well-a bird, bird, bird, b-bird's the word.“
Doch Horst ist zu schwach und zudem das letzte Arsch in der Kartonfabrik.
„A-well-a bird, bird, bird, b-bird's the word.
A-well-a bird, bird, bird, b-bird's the word.“
Er hat es jeden Tag schwerer als ich es nur heute habe.
Er wird immer rumkommandiert, verarscht, alle lachen über ihn.
„A-well-a bird, bird, bird, b-bird's the word.
A-well-a don't you know about the bird?“
Zudem hat er ein Feuermahl über die ganze linke Wange.
„Well, everybody's talking about the bird!“
„Hallo Horst“, sage ich, „schön, dass du kommst! Lass uns ein Bier trinken und eine Runde flippern.“
„Well don't you know about the bird?
Well, everybody knows that the bird is the word!“
Horst nickt. Vollkommen glücklich.
„A-well-a bird, bird, b-bird's the word!“
 

Paloma

Mitglied
Guten Morgen Hagen,

darüber habe ich wirklich lachen müssen - You made my day. ;)

MMn gehört der Text in Humor und Satire.

Vielen Dank und liebe Grüße
Paloma
 

fraulange

Mitglied
Lieber Hagen,

ja, lachen, musste ich auch, genau wie Paloma - und ein bisschen ertappt das Gesicht verziehen ob der so schön und ehrlich beschriebenen kleinen fiesen menschlichen Schwäche, sich damit zu trösten, dass jemand anders eine noch ärmere Wurst ist. Touché!

Sprachlich habe ich auch nichts zu meckern, außer dass es mir gegen Ende ein bisschen zuviel wird mit "bird" und "word". Habe schon überlegt, ob mir ein Song einfällt, der noch mehr Anspielung auf die Situation enthält, irgendwas mit "loser" oder so ... Ach so: Die zweifache Ankündigung des "Schwächeren" braucht es meiner Meinung nach nicht, ich glaube, die Leser schnallen das schon, wenn der Kollege reinkommt und es dem Erzähler dann besser geht.

Herzlichst, Kristin.
 
E

eisblume

Gast
Hallo Hagen,

sehr schön :)
Die Marlon-Brando-Jacke ist einfach cool und für so etwas hier:
... gelehnt an meinen innerlichen Hader.
kann ich mich sofort begeistern, weil mir so etwas nie einfallen würde :)

Allerdings nimmt mir der Songtext zu viel Raum ein, weniger a well a well a wäre mehr.

Ansonsten aber sehr gelungen und gern gelesen!

Lieben Gruß
eisblume
 

Hagen

Mitglied
Hallo liebe Paloma,

herzlichen Dank für die Beschäftigung mit meinem Text.
Zum Lachen war das eigentlich nicht gedacht; - obwohl das Lachen im Hals stecken bleibt. Ging mir wenigstens so.

Es ist mir wirklich so passiert, aber da ich sonst vorwiegend für ‚Humor und Satire‘ schreibe, kann es schon mal passieren, dass auch ein erstgemeinter Text satirisch gesehen wird.
Na, jedenfalls haben wir unseren Humor trotz den Widrigkeiten des Lebens nicht verloren, und das ist die Hauptsache ;-)

Viele liebe Grüße
Yous Hagen

____________
Ich höre, und vergesse.
Ich sehe, und erinnere.
Ich schreibe, und verstehe.

(Sehr frei nach Konfuzius)
 

Hagen

Mitglied
Hallo liebe Kirstin,

Danke zunächst für die Beschäftigung mit meinem Text.

Ja, irgendwie sucht sich jeder einen, auf den er herabblicken kann; - der Schriftsteller auf den Journalisten, weil der ‚unkreativ‘ nur berichtet und umgekehrt, weil sich der Autor nur ‚was ausdenkt‘. Das geht hin bis zum Alkoholiker und dem Junkie. Solange es nicht auf eine Prügelei hinausläuft, ist das eine ‚normale menschliche Reaktion‘; - diese ‚Hackordnung‘ gibt’s überall.

