eine unwahre geschichte

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bosbach46

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Eine unwahre Begebenheit

Wer kennt schon Kessel, jenes kleine Dorf in der Nähe der ebenso fast unbekannten Stadt
Goch. An der Stephanuskirche vorbei fließt die geruhsame Niers. Auf den Pferdeweiden
tummeln übermütige Fohlen, der nahe Reichswald bietet wunderschöne Wanderwege und die Gaststätten halten beste Küche vorrätig. Vor allem im Mai und im Juni, wenn auf den Feldern polnische Spargelstecher den örtlichen Landwirten behilflich sind, wird ein unvergleichlich hochwertiger Spargel geerntet. Einheimische meinen nicht mehr Walbeck sei das Zentrum des niederrheinischen Spargels, sondern inzwischen die Orte Kessel und Asperden.

Wo immer auch die Wahrheit liegt, es wäre eine sträfliche Vernachlässigung würde in der
Saison eines der Kesseler Restaurants nicht aufgesucht werden. In einem langen Saal, an langen Tischen gibt es im Minimum mindestens ein Pfund der allerbesten Qualität. Noch nie habe ich in den letzten 10 Jahren Grund zur Reklamation entdecken können.

Jedenfalls sitze ich dort mal wieder und genieße das weiße Gold, wie die Tür zum Gastraum pendelt und Harald Junke sich durch die halb geöffnete Tür quetscht. Der Alki aus Berlin, denke ich. Zugleich frage ich mich was diese Berühmtheit in die Provinz getrieben hat. Doch der Star läßt mir für Spekulationen keine Zeit. Ich sitze alleine an einem der kleineren Tische und er
geht unerheblich schwankend auf mich zu.

Verzeihen Sie, raunte er schleppend, Sie sind ohne Begleitung, ich bin solo, also eine passende Fügung.

Ich war überrascht. Erstmalig in meinem 47 jährigen Leben sprach mich eine bekannte Größe
aus der deutschen Unterhaltungsindustrie an. Seine Aussprache war feucht und eine aufdringliche
Fahne drang in meine Nase.

Ah, lächelte er mit leicht glasigen Augen, ich bin ertappt. Schuld ist der Mühlenschnaps aus,
mir fällt der verdammte Ort nicht mehr ein. Immerhin, etwas aus der Mühle.

Sie meinen die Mühle in Donsbrüggen.

Jawohl, Verehrtester die Mühle in Donsbrüggen.

Junke hatte sich nach vorn übergebeugt auf den Tisch gestützt. Die Blumenvase fiel um und langsam rann das Wasser an der Tischkante herunter. Dann ließ er sich wie ein nasser Sack auf den Stuhl fallen.

Kleines Malheur, keuchte er.

Die freundliche Kellnerin trat an den Tisch.

Nennen Sie mich Harald, brüllte er, und verzeihen Sie meine Ungeschicklichkeit. Ich leide an einem motorischen Defekt, wissen Sie. Natürlich wissen Sie, Sie studieren ja die Regenbogen-

Presse, nicht wahr ?

Ich studiere Jura, antwortete die junge Frau knapp.

Ah, da habe ich es mit einer künftigen Winkeladvokatin zu tun, zischte er giftig.

Sie gehen zu weit, meinte die Kellnerin.

Oh Gott, was bin ich ein garstiges Wesen . Junke sprang buchstäblich hoch und stand wie ein
preußischer Offizier kerzengerade vor ihr.

Entschuldigen Sie, der Alkohol, Schnaps macht böse, setzt das Widerliche frei. Trotzdem bitte
ich Sie, mir eine Portion Spargel mit Schinken zu bringen.

Was möchten Sie trinken ?

Eine Flasche Wodka und Wasser !

Ich glaube kaum, dass Sie hier noch Alkohol erhalten werden.

Junke stierte sie ungläubig an. Soll ich etwa Milch zum Spargel trinken, das ist Nötigung.

Wollen Sie nun essen oder nicht ?

Ja, her mit den Stangen und dem Krankenmineralwasser.

Die Kellnerin ging zur Küche und verschwand in ihr. Der Schauspieler rülpste.

Seit dem meine Leber im Arsch ist, passiert das einfach. Ich mache Beuerchen, so oft ich will.
Und saufe mich tot. Sagen Sie, wie ist denn hier die Intensivstation in Goch.

Warum fragen Sie ?

Weil ich blute, lallte Junke, und es mit mir zu Ende gehen könnte.

Er knallte mit dem Kopf auf die Tischplatte. Hellrotes Blut sickerte aus seinem Mund, als sein
Spargel serviert wurde. Die Kellenerin eilte zum Telefon und bestellte den Notarzt. Zufällig hatte ich meine Kamera dabei. Die Fotos erzielten einen guten Preis. Genug Geld für mehrere
Spargelvöllereien. Allerdings ohne Junke.
 



 
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