Da ich nicht weiß wie ‚Hier Klicken‘ funktioniert, möchte ich Dich bitten, mal

Einer ist immer der Loser - Trio Cover
The Trashmen : Surfin' Bird ( 1963 )

zu googeln.

Ich bin nämlich der altmodischen Ansicht, dass manchmal der Lesevorgang solange dauern sollte, wie die ‚Action‘ in der Realität. In solch einer Situation spielt sich alles etwas langsamer ab.
Ich glaube Du verstehst.

Über die zweimalige Anspielung auf den „Schwächeren“ denke ich noch mal nach, ebenso wie die Erwähnung des Flipperautomaten und die gemütlich im Duktus der sechziger eingerichteten Kneipe, denn was einmal erwähnt wird, sollte später Bedeutung erlangen, wozu auch der 'Trashmen : Surfin' Bird' wiederum passt.

Aber egal, man liest immer einmal zu wenig Korrektur.

Herzlichst
Yours Hagen


____________
Ich höre, und vergesse.
Ich sehe, und erinnere.
Ich schreibe, und verstehe.

(Sehr frei nach Konfuzius)
 

Hagen

Mitglied
Hallo liebe Eisblume,

Danke zunächst für die Beschäftigung mit meinem Text und das dicke Lob. Das ging mir natürlich runter wie Heidehonig.

Da ich nicht weiß wie ‚Hier Klicken‘ funktioniert, möchte ich Dich bitten, mal

The Trashmen : Surfin' Bird ( 1963 )

zu googeln.

Ich bin nämlich der altmodischen Ansicht, dass manchmal der Lesevorgang solange dauern sollte, wie die ‚Action‘ in der Realität. In solch einer Situation spielt sich alles etwas langsamer ab.
Ich glaube Du verstehst.

Aber egal, man liest immer einmal zu wenig Korrektur.

Lieber Gruß
Yours Hagen


_____________
Ich höre, und vergesse.
Ich sehe, und erinnere.
Ich schreibe, und verstehe.

(Sehr frei nach Konfuzius)
 

Hagen

Mitglied
die zerplatzte Seifenblase

Vielen Dank für die Zusendung des Exposés und Ihres Manuskriptes.
Leider müssen wir Ihnen mitteilen, dass wir keine Möglichkeit sehen, Ihr Manuskript zu veröffentlichen. Bitte haben Sie dafür Verständnis.
Wir bedanken uns sehr herzlich für das Manuskriptangebot und Ihr Vertrauen in unseren Verlag, und wünschen Ihnen noch viel Erfolg für Ihre Arbeit.
Möglicherweise kann Ihnen auch eine Literaturagentur, die beispielsweise im Autorenjahrbuch aufgeführt ist, weiterhelfen.

Mit freundlichen Grüßen……………


Wieder eine Absage. Dabei hatte ich Herzblut und Begeisterung, ekstatisches Hochgefühl und tiefste Melancholie in den Roman gelegt, alles nach den Regelungen des Monomythos aufgebaut mit Adjektiven wie gemalt und Metaphern, wie die Lieder von Leonard Cohen.
Und wieder eine profane Ablehnung.
Ich machte meinen Outlook-Express zu. Lange mochte die Absage drin gelegen haben, denn jetzt stand der Vollmond bereits am nachtblauen Himmel.
Schlafen kann ich bei Vollmond sowieso nicht, und nach diesem Schicksalsschlag schon gar nicht.
Möglicherweise hatte die Kneipe unten im Dorf noch offen. Eine schöne Kneipe, Ziel eines Spazierganges, eingerichtet im Stil der Sechziger, mit den wunderbaren Oldies in der Jucke-Box und dem Flipper mit den knallenden Bumpers. Etwas, was kaum jemand zu schätzen wusste, in einer Zeit ohne Adjektive und Metaphern.
Hoffentlich würde ich mich nicht wieder betrinken, trotzdem zog ich meine Marlon Brando Lederjacke an und war damit auf ‚Krawall gebürstet‘.
Niemand hätte mir jetzt zu nahe kommen dürfen.
Niemand!
Raus an die frische Luft, aber ich nahm sie nicht war, die würzige, abgasfreie Luft in den menschenleeren Straßen.
Vielleicht war es doch schon zu spät für ein paar große Biere, aber noch nicht für den anderen einsamen Mann auf dem Balkon. Gewandet in Frack und Zylinder rezitierte er ‚Hochliteratur‘.
„Im Fenster jenes alt verblichnen Gartensaals
Die Harfe, die, vom leisen Windhauch angeregt,
Lang ausgezogne Töne traurig wechseln lässt…“
Sonst ja, aber jetzt habe ich keinen Sinn dafür, keinen Sinn für erhabene Dichtung. Ungleich dem anderen Man, der bei halb geöffnetem Fenster bei einem halbvollen Glas Rotwein an seinem Computer sitzt und Lyrisches schreibt.
Ich bleibe einen Moment stehen, kann aber nicht erkennen, was er schreibt, sein Gesicht ist jedoch verzückt.
Oder macht er nur die Abrechnung für sein Geschäft?
Oder er ist freischaffender Lektor und hat ein Manuskript, was ihn fesselt?
Warum nicht meins?
Verdammt!
Ich gehe weiter, die Kneipe ist nicht mehr weit und drinnen ist noch Licht an.
Ich trete ein, setze mich an die Theke, schlage den Kragen meiner Marlon Brando Lederjacke hoch und bestelle ein Bier, ein recht schönes großes, mit einem Häublein Schaum oben drauf.
Wer alleine an der Theke sitzt, ist stets der Loser, nur Loser sitzen alleine an der Theke.
Der ungeile Wirt verzieht keine Miene und stellt das Glas unter den Zapfhahn.
Ich zünde mir eine Zigarette an.
„Hier ist Rauchverbot!“
„Welches Rauchverbot?“
Die Luft knistert.
Ich balle die Fäuste.
„Na, gut. Aber nur weil gerade keine anderen Gäste da sind.“
Ich entspanne mich.
Der Wirt zapft weiter.
Die Zeit tropft dahin, ich wartete auf den Schwächeren, gelehnt an meinen innerlichen Hader.
Weil der Schwächere nicht kommt ist mir nach Trashmusik, richtig schöner Trashmusik.
Bloß nichts Anspruchsvolles. Nicht in der Literatur, wie ich es versucht habe, nicht in der Musik.
Und in der Ecke steht die Jucke-Box mit den schönen Oldies, eine echte Rock-Ola Capri II! 49 years old and still going strong.
Fast ehrfürchtig drücke ich „Surfin' Bird, the Bird is the Word!“
Bis die Nadel in der Rille sitzt ist mein Bier fertig. Ich nehme einen großen Schluck.
„A-well-a everybody's heard about the bird.
Bird, bird, bird, b-bird's the word.“
Rein kommt Horst.
Horst ist schwächer als ich.
„A-well-a bird, bird, bird, b-bird's the word.
A-well-a bird, bird, bird, b-bird's the word.“
Es wird ein leichtes Spiel werden, und ich bin meinen Frust los.
„A-well-a bird, bird, b-bird's the word.
A-well-a bird, bird, bird, b-bird's the word.“
Doch Horst ist zu schwach und zudem das letzte Arsch in der Kartonfabrik.
„A-well-a bird, bird, bird, b-bird's the word.
A-well-a bird, bird, bird, b-bird's the word.“
Er hat es jeden Tag schwerer als ich es nur heute habe.
Er wird immer rumkommandiert, verarscht, alle lachen über ihn.
„A-well-a bird, bird, bird, b-bird's the word.
A-well-a don't you know about the bird?“
Zudem hat er ein Feuermahl über die ganze linke Wange.
„Well, everybody's talking about the bird!“
„Hallo Horst“, sage ich, „schön, dass du kommst! Lass uns ein Bier trinken und eine Runde flippern.“
„Well don't you know about the bird?
Well, everybody knows that the bird is the word!“
Horst nickt. Vollkommen glücklich.
„A-well-a bird, bird, b-bird's the word!“
 



 
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